Die prekäre Existenz weiblicher Hausangestellter in Küchen, Kinderzimmern und Ehebetten hat eine Vorgeschichte, die so alt ist wie die Geschichte des modernen Romans.Mit Richardsons Erfolgsroman Pamela (1740) betritt eine Figur, die bis dahin eine Randexistenz in der Komödie zu fristen hatte, die Bühne des modernen Romans: das Dienstmädchen. Ihre Karriere führt sie durch alle Gesellschaftsschichten und literarischen Gattungen. Man begegnet ihr als soziale Aufsteigerin bei Richardson, als gepeinigte Unschuld bei de Sade, frömmelnde Alte und »einfaches Herz« bei Flaubert, hysterische Magd, schließlich als Ehemonster bei Elias Canetti - bevor sie in der Angestelltenwelt des modernen Films untergeht. Über zweihundert Jahre ist sie die Verkörperung einer bis heute unaufgelösten Paradoxie: nämlich dass die Welt der bürgerlichen Familie sich zu einem intimen Binnenraum schließt, strukturell aber von der Dauerpräsenz familienfremder Personen abhängig bleibt. Das Buch analysiert den bürgerlichen Familiendiskurs von seinen Rändern und Ausgrenzungen her - in prominenter Weise bei Sigmund Freud, dessen Fallstudien vielfach von weiblichen Dienstboten handeln, die im Vater-Mutter-Kind-Mythos der Psychoanalyse keinen Platz finden.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Lothar Müller erfährt eine Menge aus diesem Buch, das er nicht als reine Sozialgeschichte bezeichnen möchte, sondern lieber als Untersuchung der Parallelaktion, die den Aufstieg des Romans wie des Dienstmädchens gleichermaßen bedeutet. Anhand des großen Bogens, den Eva Eßlinger in ihrem Buch schlägt, von Skandalen im frühen 18. Jahrhundert bis zu Dominique Strauss-Kahn, von de Sade über Flaubert bis zum Familienroman der Psychoanalyse und Carl Sternheim, lernt der Rezensent die schillernde Problematik des literarischen Modells der verfolgten Unschuld kennen. Das sei nicht immer leicht zu lesen, meint er, doch niemals spröde.
© Perlentaucher Medien GmbH
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