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Todesfuge aus Alltag und Apokalypse
Das kollektive Tagebuch vom Einmarsch der deutschen Truppen in Russland. Als Hitler am 22. Juni 1941 die Sowjetunion überfiel, entfesselte er einen Vernichtungskrieg von ungeahnter Grausamkeit.Walter Kempowski hat die Stimmen von russischen und deutschen Tätern, Opfern und Augenzeugen aus jenen Tagen zu einem tausendstimmigen Chor über das große Menschheitsverbrechen des Krieges verwoben.

Produktbeschreibung
Todesfuge aus Alltag und Apokalypse

Das kollektive Tagebuch vom Einmarsch der deutschen Truppen in Russland. Als Hitler am 22. Juni 1941 die Sowjetunion überfiel, entfesselte er einen Vernichtungskrieg von ungeahnter Grausamkeit.Walter Kempowski hat die Stimmen von russischen und deutschen Tätern, Opfern und Augenzeugen aus jenen Tagen zu einem tausendstimmigen Chor über das große Menschheitsverbrechen des Krieges verwoben.


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Autorenporträt
Walter Kempowski wurde am 29. April 1929 als Sohn eines Reeders in Rostock geboren. Er besuchte dort die Oberschule und wurde gegen Ende des Krieges noch eingezogen. 1948 wurde er aus politischen Gründen von einem sowjetischen Militärtribunal zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Nach acht Jahren im Zuchthaus Bautzen wurde Walter Kempowski entlassen. Er studierte in Göttingen Pädagogik und ging als Lehrer aufs Land. Seit Mitte der sechziger Jahre arbeitete Walter Kempowski planmäßig an der auf neun Bände angelegten "Deutschen Chronik", deren Erscheinen er 1971 mit dem Roman "Tadellöser & Wolff" eröffnete und 1984 mit "Herzlich Willkommen" beschloss. Kempowskis "Deutsche Chronik" ist ein in der deutschen Literatur beispielloses Unternehmen, dem der Autor das mit der "Chronik" korrespondierende zehnbändige "Echolot", für das er höchste internationale Anerkennung erntete, folgen ließ. Walter Kempowski verstarb am 5. Oktober 2007 im Kreise seiner Familie. Er gehört zu den bedeutendsten deutschen Autoren der Nachkriegszeit. Seit 30 Jahren erscheint sein umfangreiches Werk im Knaus Verlag.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Dies sei "ein Frühling der Erinnerung" merkt Rezensent Volker Weidermann mit Blick auf Grass & Co. ironisch an. Kempowski, den er als "Weltereignisdirigenten" bezeichnet, stellt Weidermann aber doch über all jene Autoren, die in diesem "Rückversicherungs-, Bekenntnis- und Deutungsfrühling der Literatur" verschiedenste Epochen der Geschichte (Krieg, Mauerfall, 11. September) in privaten Geschichten sichern. Zwar tut, dem Rezensenten zufolge, auch Kempowskis Echolot-Projekt, um dessen neuesten Band "Barbarossa '41 es hier geht, genau das: das Bewahren der großen Geschichte "mittels Archivierung der kleinen Geschichten". Aber Kempowski sei der "der Geschichtsigel, der immer schon da gewesen ist, wenn die anderen Erinnerungswettläufer mit ihren Büchern japsend ankommen." Angesichts der unendlich vielen, kleinen, parallelen Alltagshistorien sieht der Rezensent Debatten über die Bedeutungshoheit der Geschichte rasch verstummen. Es sei die Kunst Kempowskis, aus einem dissonanten Nebeneinander im Verlauf des Buches ein Geschichtsbild entstehen zu lassen, das tatsächlich den "Eindruck einer Art Authentizität" vermittele, einer "Ahnung der Wirklichkeit, aus tausend persönlichen kleinen Wirklichkeiten zusammengesetzt". Alles sei da, in allen Tonlagen, an allen Fronten, "der Krieg, der Kampf, der unendliche Schrecken", der sich im Buch von Seite zu Seite weite. Der Krieg Deutschlands gegen die Sowjetunion sei mitgeschrieben worden, und Kempowski lasse uns lesen: "Alles".

© Perlentaucher Medien GmbH"
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.03.2002

Als der Geschichte der Atem gefror
Walter Kempowskis Rußlandfeldzug / Von Volker Weidermann

Es ist ein Frühling der Erinnerung. In der deutschsprachigen Literatur dieses Jahresbeginns hat ein großes, zeitgeschichtliches Erinnern eingesetzt wie lange nicht mehr. Günter Grass bekennt, sich jahrelang lückenhaft erinnert und die Geschichte der Vertreibung der Deutschen zu Unrecht in seinen Büchern verschwiegen zu haben, Autoren aller Generationen aus dem Osten Deutschlands schreiben ihre Versionen des Mauerfalls und der letzten Jahre der DDR, und auch der 11. September ist schon mehrfach Gegenstand der Literatur geworden. Es ist ein Rückversicherungs-, ein Bekenntnis-, ein Deutungsfrühling in der Literatur. Die Geschichte wird in Geschichten gesichert und das Individuum sucht und findet seinen Ort während der großen und kleinen Weltenwenden in der privaten Erinnerung.

Ein solcher Frühling ist der Frühling Walter Kempowskis. Spätestens seit der Veröffentlichung der ersten vier Bände seines "Echolots" im November 1993, jenes kollektiven Tagebuchs aus den Kriegsmonaten Januar und Februar 1943, gilt er als der Bewahrer der großen Geschichte mittels Archivierung der kleinen Geschichten. Kempowski läßt Debatten über die Deutungshoheit der Historie rasch verstummen, indem er sie in unendlich viele kleine, parallele Alltagshistorien aufteilt und gleichberechtigt nebeneinander präsentiert: ein kollektives Tagebuch der Welt oder jenes Teiles der Welt immerhin, den Kempowskis Sammelwut bislang erreichte. Jene Sammelwut, die alles bewahren will und inzwischen im heimatlichen Nartum zu einem unüberschaubaren Weltarchiv geführt haben soll, in dem sich nur noch der Erinnerungskönig selbst und seine engsten Weltarchivmitarbeiter zurechtfinden können.

Aus diesem Archiv hat Kempowski jetzt einen neuen Zeitausschnitt herausgelöst und in einem weiteren Echolot-Band zusammengestellt. Er heißt "Barbarossa '41" und umfaßt das erste halbe Jahr des Kriegs, den Deutschland gegen die Sowjetunion führte. Der 22. Juni 1941 - was war das für ein Tag, an dem der "Barbarossa-Feldzug" begann und der große Krieg in seine vorentscheidende Phase trat?

Ein wunderbarer Morgen. Der Duft von Rosen, Heu und Flieder hängt in der Luft", schreibt der englische Diplomat und Schriftsteller Harold Nicolson in Kent in sein Tagebuch. "Der Führer macht eine kleine Spazierfahrt", schreibt Joseph Goebbels, "07.00 Abmarsch. Grenzüberschreitung", notiert der Gefreite Feldmann in Litauen, "Der Feind ist anscheinend auf ganzer Linie taktisch überrascht", meldet General Franz Halder in Berlin, der Unteroffizier Hans Schmitz schreibt von der Front am Bug: "Unsere Flugzeuge sind recht fleißig. Wir empfangen in aller Ruhe Kaffee. Mir geht's gut." Alexander Grusdew freut sich in Leningrad auf das Spiel seiner Lieblingsfußballmannschaft, die um sechs Uhr abends antritt. Der diensthabende General im Kreml weigert sich in der Nacht, Stalin zu wecken, und ist erst durch die Nachricht "Die Deutschen bombardieren unsere Städte" dazu zu überreden, auf den Gesichtern von Churchill, Eden und Winant zeigt sich beim Aufwecken in London ein "Lächeln der Genugtuung", wie der Privatsekretär Winston Churchills, John Colville, notiert. Um halb drei Uhr nachts ist "der Führer sehr ernst", wie Goebbels schreibt, und will noch ein paar Stunden schlafen. Goebbels schläft auch, hört zuvor noch erste Vogelstimmen im Garten und vermerkt: "Der Atem der Geschichte ist hörbar."

"Was ist das heute für ein schwarzer Tag", schreibt der Schriftsteller Emil Barth in Xanten. "Heute wunderbarer Sonntag. Herrlicher Sonnenschein, heiß und windstill", der Oberstabsarzt Willi Lindenbach in Gummersbach. "Vom Ausgang dieses großen, historischen Kampfes hängt das Wohlergehen der ganzen Menschheit ab", schreibt der sechzehnjährige Jurij Rjabinkin in Leningrad. Beim Schlafengehen in London wiederholt Churchill mehrfach, wie wundervoll es sei, daß Rußland jetzt gegen Deutschland kämpfen müsse, und sein Sekretär notiert: "Ich habe noch nie einen solchen erfreulichen Abend verbracht."

So klingen die ersten Takte des neuen Geschichtskonzertes, interpretiert vom Weltereignisdirigenten Walter Kempowski. Ein scheinbar wirres, dissonantes Nebeneinander von Stimmungen, Erlebnissen an der Front, in der Heimat, am Bett der Macht. Die Vögel singen, das Wetter ist gut, ein neuer Krieg beginnt, nur wenige ahnen, was das heißen wird. Es ist die Kunst Kempowskis, aus diesem dissonanten Nebeneinander im Verlaufe des Buches ein Geschichtsbild entstehen zu lassen, das tatsächlich den Eindruck einer Art Authentizität vermittelt, einer Ahnung der Wirklichkeit, aus tausend persönlichen kleinen Wirklichkeiten zusammengesetzt. Den Auftakt jedes Tages machen in der Regel die Schriftsteller aus aller Welt, Thomas Mann in Pacific Palisades, Ernst Jünger in Paris, Julien Green in Baltimore, dann Berichte von der Front, vom Kriegsgeschehen auf beiden Seiten, Feldpostbriefe aus der Heimat, anfeuernd, sehnsüchtig, verzagt, Schilderungen aus dem eingekesselten Leningrad, vom tausendfachen Hungertod, Schilderungen, die keiner, der sie einmal gelesen hat, je wird vergessen können. Und zum Ende jedes Tages die kühlen, sachlichen Berichte Adam Czerniakóws, des Vorsitzenden des Judenrates, aus dem Warschauer Ghetto und ein kurzer Vermerk Danuta Czechs aus dem Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau über die neuen Häftlinge.

Es ist alles da, in allen Tonlagen, an allen Fronten, der Krieg, der Kampf, der unendliche Schrecken, der sich im Buch von Seite zu Seite weitet, immer weiter, bis dahin, wo kaum ein Berichterstatter vorher hingesehen und mitgeschrieben hat. Der Krieg Deutschlands gegen die Sowjetunion wurde mitgeschrieben. Und Kempowski läßt uns lesen. Alles.

Als der Schriftsteller W. G. Sebald vor einigen Jahren beklagte, daß die deutsche Nachkriegsliteratur die Bombardierung deutscher Städte schmählich vernachlässigt habe, da holte Kempowski kühl noch einmal sein erstes "Echolot" hervor, stellte für die Überleser die Passagen zum Luftkrieg noch einmal separat zusammen, erklärte knapp: Hier, der Luftkrieg in der deutschen Literatur, ich habe es schon längst zusammengeschrieben. Und auch das Bekenntnis eines Mißerinnerns, zu dem sich sein Generationsgenosse Günter Grass jetzt hinreißen ließ, kann Walter Kempowski nicht passieren. Er ist der Geschichtsigel, der immer schon dagewesen ist, wenn die anderen Erinnerungswettläufer mit ihren Büchern japsend ankommen. Sein Echolot hat es schon ausgehorcht, bis auf den Grund.

Und auch wenn der Gefreite Reinhold Pabel mit seinen Worten recht hat: "Der Krieg ist anders als im Buch, in jedem realistischen nicht ausgenommen", so ist mit "Barbarossa '41" doch wieder ein Buch zu lesen, das dieser Wirklichkeit wenigstens am nächsten kommt.

Walter Kempowski: "Das Echolot". Barbarossa '41. Ein kollektives Tagebuch. Albrecht Knaus Verlag, München 2002. 732 S., geb., 49,90 .

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Der Autor als Sammler und Aufbereiter: In seiner Edition "Das Echolot" ist Kempowski immer wieder der eigenen und der deutschen Vergangenheit auf der Spur. Sein jüngstes Werk, "Barbarossa ´41", ist ein kollektives Tagebuch des deutschen Russlandfeldzuges, in dem Opfer und Täter vom Verbrechen des Krieges berichten. (Hörzu)
"Wenn die Welt noch Augen hat zu sehen, wird sie in diesem Werk eine der größten Leistungen der Literatur unseres Jahrhunderts erblicken." FAZ