Irland, zu Beginn der 1980er Jahre: An einem heißen Sommertag liefert ein Vater seine kleine Tochter bei entfernten Verwandten auf einer Farm im tiefsten Wexford ab. Seine Frau ist schon wieder schwanger, noch ein Maul wird zu stopfen sein.So findet sich das Mädchen bei dem kinderlosen Ehepaar John und Edna Kinsella wieder. An einem ungewohnt schönen und behaglichen Ort, wo es Milch und Rhabarber und Zuwendung im Überfluss gibt. Aber auch ein trauriges Geheimnis, das einen Schatten auf die leuchtend leichten Tage wirft, in denen das Mädchen lernt, was Familie bedeuten kann.Das dritte Licht (»Foster«) wurde mit dem renommierten Davy Byrnes Award ausgezeichnet und in Irland als The Quiet Girl, ebenfalls preisgekrönt, verfilmt. Nun ist diese meisterhaft komponierte Geschichte über wirkliches Zusammenleben, Zuneigung und Zärtlichkeit endlich wieder in der deutschen Übersetzung von Hans-Christian Oeser bei Steidl erhältlich - in einer neuen, von der Autorin überarbeiteten Fassung.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension
Rezensentin Sigrid Löffler schätzt die Dichte und Stille der Romane von Claire Keegan. Entsprechend erfreut ist die Kritikerin, dass nun bereits der zweite - im Original bereits 2009 erschienene Roman der irischen Autorin auf Deutsch vorliegt. Erneut setzt sich Keegan mit der "sexualmoralischen frommen Diktatur" im Irland des vergangenen Jahrhunderts auseinander, als deren Opfer hier ein namenloses kleines Mädchen erscheint, das von seinem spiel- und alkoholsüchtigen Vater Anfang der Achtziger in eine Pflegefamilie gesteckt wird. Aber auch die Pflegefamilie hat ein Geheimnis: Sie betrachten das Mädchen als Ersatz für den tödlich verunglückten Sohn, erfahren wir. Viel mehr passiert nicht, räumt Löffler ein. Aber wie "behutsam" die Autorin Beziehungen zwischen den Figuren und deren "seelische Bewegungen" beschreibt, ringt ihr höchste Anerkennung ab.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Die Drastik des Bandes ist stilecht, erschütternd, und ich finde, das ist ein überragendes Werk.« Deutschlandfunk Kultur
Als einen "Drahtseilakt von ungewöhnlicher erzählerischer Virtuosität" lobte Richard Ford "Das dritte Licht", das aus der Erzählperspektive des jungen Mädchens geschildert wird. Tastend folgt der Leser den Beobachtungen des Kindes, wird als Miterlebender und Mitfragender in die Geschichte hereingeholt. Nichts, was über den Erlebnishorizont der Protagonistin hinausgeht, wird preisgegeben. Stattdessen legt Keegan ein Netz von Spuren, subtile Details, die von scharfer Beobachtungsgabe zeugen und weit über sich hinausweisen. Das Zusammenfügen der Splitter zu einem Mosaik überlässt sie zunächst dem Leser selbst. Das Knappe, Lakonische ist stilbildend für Keegans Erzählungen, die nicht selten die Abgründe des Familienlebens zum Sujet haben. Minimalistische Erzählökonomie statt Hypertrophie der Ausdrucksmittel. Keegan vertraut auf die Intelligenz ihrer Leserschaft und verbringt mehr Zeit damit, ihre Erzählungen von dem Offensichtlichen zu reinigen als sie zu schreiben. So entstehen in einem fortschreitenden Prozess der Verdichtung Konstruktionen von ungeheuer suggestiver Kraft, über die eine Spannung des Unausgesprochenen schwebt. "Wenn ein Prosaschriftsteller genug über das weiß, worüber er schreibt, kann er Dinge auslassen, die er weiß, und der Leser wird, wenn der Schriftsteller aufrichtig genug schreibt, ein so starkes Gefühl dieser Dinge haben, als ob der Schriftsteller sie erwähnt hätte. Die Würde der Bewegung eines Eisbergs ist darauf zurückzuführen, daß nur ein Achtel von ihm über Wasser ist." Dieses Zitat von Ernest Hemingway wird nicht selten auf Keegans Erzählungen übertragen. Vielleicht lässt sich Keegans Schreibkunst mit Blick auf "Das dritte Licht" noch prägnanter mit Antoine de Saint-Exupéry fassen: "Vollkommenheit entsteht offensichtlich nicht dann, wenn man nichts mehr hinzuzufügen hat, sondern wenn man nichts mehr wegnehmen kann."