»Ein literarisches Juwel.« Ulrich Baron in 'Buchjournal'
Tarjei Vesaas erzählt die Geschichte von zwei elfjährigen Mädchen, Siss und Unn. Unn kommt als Waise zu ihrer Tante und bringt mit ihrer Traurigkeit das Gefüge der ländlichen Gemeinschaft aus dem Gleichgewicht. Siss fühlt sich angezogen und freundet sich mit ihr an - bis Unn plötzlich verschwunden ist. Mit eisklaren Sätzen und ergreifenden poetischen Bildern formt Vesaas eine Studie existenzieller Einsamkeit und der Sehnsucht nach menschlicher Nähe. Ein bezwingendes Sprachkunstwerk von enorm suggestiver Kraft.
Tarjei Vesaas erzählt die Geschichte von zwei elfjährigen Mädchen, Siss und Unn. Unn kommt als Waise zu ihrer Tante und bringt mit ihrer Traurigkeit das Gefüge der ländlichen Gemeinschaft aus dem Gleichgewicht. Siss fühlt sich angezogen und freundet sich mit ihr an - bis Unn plötzlich verschwunden ist. Mit eisklaren Sätzen und ergreifenden poetischen Bildern formt Vesaas eine Studie existenzieller Einsamkeit und der Sehnsucht nach menschlicher Nähe. Ein bezwingendes Sprachkunstwerk von enorm suggestiver Kraft.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.11.20191. Das Eis-Schloss
Siss und Unn. Zwei elfjährige Mädchen, irgendwo in Norwegen, in einem kleinen Dorf zwischen Wäldern an einem See, der in einen Wasserfall mündet. Es ist Oktober oder November, und schon Winter. Siss ist unterwegs durch die eiskalte, hartgefrorene Dunkelheit, unterwegs zu Unn, die, nach dem plötzlichen Tod der Mutter, jetzt bei ihrer Tante lebt und neu in der Klasse ist. Siss warb um Unn, aber diese hielt sich abseits. Bis eines Tages Zettel von Hand zu Hand wandern, von Unn zu Siss, von Siss zu Unn, und jetzt ist Siss bei Unn eingeladen, gleich da.
Die beiden Mädchen wissen, sie werden Freundinnen sein. Was sie nicht wissen, dass sie nur diesen einen Abend haben. Denn von Siss' Besuch ist Unn so aufgewühlt, dass sie am nächsten Morgen statt in die Schule zu dem Wasserfall geht, der gefroren ist und aussieht wie ein Schloss aus Eis. Fasziniert klettert sie darin herum, zwängt sich durch Spalte und Ritzen, findet nicht mehr hinaus, erfriert. Siss sucht mit den Männern des Dorfes nach ihr, die ganze Nacht. Unn wird nicht gefunden. Siss erstarrt. Sondert sich ab. Trauert den ganzen Winter um Unn. Bis es den anderen, Erwachsenen und vor allem Kindern, gelingt, sie ins Leben zurückzuholen.
Ich kann mich nicht erinnern, je etwas so Zartes, Einfühlsames und gleichzeitig Kraftvolles, absolut Unkitschiges und Unversäuseltes über zwei Mädchen an der Schwelle zum Erwachsenwerden gelesen zu haben. Voller Hochachtung vor ihren aufknospenden, sie verwirrenden Gefühlen und ihrer weisen Kinderseele. Jeder Satz steht fest und stolz da wie ein froststarrer Baum im Wald, und trotzdem hat der Roman im Ganzen etwas Leichtes, Schwebendes, Summendes. Sein Autor, der Norweger Tarjei Vesaas, war sechsundsechzig, als "Das Eis-Schloss" 1963 erschien, anerkannt und geehrt; das Buch aber wirkt jung und von aller Schreibroutine frei, als hätte es ein gerade 25-Jähriger geschrieben. Ein Kunstwunder, wie eine Schubert-Sonate, eine Mozart-Sinfonie. In Norwegen ist "Das Eis-Schloss" ein Nationalheiligtum, es gilt als unübersetzbar. Hinrich Schmidt-Henkel hat es dennoch gewagt, hat sich eng ans Original geschmiegt und für den außergewöhnlichen Klang und die Feinheit der Empfindungen bewundernswerte Entsprechungen gefunden.
Bettina Hartz
Tarjei Vesaas: "Das Eis-Schloss". Aus dem Norwegischen von Hinrich Schmidt-Henkel. Guggolz-Verlag, 202 Seiten, 22 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Siss und Unn. Zwei elfjährige Mädchen, irgendwo in Norwegen, in einem kleinen Dorf zwischen Wäldern an einem See, der in einen Wasserfall mündet. Es ist Oktober oder November, und schon Winter. Siss ist unterwegs durch die eiskalte, hartgefrorene Dunkelheit, unterwegs zu Unn, die, nach dem plötzlichen Tod der Mutter, jetzt bei ihrer Tante lebt und neu in der Klasse ist. Siss warb um Unn, aber diese hielt sich abseits. Bis eines Tages Zettel von Hand zu Hand wandern, von Unn zu Siss, von Siss zu Unn, und jetzt ist Siss bei Unn eingeladen, gleich da.
Die beiden Mädchen wissen, sie werden Freundinnen sein. Was sie nicht wissen, dass sie nur diesen einen Abend haben. Denn von Siss' Besuch ist Unn so aufgewühlt, dass sie am nächsten Morgen statt in die Schule zu dem Wasserfall geht, der gefroren ist und aussieht wie ein Schloss aus Eis. Fasziniert klettert sie darin herum, zwängt sich durch Spalte und Ritzen, findet nicht mehr hinaus, erfriert. Siss sucht mit den Männern des Dorfes nach ihr, die ganze Nacht. Unn wird nicht gefunden. Siss erstarrt. Sondert sich ab. Trauert den ganzen Winter um Unn. Bis es den anderen, Erwachsenen und vor allem Kindern, gelingt, sie ins Leben zurückzuholen.
Ich kann mich nicht erinnern, je etwas so Zartes, Einfühlsames und gleichzeitig Kraftvolles, absolut Unkitschiges und Unversäuseltes über zwei Mädchen an der Schwelle zum Erwachsenwerden gelesen zu haben. Voller Hochachtung vor ihren aufknospenden, sie verwirrenden Gefühlen und ihrer weisen Kinderseele. Jeder Satz steht fest und stolz da wie ein froststarrer Baum im Wald, und trotzdem hat der Roman im Ganzen etwas Leichtes, Schwebendes, Summendes. Sein Autor, der Norweger Tarjei Vesaas, war sechsundsechzig, als "Das Eis-Schloss" 1963 erschien, anerkannt und geehrt; das Buch aber wirkt jung und von aller Schreibroutine frei, als hätte es ein gerade 25-Jähriger geschrieben. Ein Kunstwunder, wie eine Schubert-Sonate, eine Mozart-Sinfonie. In Norwegen ist "Das Eis-Schloss" ein Nationalheiligtum, es gilt als unübersetzbar. Hinrich Schmidt-Henkel hat es dennoch gewagt, hat sich eng ans Original geschmiegt und für den außergewöhnlichen Klang und die Feinheit der Empfindungen bewundernswerte Entsprechungen gefunden.
Bettina Hartz
Tarjei Vesaas: "Das Eis-Schloss". Aus dem Norwegischen von Hinrich Schmidt-Henkel. Guggolz-Verlag, 202 Seiten, 22 Euro
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