Marktplatzangebote
11 Angebote ab € 0,60 €
  • Gebundenes Buch

"Mein Buch ist die Antwort auf eine ironische Zeit. Ironie ist bei uns zu einem Zeichen von Weltläufigkeit und Reife geworden. Der ironische Mensch pflegt einen Sprach- und Verhaltensstil, der jeden Schein von Naivität meidet ..." Jedediah Purdy erkennt einen Wert darin, Hoffnungen auszusprechen, auch wenn sie sich nicht sofort umsetzen lassen. Seine Absicht beim Schreiben dieses Buches war, Hemmungen ernst zu nehmen und zu fragen, wessen es bedarf, um sie zu überwinden.

Produktbeschreibung
"Mein Buch ist die Antwort auf eine ironische Zeit. Ironie ist bei uns zu einem Zeichen von Weltläufigkeit und Reife geworden. Der ironische Mensch pflegt einen Sprach- und Verhaltensstil, der jeden Schein von Naivität meidet ..." Jedediah Purdy erkennt einen Wert darin, Hoffnungen auszusprechen, auch wenn sie sich nicht sofort umsetzen lassen. Seine Absicht beim Schreiben dieses Buches war, Hemmungen ernst zu nehmen und zu fragen, wessen es bedarf, um sie zu überwinden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.12.2002

Wie werde ich Cowboy?
Jedediah Purdy warnt vor ironischen Ausritten / Von Florian Illies

Man wunderte sich ja schon die ganze Zeit, daß der amerikanische Präsident so locker damit umging, daß er von Gerhard Schröder so übel gelinkt wurde. Sollte Bushs Rache ausschließlich darin bestehen, daß er Gerhard Schröder nicht zum Wahlsieg gratulierte? Das wäre dann doch ein wenig matt für einen Mann, den viele als schießwütigen Cowboy beschreiben. Doch offenbar hat er viel dazugelernt, er hat jetzt sogar Schröder in Prag die Hand geschüttelt, damit es so aussieht, als sei alles wieder halbwegs in Ordnung. In Wahrheit jedoch hat Bush längst einen Giftpfeil in Richtung Germany abgesandt, der so subtil ist und so langsam fliegt, daß er Schröders üblichen Abfangjägern Doris Schröder-Köpf, Tilman Spengler und Manfred Bissinger nicht weiter aufgefallen ist. So liegt jetzt in allen deutschen Buchhandlungen plötzlich ein Buch mit einem hellblauen Cover und heißt "Das Elend der Ironie". Der Autor trägt den Namen Jedediah Purdy, auch das klingt zunächst ungefährlich. Skeptisch allerdings hätte die SPD-Medienbeobachtung werden sollen, daß dieses Buch in Amerika schon vor fast vier Jahren erschienen ist - und nun ganz urplötzlich von der Europäischen Verlagsanstalt als aktueller Kommentar zur gegenwärtigen Seelenlage der Nation angeboten wird.

Was Bush da nach Deutschland eingeschleust hat, ist ein Trojanisches Pferd. Auf den ersten sechzig Seiten schreibt der Autor derart langatmig und genau über das abscheuliche Weltbild der amerikanischen Magazine "Wired" und "Fast Company", die der deutsche Durchschnittsleser höchstens vom Namen her kennt, daß die Zensoren das Werk wohl unbesorgt passieren ließen. Was dann jedoch anhebt, ist, wenn man so will, eine solch zynische Abrechnung mit der gegenwärtigen - auch: deutschen - Politik, ihrem Verlust jeglicher Bodenhaftung, ihrem Verlust an Verantwortungsgefühl und an echtem Wertebewußtsein, daß es das Zeug hätte, zur Bibel der Bürger zu werden, die auf die Barrikaden gehen.

Zunächst schäumt Purdy eindrucksvoll gegen eine Politik, die immer nur therapeutisch vorgeht - und die nicht von eigenen Zielen getragen wird. Die zweite These ist so schön, daß Purdy eigentlich umgehend in die nächste Sabine-Christiansen-Sendung eingeladen werden müßte: Purdy beschreibt die "Prozac"-Mentalität der Politiker als eine Politik der Stimmungsaufhellung mit nur noch simulierter Betroffenheit - und ohne echtes Verantwortungsgefühl. Und auch die detaillierte Kritik an der ironischen Sprache der Politik liest sich über lange Strecken wie eine Analyse der letzten Wirklichkeitsbeschreibungen Gerhard Schröders in der Bundespressekonferenz. Bush schien zu ahnen, daß die Deutschen sich erst wieder getrauen, Schröder mißtrauisch zu begegnen, wenn ihnen ein junger Amerikaner die Erlaubnis dazu gegeben hat. Darum also dieses Buch.

Wenn man mag, kann man "Das Elend der Ironie" tatsächlich so lesen. Und es ist eigentlich eine ganz wirksame Methode, dann übersteht man auch die langen Passagen, in denen Purdy Unterricht in Staatsbürgerkunde erteilt und die Lehren Rousseaus, Montaignes und Toquevilles Revue passieren läßt und mit modernen amerikanischen Vorabendserien zusammendenkt. Auch ansonsten empfiehlt es sich oft, das Gelesene zu abstrahieren, wie man so schön sagt. Denn die Lektüre von sehr vielen Seiten über die verheerenden Auswirkungen des Steinkohlebergbaus in den Appalachen in West Virginia, wo Purdy aufgewachsen ist, gewinnt deutlich mehr an Prägnanz, wenn man sie als Stärkung des grünen Koalitionspartners zu lesen versucht. Sein Plädoyer für eine weltweite Dominanz der Ökologie in der Politik liest sich so wütend und auch hoffnungsfroh, daß man das Buch sehr guten Herzens allen Eltern und Großeltern als Weihnachtsverschenkbuch ans Herz legen kann, die wollen, daß ihre ökologisch bewegten Kinder nicht verzweifeln, weil sie die einzigen in der ganzen Klasse sind, die nicht Einkaufstüten, sondern Kröten über die Straße tragen. Es macht tatsächlich Mut, zu sehen, mit welcher Leidenschaft Purdy aufzeigt, daß für ihn, den 1974 geborenen Autor, und seine Generation "natürliche Ökologie nicht ohne moralische Ökologie möglich ist".

Und man nimmt für dieses energische politische Plädoyer auch in Kauf, daß sich in dem Buch immer wieder Passagen finden, die an die Timotei-Werbespots in den achtziger Jahren erinnern, als Frauen und Männern in wallenden Kleidern durch die Wiesen hüpften. Purdy beschwört sein Aufwachsen in einer ländlichen Kommune im tiefsten Amerika als eine Möglichkeit für eine Wiedergeburt der gemeinschaftlichen Verantwortung für die "Allmende", schwärmt von der Arbeit mit bloßen Händen und dem Geruch der Erde und redet von den "wahren Empfindungen", als habe er zuviel Peter Handke gelesen. Zum Glück aber will er uns dann nicht auch noch weismachen, daß wir nach Serbien gehen müssen, um zu wissen, was Sinnlichkeit und gegenwartsgesättigte Zukunft bedeuten - seine Helden wohnen woanders.

Überrascht, aber auch mit großer Neugier liest man, wie Purdy die osteuropäischen Intellektuellen wie Michnik, Milosz und Havel zu den Pionieren einer neuen Politik mit Prinzipien ernennt, die für Worte wie "Freiheit" oder "Verantwortung" noch ins Gefängnis gingen, die im Westen längst zu bloßen Floskeln erstarrt seien. Die Abschnitte über Osteuropa sind sicherlich die faszinierendsten in diesem seltsamen Buch. Sehr oft hat man das Gefühl, hier spräche ein alter, trauriger Mann über unser "geschwätziges Dasein", sehr oft hat man das Gefühl, daß Purdy in seinem Furor allein die weltweite Zunahme an Ironie für das Ozonloch verantwortlich macht. Aber wenn es ihm, wie in den kleinen Skizzen über die ost- und mitteleuropäischen Dissidenten, gelingt, eine Sprachkritik zur Gesellschaftskritik zu machen, dann gewinnt sein Weltschmerz plötzlich an Konkretion. Aber selbst das kann man natürlich außenpolitisch lesen: Denn worüber haben eigentlich Havel und Bush vor zwei Wochen in Prag so vertraulich getuschelt, als sich Gerhard Schröder gerade ironisch grinsend abwendete? Wir vermuten, es ging um einen jungen Literaten, Amerikas Wunderwaffe für die moralische Aufrüstung Europas.

Jedediah Purdy: "Das Elend der Ironie". Aus dem Amerikanischen von Holger Fliessbach. Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2002. 212 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.02.2003

Kummervolle
Spaßgesellschaft
Das Elend mit Jedediah
Purdys „Elend der Ironie”
Unfreiwillig treffend ist der Titel der deutschen Übersetzung von Jedediah Purdys Essay „For Common Things. Trust, Irony and Commitment in America Today”: Das Elend der Ironie. Denn um die Ironie ist es darin tatsächlich schlecht bestellt. Nichts hat sie bei Purdy mehr mit den erkenntnisreichen Feinheiten sokratischer Ironie gemein, nichts mit der verzweifelt bitteren Ironie eines Kierkegaards oder Gustave Flauberts. Der achtundzwanzigjährige Amerikaner missbraucht, ja entwürdigt sie vielmehr zum Synonym eines faden Zynismus, zum Charakteristikum westlicher Spaßgesellschaft: Ironisch nennt er sie, weil sie nichts ernst nehme, stets einen flotten Spruch auf den Lippen habe, sich zu allem in Distanz halte.
Diese kritische Diagnose, die Jedediah Purdy der Spaßgesellschaft stellt, ist nicht originell. Einmal mehr ist bei ihm über die junge Generation zu lesen – von einem übrigens, der sich ihr zugehörig weiß –, dass sie nicht „an die Tiefe einer Beziehung, die Wahrheit einer Rede oder die Redlichkeit eines Beweggrundes” glaube; dass ihr die Politik gleichgültig geworden, gewissermaßen abhanden gekommen sei, was Purdy für besonders schmerzlich hält.
Über die Gründe für das Aufkommen dessen, was Purdy „ironisches Zeitalter” nennt, erfährt der Leser nichts. Dem Autor geht es allein um die Folgen. Verhängnisvollerweise habe nämlich das Witzereißen, das Sich- Distanzieren der Spaßgesellschaft dazu geführt, dass heute die herrschenden Zu- und Missstände als zwangsläufig hingenommen würden und die Politik ihrer „prometheischen Ambitionen” – die sie einst bei Rousseau und Marx gewann – entblößt sei. Darin besteht für Purdy das „Elend der Ironie”.
Ebensowenig originell ist das Plädoyer für eine andere Art des Lebens im Zeichen von Hoffnung, Unmittelbarkeit und Verantwortung. Das Kapitel zur Gentechnologie etwa ist ein Gebräu längst gehörter Argumente für und wider. Für deutsche Leser ist an Purdys Manifest eigentlich nur eines bemerkenswert: über welch ganz andere Möglichkeiten Amerikaner verfügen (könnten), um die gegenwärtige politische und gesellschaftliche Misere zu überwinden.
Unter Bocksgesängen
Während in Europa, vor allem in Deutschland, die Abkehr von Beliebigkeit und zerstörerischer Kritik gemeinhin in einen – von „Bocksgesängen” begleiteten – Ruf nach sinngebenden Neuen Mythen mündet, legt sich den Amerikanern ihre bewährte demokratische Tradition als Ausweg aus der Krise nahe. In der Nachfolge Tocquevilles appelliert Purdy also an das Verantwortungsbewusstsein jedes einzelnen Amerikaners, sich nicht in die Privatsphäre zurückzuziehen, sondern sich in Freiwilligen-Organisationen oder öffentlichen Ämtern zu engagieren und die sie umgebende Welt sinnvoll zu gestalten. Die eigene Mutter stellt Purdy seinen Lesern als Vorbild hin: sie hatte sich in eine Schulbehörde wählen lassen und die Ausbildung der Kinder im Staate West Virginia verbessert. Amerika, du hast es besser!
In den Grundaussagen ist Purdys Manifest sicher richtig, konsensfähig; aber eben darin ist es auch banal und abgestanden. Statt auf Analysen stößt der Leser auf gut gemeinte Betrachtungen über die Auswüchse des Kapitalismus oder auf Ermahnungen, vom falschen Weg endlich abzuweichen. Allenfalls anrührend wirkt Purdys uneingeschränkte Bewunderung für Amerikaner, die aus den großen Städten nach West Virginia zogen, um dort ein naturgemäßes, selbstbestimmtes Leben zu führen – fern der verlogenen und natürlich in jeder Hinsicht vernichtenden Konsumgesellschaft. Allein, auch ein solches „Zurück zur Natur” ist längst von der Geschichte in Frage gestellt und daher sträflich naiv. Purdy hätte wohl besser daran getan, wenn er nicht Czeslaw Milosz’ Sentenz beherzigt hätte: „Was nicht ausgesprochen wird, neigt zur Nicht- Existenz”, sondern Christian Morgensterns Verse: Dieses zeigt, dieses zeigt, dass man manchmal besser schweigt.
FRANZISKA MEIER
JEDEDIAH PURDY: Das Elend der Ironie. Aus dem Englischen von Holger Fliessbach. Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2002. 213 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Franziska Meier kanzelt diesen Essay gnadenlos ab und wettert, der amerikanische Autor entwürdige das kritische Instrument der Ironie zu einem "Synonym eines faden Zynismus". Schon die Beschreibung der Gegenwart als "ironisches Zeitalter", in dem statt politischem Engagement das Sich-Mokieren und -Distanzieren die herrschende Welthaltung sei, findet die Rezensentin nicht grad neu. Wenig kann sie den Aufrufen des Autors für mehr Verantwortung abgewinnen. Am meisten aber missfällt ihr das "Zurück zur Natur", das der Autor propagiere und von dem man heute wisse, dass auch diese Lebensweise mehr Fragen als Antworten biete. Gut gemeinte Ermahnungen hat Meier viele gefunden in diesem Band, Analysen dagegen hat sie vergeblich gesucht. Und so räumt sie zwar ein, dass Purdys Einsichten im Großen und Ganzen ja richtig sind, doch eben auch ziemlich "banal".

© Perlentaucher Medien GmbH