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Die Neuausgabe des "Eckenlieds" bietet, soweit möglich synoptisch, die Texte aller Handschriften und des ältesten Drucks, von dem die jüngeren nur minimal abweichen. Sie ersetzt die revisionsbedürftige Edition der Donaueschinger Version E2 Martin Wierschins (1974) und die seit langem vergriffene Edition des "Eckenlieds" in der Version E7 des Dresdner Heldenbuchs von Friedrich Heinrich von der Hagen und Alois Primisser (1825). Zur Erleichterung sagengeschichtlicher Studien ist auch die Ecca-Episode der "Thidrekssaga" im altnordischen Original und in neuhochdeutscher Fassung beigefügt. Damit ist…mehr

Produktbeschreibung
Die Neuausgabe des "Eckenlieds" bietet, soweit möglich synoptisch, die Texte aller Handschriften und des ältesten Drucks, von dem die jüngeren nur minimal abweichen. Sie ersetzt die revisionsbedürftige Edition der Donaueschinger Version E2 Martin Wierschins (1974) und die seit langem vergriffene Edition des "Eckenlieds" in der Version E7 des Dresdner Heldenbuchs von Friedrich Heinrich von der Hagen und Alois Primisser (1825). Zur Erleichterung sagengeschichtlicher Studien ist auch die Ecca-Episode der "Thidrekssaga" im altnordischen Original und in neuhochdeutscher Fassung beigefügt. Damit ist erstmals das gesamte Material, das bislang weit verstreut, z.T. schwer zugänglich, z.T. auch unzugänglich oder gar nicht ediert war, in einer Ausgabe versammelt und erschlossen. Bis auf eine geringfügige Normalisierung der Graphie folgen die Texte dem jeweiligen Textzeugen; nur offensichtlich sinnstörende Fehler sind mit Nachweis im Apparat gebessert. Die Einleitung umfaßt eine Beschreibung aller Handschriften und Drucke, gibt einen Überblick über die Editionsgeschichte und erörtert die Editionsgrundsätze. Um dem Benutzer den Zugang zum Werk zu erleichtern, wurde jede Fassung des "Eckenlieds" mit Anmerkungen versehen. Zur Vertiefung in die verschiedenen Problemkreise bietet ein umfangreiches Literaturverzeichnis die einschlägigen Untersuchungen über das "Eckenlied".

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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.01.2000

Freudloses Gemetzel
Das mittelhochdeutsche Eckenlied in sämtlichen Fassungen

Vor hundert Jahren durften die Philologen sich voll im Trend fühlen, wenn sie wie Friedrich Vogt im Jahr 1897 "unsere mittelhochdeutschen Nationalepen" rühmten und mit der Gestalt Dietrichs von Bern unzweideutige Identifikationsangebote machten. "Unbewusst hat da unser Volk in seinem Lieblingshelden ein schönes Abbild seiner selbst geschaffen." Heute erscheint die mittelhochdeutsche Heldenepik, also das Nibelungen- und Kudrunlied und noch mehr die weit verzweigte Dietrich-Epik, problematischer als je zuvor.

Das "Eckenlied", die Geschichte eines jungen Riesen namens Ecke, der aus Ruhmbegier auszieht, um Dietrich von Bern zu besiegen, und dabei umkommt, gehört zu den frühesten Zeugnissen der Dietrich-Epik aus der ersten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts und blieb in mehreren Fassungen bis zum Ende des sechzehnten Jahrhunderts ein beliebter Lesestoff. Trotz der tiefen Verunsicherung der Altgermanistik durch die Methodendiskussion und die Forderung nach gesellschaftsrelevanter Forschung wagte Martin Wierschin 1974 eine kritische Ausgabe der Donaueschinger Fassung, deren Schluss fehlt. Francis B. Brévart sorgte mit der Neuausgabe dieser Fassung samt Ergänzungen aus den anderen Quellen, einem detaillierten Kommentar und einer gut lesbaren neuhochdeutschen Übersetzung in Reclams Universalbibliothek für eine Popularität des Werks.

Dass bei dieser Literatur freilich nur die Publikation aller Fassungen wissenschaftlich vertretbar ist, war schon den ersten Herausgebern im neunzehnten Jahrhundert klar. Francis B. Brévart kann nun diese alte Forschungslücke schließen. In drei schmalen Bänden der Altdeutschen Textbibliothek sind die Texte der genannten Donaueschinger Handschrift (dreizehntes/vierzehntes Jahrhundert), des Dresdner Heldenbuchs (fünfzehntes Jahrhundert) und des Augsburger Drucks von 1491 samt weiteren Fragmenten bequem zu überblicken. Es ist geradezu faszinierend, mit welcher Leichtigkeit Wörter, Wendungen, ja ganze Szenen umformuliert, modernisiert oder auch neu erfunden werden, immer im Rahmen der uns recht kompliziert scheinenden dreizehnversigen Strophenform des "Berbertons". Mit der gängigen Erklärung solcher Erscheinungen als Zeichen von Mündlichkeit wird man vorsichtig sein müssen: Mündlichkeit ist hier vor allem auch ein literarisches Motiv, und die Redaktoren "unserer Nationalepen" mögen raffinierter gewesen sein, als man treuen "Volkssängern" zutraute.

Was ist das auch für ein Held? Er tötet Ecke, der schon am Boden liegt (in der altnordischen Fassung ist es gar Dietrichs Pferd, welches dem Ecke mit Hufschlägen das Rückgrat bricht!), und er richtet ein mörderisches Blutbad unter den Riesenfrauen an, wenn auch nur ungern ("ich slah niht gerne wip"): Die Riesin Rütze macht er durch Amputation unschädlich ("er schlug sie underhalb dem Knie, das Bain ir an der Haute hie"), die Mutter des Fasolt zerteilt er quer, die Tötung seiner Schwester wird uns nur dadurch erspart, dass hier der Text abbricht. Die eigens beschriebene Frauen-Rüstung der Mutter des Riesen Zere (ihre "prüstlein" werden durch zwei Stahlgefäße geschützt) befähigt unseren angeblichen Lieblingshelden zur Ausführung einer besonders eindrücklichen perversen Männerphantasie: Durch das eine Stahlgefäß hindurch traf er sie, "dass Milch und Blut wischt auf das Gras". Zur Sicherheit hackt er ihr aber auch noch das linke Bein "oberhalb des Enkels" sowie den Kopf ab . . .

HANS-HERBERT RÄKEL

"Das Eckenlied". Sämtliche Fassungen. Herausgegeben von Francis B. Brévart. Niemeyer Verlag, Tübingen 1999. 3 Bde., zus. XLVI/ 360 S., br., 142,- DM.

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