Iris Hanika, Das Eigentliche, Literaturverlag Droschl, 175 Seiten, ISBN 978-3-85420-764-1
„Es kommt eine Zeit, da fällt alles ab von einem, die Wut der jungen Jahre und das Leiden an der Ungerechtigkeit der Welt, auch die Zuversicht, sie würde besser werden oder sogar gut, wenn man sich nur genug
darum bemühte und mit ganzem Herzen. Es kommt eine Zeit, da ist dieses Herz plötzlich leer geworden…mehrIris Hanika, Das Eigentliche, Literaturverlag Droschl, 175 Seiten, ISBN 978-3-85420-764-1
„Es kommt eine Zeit, da fällt alles ab von einem, die Wut der jungen Jahre und das Leiden an der Ungerechtigkeit der Welt, auch die Zuversicht, sie würde besser werden oder sogar gut, wenn man sich nur genug darum bemühte und mit ganzem Herzen. Es kommt eine Zeit, da ist dieses Herz plötzlich leer geworden und der Mensch, auf sch selbst zurückgeworfen, ganz allein mit sich. Keine schöne Zeit.“
So beginnt der neue Roman der in Berlin lebenden Schriftstellerin Iris Hanika. Man kann ihn lesen als eine Art biographische Fortsetzung ihres letzten 2008 erschienenen Romans „Treffen sich zwei“, der es bis auf die Short-List des Deutschen Buchpreises schaffte und davon erzählte, wie zwei Menschen zu guter Letzt schaffen, sich liebend zu begegnen.
Die Sprache Iris Hanikas damals war witzig und spritzig, immer wieder durchsetzt von Textfetzen aus modernen und klassischen Liedern und Werken, die gerade zur Handlung passten.
Ich habe dieses schöne Buch damals, das neben einer Liebesgeschichte auch eine liebevolle Beschreibung von Kreuzberg mit seinem Szenen und Menschen ist, mit großem Spaß gelesen, mit den beiden Verliebten gebangt und gezittert.
Nun stehen im neuen Roman wieder zwei Menschen im Vordergrund der Handlung. Da ist Hans Frambach, der als Archivar im „Institut für Vergangenheitsbewirtschaftung“ arbeitet und nicht nur von Berufs wegen an den Verbrechen der Nazis leidet. Schon seit seiner Jugend ist er geradezu gebannt von diesem furchtbaren Erbe.
Auch Hans’ beste Freundin Graziela ist immer wieder fassungslos-fasziniert von der deutschen Vergangenheit, bis sie einen Mann kennen lernt und fortan den Sex für das Eigentliche hält.
Eingewoben in die Geschichte dieser zwei Menschen nimmt Iris Hanika mit einer Sprache, die an literarischer Qualität ihrem Vorgängerroman in nichts nachsteht, den offiziellen und professionellen Umgang mit der deutschen Vergangenheit aufs Korn. Ein Umgang, wo vor lauter Gedenken und Gutmenschentum das „Bedenken“ schon lange zu kurz kommt.
Viel wäre doch gewonnen, das habe ich aus diesem Buch herausgelesen, wenn die Menschen sich auf ein anderes Eigentliches besinnen und das entsprechende Gefühl zulassen würden: die absolute Fassungslosigkeit über die Verbrechen der Nazis.