The study examines the entire spectrum of forms taken by the prose poem in Germany between 1880 and 1920, presenting the first comprehensive history of this genre in the European literary context from a perspective angled toward cultural studies and media history. It also engages with the influence of French genre patterns and traces the corresponding intercultural exchange processes between the national literatures of Europe. In its consistent endeavour to regard genre history in conjunction with the history of communication it proposes a theory of the prose poem in the context of literary modernity.
Die Studie untersucht das gesamte Spektrum der Erscheinungsformen des Prosagedichts in Deutschland zwischen etwa 1880 und 1920 und legt damit zum ersten Mal eine umfassende, kulturwissenschaftlich und mediengeschichtlich akzentuierte Geschichte der Gattung im Rahmen der europäischen Literatur vor. Dabei geht sie ausführlich auf die Vorbildwirkung französischer Genremuster ein und zeichnet die entsprechenden interkulturellen Austauschprozesse zwischen den europäischen Nationalliteraturen nach. Indem sie Gattungsgeschichte konsequent als Kommunikationsgeschichte entwirft, gelingt es ihr, eine Theorie des Prosagedichts im Kontext der literarischen Moderne zu liefern. Die Rekonstruktion dieser Textsorte in Deutschland wiederum führt an einem exponierten Beispiel vor, dass Gattungen als kulturspezifische Strukturierungsmatrices literarischer Kommunikation verstanden werden müssen, welche die Rezeption eines Textes steuern, seine soziale Verwendung prägen und seinen symbolischen Status bestimmen. Zugleich wirft sie ein Licht auf die Probleme textueller Generizität, die sich für die Literatur ergeben, seit sie den für die Moderne charakteristischen Imperativen des Normbruchs und der Selbstüberbietung ausgesetzt ist.
Die Studie untersucht das gesamte Spektrum der Erscheinungsformen des Prosagedichts in Deutschland zwischen etwa 1880 und 1920 und legt damit zum ersten Mal eine umfassende, kulturwissenschaftlich und mediengeschichtlich akzentuierte Geschichte der Gattung im Rahmen der europäischen Literatur vor. Dabei geht sie ausführlich auf die Vorbildwirkung französischer Genremuster ein und zeichnet die entsprechenden interkulturellen Austauschprozesse zwischen den europäischen Nationalliteraturen nach. Indem sie Gattungsgeschichte konsequent als Kommunikationsgeschichte entwirft, gelingt es ihr, eine Theorie des Prosagedichts im Kontext der literarischen Moderne zu liefern. Die Rekonstruktion dieser Textsorte in Deutschland wiederum führt an einem exponierten Beispiel vor, dass Gattungen als kulturspezifische Strukturierungsmatrices literarischer Kommunikation verstanden werden müssen, welche die Rezeption eines Textes steuern, seine soziale Verwendung prägen und seinen symbolischen Status bestimmen. Zugleich wirft sie ein Licht auf die Probleme textueller Generizität, die sich für die Literatur ergeben, seit sie den für die Moderne charakteristischen Imperativen des Normbruchs und der Selbstüberbietung ausgesetzt ist.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.11.2005Zeilenspringende Zwitterwesen
Das Prosagedicht: Wolfgang Bunzel schreibt die Lyrikgeschichte um
"lies keine oden, mein sohn, lies die fahrpläne: sie sind genauer", empfahl Hans Magnus Enzensberger in einem berühmten Gedicht aus dem Jahr 1957. Mit Texten wie diesem provozierte die politische Lyrik ihre bürgerliche Öffentlichkeit. Letztere erwartete von einem Gedicht gereimte Erhabenheit, die ,jungen wilden Lyriker' hingegen verzichteten auf beides: auf Reime und erhöhte Gefühle. Ihre Gedichte lebten von der Gattungsmischung, vom sogenannten Prosagedicht und seiner Nähe zur trivialen Wirklichkeit.
Was in den sechziger Jahren neu und streitbar wirkte und sich später auf diese Weise einen Platz in den Lehrbüchern für die Oberstufe erwarb, konnte sich jedoch auf eine wohletablierte Tradition der Gegen-Tradition berufen. In seiner Studie über "Das deutschsprachige Prosagedicht" gräbt Wolfgang Bunzel nach den Wurzeln dieser Tradition.
Sie beginnt im ästhetisch rückständigen Frankreich der fünfziger Jahre des 19. Jahrhunderts, und zwar bei keinem Geringeren als Charles Baudelaire. In seinen "Petits poèmes en prose" schlendert der Flaneur durch die Großstadt, schildert Bettler und Prostituierte und entdeckt die prosaische Poesie des Elends. Thematisch und formal richtet er sich gegen die wirklichkeitsfremde bürgerliche Kultur ebenso wie gegen jenes starre Gattungssystem, das ihr entspricht: eine literarische Sensation. Baudelaire wird zum Skandalautor; das literarische Europa ist begeistert.
Nachahmer finden sich allerorten. Seit den achtziger Jahren dichten auch deutsche Autoren in Prosa. Angesichts dieser zeitlichen Verzögerung läge es nahe, wieder einmal über die "Verspätung" der deutschen Literatur im 19. Jahrhundert zu klagen. Bunzel setzt erfreulicherweise anders an. Zu den erheblichen Verdiensten seiner Studie zählt ein zeitgemäßer Blick auf jene Epoche, in der die deutsche Lyrik als rückständig galt: Bunzel spricht für diese Zeit von einer "eigentümlichen Verschränkung von Innovation und Traditionsbewahrung".
Was damit gemeint ist, verdeutlicht er am Beispiel des "ersten deutschen Prosadichters" Detlef von Liliencron. Liliencron zählt zu den Popautoren vor und um 1900. Seine Texte lassen sich vortragen, spielen, zelebrieren. Doch ist Liliencron nicht nur auf schnellen Erfolg aus, sondern interessiert sich auch für formale Neuerungen wie das Prosagedicht. Indem Liliencron kurze Prosastücke in seine Lyriksammlung "Adjutantenritte und andere Gedichte" (1883) aufnimmt, wird er zum "Rekombinator" im Gattungsdschungel des deutschen 19. Jahrhunderts. Es kennt nicht nur Baudelaire, sondern auch die vielfältigen und vermischten Genres der Romantik. Weil das deutsche Gattungssystem des 19. Jahrhunderts flexibler war als das französische, konnte es Formen wie das Prosagedicht ohne großes Aufsehen verarbeiten.
Vor diesem Hintergrund erstrahlt die sogenannte Epigonenlyrik in neuem Glanz: In der deutschen Lyrikgeschichte gehört der Tabubruch zum täglichen Geschäft - eine Tendenz, die sich bei keinem zweiten Autor so deutlich zeigt wie bei dem Journalisten, Kunstkritiker und Dichter Otto Julius Bierbaum. Wie Liliencron steht Bierbaum dem Naturalismus nahe, ohne daß seine Texte vollends darin aufgingen. Anders als Liliencron treibt er das Formspiel aber so weit, daß er eine eigene Gattung der "Prosalyrik" einführt.
Seine "Erlebten Gedichte" von 1892 verfolgen eine geschickte "Doppelstrategie": Sie reservieren Pathos für die Prosaform und brechen es damit zugleich. Distanz und Witz werden zu Stilmitteln einer Lyrik, die sich von Friedrich Nietzsches Wortgewalt faszinieren läßt, aber eigene Ausdrucks- und Denkformen sucht. Mit Bierbaum etabliert sich die rhythmisierte Kurzprosa hierzulande endgültig als Gedicht, und schon deshalb sollte man Bierbaums Namen ab sofort jeder Literaturgeschichte ins Stammbuch schreiben.
Die Geschichte des Prosagedichts nach Bierbaum kennt vor allem Variationen, aber auch Kritik an einer ungebührlichen Ausweitung des Gattungssystems. Überraschenderweise geht diese Kritik auf jene Autoren zurück, die gewöhnlich als innovativ gefeiert werden, vor allem auf Arno Holz, den selbsternannten Reformator der deutschen Literatur. Holz führt eine bestimmte Druckanordnung, die Mittelachsengliederung, in die Lyrik ein. Lyrik wird zum "optischen Superzeichen" und hebt sich auf diese Weise vom ungeordneten Prosagedicht ab.
Mit dieser historischen Skizze schlägt Bunzel einen Weg der Kritik an der Begeisterung für "hohe Lyrik" um 1900 ein, wie er in der Literaturwissenschaft zusehends und mit gutem Grund beliebt wird: Es gibt viel zu entdecken in jenen Jahrzehnten, aus denen die Jahrhundertwende ihre Dynamik schöpft. In der Folge erscheint die literarische Jahrhundertwende oft konventioneller als die vermeintlich düstere Zeit deutscher Lyrik zwischen 1840/50 und 1890.
Entsprechend geraten Bunzel für die Zeit nach 1900 vor allem die "Krisen" des Genres in den Blick: Eine erste Krise erlebt es durch seine "Banalisierung" bei tatsächlich epigonalen Autoren wie dem Heimatdichter Cäsar Flaischlen. Die zweite Krise entsteht durch die "Universalisierung" von Prosalyrik im Expressionismus, bei Georg Trakl und Klabund: Der Expressionismus nähert gebundene und ungebundene Rede bis zur Unkenntlichkeit an; auf diese Weise beraubt er das Prosagedicht seiner Merkmale. Als grenzüberschreitendes Zwittergenre wird es überflüssig und verliert seine provozierende Kraft.
Mit seiner Geschichte vom Aufstieg und Fall des Prosagedichts liest Bunzel die Lyrikgeschichte des 19. Jahrhunderts konsequent gegen den Strich. Durch gründliche Grabungsarbeiten in ihren verschütteten Schichten fördert er nicht nur entlegene Texte zuage, sondern wirft auch weitreichende Fragen auf: Stimmt unser Bild von der innovativen Literatur der Jahrhundertwende? Müssen wir nicht gerade jene Texte neu lesen, die allzu lange als bloß kunstgewerblich galten?
Bedauerlicherweise erscheint Bunzels Studie mit dreijähriger Verzögerung, so daß sie neuere Antworten auf diese Fragen und auch aktuelle theoretische Ansätze nicht mehr zur Kenntnis nimmt. Beispielsweise fehlt eine Auseinandersetzung mit der Narratologie, einem theoretisch avancierten Versuch, Lyrik, auch Prosalyrik als erzählende Gattung zu beschreiben. Doch ist dies der einzige Wehrmutstropfen, welcher die Lektüre von Bunzels Geschichte des Prosagedichts trübt. Sie lehrt nicht nur, daß in der Lyrik spätestens seit der Erfindung der Eisenbahn Fahrpläne gelesen werden, sondern auch, auf welche ehrwürdigen und krisenhaften Traditionen diese Fahrplan-Lektüre zurückblicken kann.
SANDRA POTT
Wolfgang Bunzel: "Das deutschsprachige Prosagedicht". Theorie und Geschichte einer literarischen Gattung der Moderne. Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2005. 420 S., br., 78,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das Prosagedicht: Wolfgang Bunzel schreibt die Lyrikgeschichte um
"lies keine oden, mein sohn, lies die fahrpläne: sie sind genauer", empfahl Hans Magnus Enzensberger in einem berühmten Gedicht aus dem Jahr 1957. Mit Texten wie diesem provozierte die politische Lyrik ihre bürgerliche Öffentlichkeit. Letztere erwartete von einem Gedicht gereimte Erhabenheit, die ,jungen wilden Lyriker' hingegen verzichteten auf beides: auf Reime und erhöhte Gefühle. Ihre Gedichte lebten von der Gattungsmischung, vom sogenannten Prosagedicht und seiner Nähe zur trivialen Wirklichkeit.
Was in den sechziger Jahren neu und streitbar wirkte und sich später auf diese Weise einen Platz in den Lehrbüchern für die Oberstufe erwarb, konnte sich jedoch auf eine wohletablierte Tradition der Gegen-Tradition berufen. In seiner Studie über "Das deutschsprachige Prosagedicht" gräbt Wolfgang Bunzel nach den Wurzeln dieser Tradition.
Sie beginnt im ästhetisch rückständigen Frankreich der fünfziger Jahre des 19. Jahrhunderts, und zwar bei keinem Geringeren als Charles Baudelaire. In seinen "Petits poèmes en prose" schlendert der Flaneur durch die Großstadt, schildert Bettler und Prostituierte und entdeckt die prosaische Poesie des Elends. Thematisch und formal richtet er sich gegen die wirklichkeitsfremde bürgerliche Kultur ebenso wie gegen jenes starre Gattungssystem, das ihr entspricht: eine literarische Sensation. Baudelaire wird zum Skandalautor; das literarische Europa ist begeistert.
Nachahmer finden sich allerorten. Seit den achtziger Jahren dichten auch deutsche Autoren in Prosa. Angesichts dieser zeitlichen Verzögerung läge es nahe, wieder einmal über die "Verspätung" der deutschen Literatur im 19. Jahrhundert zu klagen. Bunzel setzt erfreulicherweise anders an. Zu den erheblichen Verdiensten seiner Studie zählt ein zeitgemäßer Blick auf jene Epoche, in der die deutsche Lyrik als rückständig galt: Bunzel spricht für diese Zeit von einer "eigentümlichen Verschränkung von Innovation und Traditionsbewahrung".
Was damit gemeint ist, verdeutlicht er am Beispiel des "ersten deutschen Prosadichters" Detlef von Liliencron. Liliencron zählt zu den Popautoren vor und um 1900. Seine Texte lassen sich vortragen, spielen, zelebrieren. Doch ist Liliencron nicht nur auf schnellen Erfolg aus, sondern interessiert sich auch für formale Neuerungen wie das Prosagedicht. Indem Liliencron kurze Prosastücke in seine Lyriksammlung "Adjutantenritte und andere Gedichte" (1883) aufnimmt, wird er zum "Rekombinator" im Gattungsdschungel des deutschen 19. Jahrhunderts. Es kennt nicht nur Baudelaire, sondern auch die vielfältigen und vermischten Genres der Romantik. Weil das deutsche Gattungssystem des 19. Jahrhunderts flexibler war als das französische, konnte es Formen wie das Prosagedicht ohne großes Aufsehen verarbeiten.
Vor diesem Hintergrund erstrahlt die sogenannte Epigonenlyrik in neuem Glanz: In der deutschen Lyrikgeschichte gehört der Tabubruch zum täglichen Geschäft - eine Tendenz, die sich bei keinem zweiten Autor so deutlich zeigt wie bei dem Journalisten, Kunstkritiker und Dichter Otto Julius Bierbaum. Wie Liliencron steht Bierbaum dem Naturalismus nahe, ohne daß seine Texte vollends darin aufgingen. Anders als Liliencron treibt er das Formspiel aber so weit, daß er eine eigene Gattung der "Prosalyrik" einführt.
Seine "Erlebten Gedichte" von 1892 verfolgen eine geschickte "Doppelstrategie": Sie reservieren Pathos für die Prosaform und brechen es damit zugleich. Distanz und Witz werden zu Stilmitteln einer Lyrik, die sich von Friedrich Nietzsches Wortgewalt faszinieren läßt, aber eigene Ausdrucks- und Denkformen sucht. Mit Bierbaum etabliert sich die rhythmisierte Kurzprosa hierzulande endgültig als Gedicht, und schon deshalb sollte man Bierbaums Namen ab sofort jeder Literaturgeschichte ins Stammbuch schreiben.
Die Geschichte des Prosagedichts nach Bierbaum kennt vor allem Variationen, aber auch Kritik an einer ungebührlichen Ausweitung des Gattungssystems. Überraschenderweise geht diese Kritik auf jene Autoren zurück, die gewöhnlich als innovativ gefeiert werden, vor allem auf Arno Holz, den selbsternannten Reformator der deutschen Literatur. Holz führt eine bestimmte Druckanordnung, die Mittelachsengliederung, in die Lyrik ein. Lyrik wird zum "optischen Superzeichen" und hebt sich auf diese Weise vom ungeordneten Prosagedicht ab.
Mit dieser historischen Skizze schlägt Bunzel einen Weg der Kritik an der Begeisterung für "hohe Lyrik" um 1900 ein, wie er in der Literaturwissenschaft zusehends und mit gutem Grund beliebt wird: Es gibt viel zu entdecken in jenen Jahrzehnten, aus denen die Jahrhundertwende ihre Dynamik schöpft. In der Folge erscheint die literarische Jahrhundertwende oft konventioneller als die vermeintlich düstere Zeit deutscher Lyrik zwischen 1840/50 und 1890.
Entsprechend geraten Bunzel für die Zeit nach 1900 vor allem die "Krisen" des Genres in den Blick: Eine erste Krise erlebt es durch seine "Banalisierung" bei tatsächlich epigonalen Autoren wie dem Heimatdichter Cäsar Flaischlen. Die zweite Krise entsteht durch die "Universalisierung" von Prosalyrik im Expressionismus, bei Georg Trakl und Klabund: Der Expressionismus nähert gebundene und ungebundene Rede bis zur Unkenntlichkeit an; auf diese Weise beraubt er das Prosagedicht seiner Merkmale. Als grenzüberschreitendes Zwittergenre wird es überflüssig und verliert seine provozierende Kraft.
Mit seiner Geschichte vom Aufstieg und Fall des Prosagedichts liest Bunzel die Lyrikgeschichte des 19. Jahrhunderts konsequent gegen den Strich. Durch gründliche Grabungsarbeiten in ihren verschütteten Schichten fördert er nicht nur entlegene Texte zuage, sondern wirft auch weitreichende Fragen auf: Stimmt unser Bild von der innovativen Literatur der Jahrhundertwende? Müssen wir nicht gerade jene Texte neu lesen, die allzu lange als bloß kunstgewerblich galten?
Bedauerlicherweise erscheint Bunzels Studie mit dreijähriger Verzögerung, so daß sie neuere Antworten auf diese Fragen und auch aktuelle theoretische Ansätze nicht mehr zur Kenntnis nimmt. Beispielsweise fehlt eine Auseinandersetzung mit der Narratologie, einem theoretisch avancierten Versuch, Lyrik, auch Prosalyrik als erzählende Gattung zu beschreiben. Doch ist dies der einzige Wehrmutstropfen, welcher die Lektüre von Bunzels Geschichte des Prosagedichts trübt. Sie lehrt nicht nur, daß in der Lyrik spätestens seit der Erfindung der Eisenbahn Fahrpläne gelesen werden, sondern auch, auf welche ehrwürdigen und krisenhaften Traditionen diese Fahrplan-Lektüre zurückblicken kann.
SANDRA POTT
Wolfgang Bunzel: "Das deutschsprachige Prosagedicht". Theorie und Geschichte einer literarischen Gattung der Moderne. Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2005. 420 S., br., 78,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Als Historie vom "Aufstieg und Fall" des Prosagedichts liest Rezensentin Sandra Pott die vorliegende Studie. Den Aufstieg verorte der Autor ausgerechnet in den Jahrzehnten vor 1900, die in der Literaturgeschichtsschreibung üblicherweise als epigonal verurteilt und ignoriert würden. Autoren wie Detlef von Liliencron oder Otto Julius Bierbaum hätten aber schon lange vor der Jahrhundertwende rhythmisierte Prosa in der deutschsprachigen Lyrik etabliert. Indirekt, so die Rezensentin, kritisiere der Autor durch seine gegen den Strich gelesene Lyrikgeschichte die "Begeisterung für die "hohe Lyrik" um 1900", denn diese erscheine auf einmal als weit konventioneller als allgemein angenommen. Auch sei das deutsche Gattungssystem im 19. Jahrhundert, referiert die Rezensentin, weit flexibler gewesen als beispielsweise das französische und habe das Prosagedicht frühzeitig "ohne großes Aufsehen" integriert. "Innovation und Traditionsbewahrung" seien in dieser Zeit auf "eigentümliche" Weise verschränkt gewesen. Wolfgang Bunzel, resümiert die Rezensentin, werfe mit seiner Studie einen erhellenden "zeitgemäßen Blick" auf eine vermeintlich unzeitgemäße und dunkle Epoche der deutschsprachigen Lyrik.
© Perlentaucher Medien GmbH
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