Die Diktatur steht heute als Synonym für Autokratie, Gewaltherrschaft oder Tyrannei. Damit wird sie zur Antipodin der Demokratie. Das war nicht immer so, denn ursprünglich galt sie nicht als eigene Herrschaftsform, sondern lediglich als Einrichtung für den Notstand. In der römischen Republik konnte in einer Krisensituation für begrenzte Zeit ein mit Sondervollmachten ausgestatteter Diktator ernannt werden, um die Ordnung wiederherzustellen.Noch in der politischen Theorie der frühen Neuzeit von Machiavelli bis Rousseau galt diese Institution als Modell, wie eine republikanische Verfassung in der Krise mit legalen Mitteln zu retten ist. Dieses Verständnis hat sich bis in das 20. Jahrhundert gehalten, wie die Diskussion über die Diktaturgewalt des Reichspräsidenten in der Weimarer Republik und spätere Postulate einer "verfassungsmäßigen Diktatur" belegt. Seit der Französischen Revolution war die Idee entwickelt worden, mit einer Diktatur die neue Ordnung gegen ihre Feinde zu schützen, aber bekanntlich mündete eine solche Vorstellung revolutionärer Selbstprivilegierung in der folgenreichen Formel von der Diktatur des Proletariats, die den Fortschritt zum Sozialismus herbeiführen sollte.Wilfried Nippel zeichnet den windungsreichen Weg der Diktaturdebatten nach und korrigiert dabei gängige Fehldeutungen. Seine Studie lässt die Komplexität des Problems, wie schwierig Legitimitätsbrüche verfassungsrechtlich und politiktheoretisch begründbar sind, neu verstehen.