Das Internet bringt den Menschen mehr Demokratie, wirtschaftlichen Wohlstand und kulturelle Vielfalt. Es ist ein Raum der Transparenz, Offenheit und Gleichberechtigung. Ein Erfolg auf der ganzen Linie. Wer das glaubt, sagt Silicon-Valley-Insider Andrew Keen, liegt völlig falsch. Nicht die Gesellschaft profitiert von einer "hypervernetzten" Welt, sondern eine elitäre Gruppe junger weißer Männer. Was ihnen immer mehr Reichtum beschert, macht uns in vielerlei Hinsicht ärmer.
Das Internet vernichtet Arbeitsplätze, unterbindet den Wettbewerb und befördert Intoleranz und Voyeurismus. Es ist kein Ort der Freiheit, sondern ein Überwachungsapparat, dem wir kosten- und bedenkenlos zuarbeiten. Kurzum: Das Internet ist ein wirtschaftliches, kulturelles und gesellschaftliches Debakel. Andrew Keen liefert eine scharfe, pointierte Analyse unserer vernetzten Welt und zeigt, was sich ändern muss, um ein endgültiges Scheitern des Internets zu verhindern.
Das Internet vernichtet Arbeitsplätze, unterbindet den Wettbewerb und befördert Intoleranz und Voyeurismus. Es ist kein Ort der Freiheit, sondern ein Überwachungsapparat, dem wir kosten- und bedenkenlos zuarbeiten. Kurzum: Das Internet ist ein wirtschaftliches, kulturelles und gesellschaftliches Debakel. Andrew Keen liefert eine scharfe, pointierte Analyse unserer vernetzten Welt und zeigt, was sich ändern muss, um ein endgültiges Scheitern des Internets zu verhindern.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Ein bisschen zu persönlich wird der Autor laut Jonas Jansen. Wenn Andrew Keen über pickelige Internetmillionäre herzieht, spürt der Rezensent die Bitternis des Pleitegeiers. An der Schlagkraft der Fakten zur Internetökonomie, die der Autor und einstige Chef des Start-ups "Audiocafe" zusammenträgt, ändert das aber nichts, fügt Jansen hinzu. Zumal der Autor seine Philippika gegen die Techbranche mit harten Zahlen unterfüttert. Das Netz ist gescheitert, wettert der Autor und meint nicht die Monopolisten und Millionäre, sondern die Möglichkeit einer freien, vernetzten Gesellschaft. Eine wichtige Stimme, findet der Rezensent, trotz aller Unsachlichkeit.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Harte Kritik an den Giganten aus dem Silicon Valley
Wenn man den reißerischen Titel des vorliegenden Sachbuches sieht, erwartet man einen Schocker. Alle Welt propagiert die Digitalisierung als Motor der vierten industriellen Revolution, von der man sich eine personalisierte Kundenversorgung und einen gewaltigen Produktivitätssprung verspricht - also alles andere als ein digitales Debakel. Hat sich mit diesem vielbeachteten Buch ein Untergangsprophet und Schwarzmaler zu Wort gemeldet, der die schöne neue digitale Welt kaputtredet? Bei näherem Hinschauen fällt schnell auf, dass dies nicht der Fall ist. Der Verlag hat mit der irritierenden "Übersetzung" des in der englischsprachigen Originalversion 2015 unter dem sachlichen Titel "The Internet is not the Answer" einen Werbegag gelandet. Dies ist nicht seriös und muss den Verlagsverantwortlichen angekreidet werden.
Fakt ist, dass der britische Silicon-Valley-Insider Andrew Keen keineswegs ein moderner Maschinenstürmer gegen das Internet ist, wohl aber ein scharfer Kritiker der Internetmonopole Google, Amazon und Facebook. Er hat herausgefunden, dass deren egoistische Machenschaften nichts mit den vom Internet erwarteten Wohltaten für die Menschheit zu tun haben. Nach seiner begründeten Einschätzung schaffen die immer mächtigeren Internetgiganten aus dem Silicon Valley keineswegs die Voraussetzungen für mehr Demokratie sowie eine offenere und gerechtere Welt. Sie begründen auch nicht den oft beschworenen wirtschaftlichen und kulturellen Gewinn für Milliarden Internetnutzer, den man sich von der technischen Revolution weiland versprach. Insofern sei die von Google & Co. propagierte gängige Formel - "Je mehr Menschen Zugang zum Internet erhalten, umso wertvoller ist dies für seine Nutzer und die Gesellschaft" - zumindest derzeit falsch.
In der heutigen Realität - so Keens düstere Diagnose - sorgten die Internetmonopole für eine immer größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich und die Aushöhlung der Mittelschicht. Arbeitsplätze gingen verloren. Die Internetplattformen brächten nicht etwa mehr Transparenz und Offenheit, sondern im Gegenteil ein Panoptikum der Datensammlungs- und Überwachungsinstrumente. Noch schlimmer: Sie verkauften ohne Respekt vor der Privatheit die blauäugigen, willfährigen Nutzer ihrer immer mächtigeren Big-Data-Netzwerke als allzu transparente Objekte.
Viele Menschen seien dumm genug, bei diesem üblen Spiel mitzumachen. So ergebe sich eine große Gefahr für die Privatsphäre. Die kostenlose App, die man sich heute allerorten herunterladen könne, sei, richtig betrachtet, keineswegs kostenlos. Sie sorge dafür, dass immer mehr Informationen über die Vorlieben, Bewegungen und Freunde der Nutzer gesammelt und mit cleveren, aber intransparenten Algorithmen ausgewertet werden könnten. Die Internetmonopolisten organisierten die systematische Ausbeutung der höchst privaten Informationen als Motor der Big-Data-Ökonomie. So entwickele sich etwa Facebook zu einem immer mächtigeren Monopolisten in der Verbreitung von News und Informationen. Facebook sehe sich heute als größte personalisierte Zeitung der Welt. Für die breite Öffentlichkeit bedeute dies, dass Informationen mehr oder weniger auf einer Plattform zentralisiert würden. Ähnliches gelte für Google.
Keen kommt zu der ernüchternden Erkenntnis, dass das geniale Besondere des Internets zwar die Kommunikation und das Wirtschaftsleben nachhaltig verändert habe, dabei aber nicht die Rolle von Macht und Reichtum in der Welt neu justiert habe. Das Internet, verstanden als die Symbiose aus Mensch und Maschine, sei daher, so wie es zurzeit genutzt werde, (noch) nicht die Antwort auf die Probleme der Gegenwart.
Dennoch geriert sich der Autor nicht als Fatalist und Vernetzungsfeind: Seines Erachtens gibt es durchaus Möglichkeiten, die Potentiale des Internets nutzbringend in den Dienst einer modernen Gesellschaft zu stellen. Ob dies tatsächlich gelingt, hänge jedoch von jedem Einzelnen und den politischen Gestaltern ab. So müssten beim smarten Arbeiten alle Akteure, sowohl die Nutzer als auch die Anbieter, noch viel lernen; insbesondere den verantwortungsvollen Umgang mit den digitalen Technologien. Die Exzesse des Internets, insbesondere die Monopolisierungen, müssten massiv nicht zuletzt durch Zerschlagung von marktbeherrschenden Anbietern bekämpft werden. Die libertären Zerstörer aus dem Silicon Valley, die danach trachteten, die staatliche Ordnung durch mächtige Technologie zu substituieren, müssten entschlossen an die Kette gelegt werden. Hier sei die Politik in Verbindung mit den Kartellbehörden gefordert. So müsse die Internetökonomie im 21. Jahrhundert endlich mit wirksamen Gesetzen und Verordnungen aus der Dauerpubertät geholt werden. Gegen den Sündenfall des Internets - die Finanzierung der Inhalte durch Werbung - müsse im Interesse der Informationsvielfalt für den Bürger und auch der existentiell bedrohten Kreativwirtschaft vorgegangen werden.
Die Stärken des spannend geschriebenen Buches liegen unzweifelhaft in der scharfzüngigen Auseinandersetzung mit den Fehlentwicklungen der Internetökonomie. Derartige fundierte Analysen seitens fachkundiger Insider sind unbedingt notwendig, denn es reicht keineswegs, die Digitalisierung primär vom technologischen Fortschritt her zu betrachten, was leider zu oft geschieht. Andrew Keen wendet sich vehement gegen diese Krux und nimmt die gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Auswirkungen der rasant voranschreitenden Hyper-Vernetzung ins Visier. Seine Ausführungen zur Rettung des Internets sind durchaus zutreffend; sie sind aber mit insgesamt nur 21 Seiten leider etwas knapp geraten. Man würde sich schon etwas mehr wünschen beispielsweise über Datenschutz und vor allem die Anpassung des Wettbewerbsrechts an die neuen Herausforderungen einer digital vernetzten Wirtschaft. An diesen Themen muss massiv gearbeitet werden, damit der mündige Bürger die Netzwirtschaft beherrscht und nicht Letztere mit ihren Apologeten den Bürger. Noch ist die Chance da!
ROBERT FIETEN
Andrew Keen: Das digitale Debakel. Warum das Internet gescheitert ist - und wie wir es retten können. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2015, 318 Seiten, 19,99 Euro.
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"Die Stärken des spannend geschriebenen Buches liegen unzweifelhaft in der scharfzüngigen Auseinandersetzung mit den Fehlentwicklungen der Internetökonomie." Frankfurter Allgemeine Zeitung