Amerikas Außenpolitik dankt ab - und damit auch die Qualität der USA als westliche Führungsmacht. Weil immer mehr zivile Optionen schwinden, bleibt am Ende nur die militärische. Und genau davor warnt der amerikanische Exdiplomat und Pulitzer-Preisträger 2018 Ronan Farrow: Die USA werden zu einer Nation, die zuerst schießt und erst danach Fragen stellt.
Die Außenpolitik des klassischen Typs - zivile Kanäle zum Zwecke von Friedenspolitik aufzubauen und zu pflegen - steht vor dem Ende. Ronan Farrow weiß, wovon er spricht, denn er war als Diplomat und Sonderberater sowohl in Washington als auch in Afghanistan und dem Nahen Osten tätig. Gestützt auf seine Erfahrungen während seiner aktiven Zeit als Diplomat und seine journalistischen Recherchereisen danach, enthüllt er eine Wende in der US-Außenpolitik nach dem 11. September 2001, die bisher kaum wahrgenommen, geschweige denn mit ihren gefährlichen Konsequenzen verstanden worden ist.
Von den Kriegen in Afghanistan und im Irak über die Krisengebiete Somalia, Syrien und Ägypten bis hin zum Drogenkrieg in Kolumbien zeichnet Farrow an vielen Beispielen die desaströsen Folgen einer Politik nach, die fast nur noch Militärs und Militärberatern die Entscheidung überlässt, mit welchen Kräften vor Ort paktiert wird.
Mit eigenen Erfahrungen, angereichert durch Gespräche mit Größen der US-Außenpolitik wie Henry Kissinger, Hillary Clinton und Richard Holbrooke sowie Interviews mit Fachpolitikern, anonymen Informanten und sogar einem Bürgerkriegs-Warlord belegt Farrow seinen beängstigenden Befund: Die Kriegsgefahr wächst, wenn die USA sich mit dieser Haltung in Krisen und Konflikte einmischen.
Die Außenpolitik des klassischen Typs - zivile Kanäle zum Zwecke von Friedenspolitik aufzubauen und zu pflegen - steht vor dem Ende. Ronan Farrow weiß, wovon er spricht, denn er war als Diplomat und Sonderberater sowohl in Washington als auch in Afghanistan und dem Nahen Osten tätig. Gestützt auf seine Erfahrungen während seiner aktiven Zeit als Diplomat und seine journalistischen Recherchereisen danach, enthüllt er eine Wende in der US-Außenpolitik nach dem 11. September 2001, die bisher kaum wahrgenommen, geschweige denn mit ihren gefährlichen Konsequenzen verstanden worden ist.
Von den Kriegen in Afghanistan und im Irak über die Krisengebiete Somalia, Syrien und Ägypten bis hin zum Drogenkrieg in Kolumbien zeichnet Farrow an vielen Beispielen die desaströsen Folgen einer Politik nach, die fast nur noch Militärs und Militärberatern die Entscheidung überlässt, mit welchen Kräften vor Ort paktiert wird.
Mit eigenen Erfahrungen, angereichert durch Gespräche mit Größen der US-Außenpolitik wie Henry Kissinger, Hillary Clinton und Richard Holbrooke sowie Interviews mit Fachpolitikern, anonymen Informanten und sogar einem Bürgerkriegs-Warlord belegt Farrow seinen beängstigenden Befund: Die Kriegsgefahr wächst, wenn die USA sich mit dieser Haltung in Krisen und Konflikte einmischen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.11.2018Die Diplomatie als Retter
Die Klage über die Militarisierung der amerikanischen Außenpolitik greift zu kurz
Seit dem Zerfall der Sowjetunion ist es nicht gut gelaufen für die amerikanische Außenpolitik. Russland und China sind weder zu Demokratien geworden, noch haben sie sich in die Pax Americana eingefügt. Nach 9/11 verstrickten sich die Vereinigten Staaten in Kriege im Irak und in Afghanistan, die nicht zu gewinnen waren; die Intervention im libyschen Bürgerkrieg erfolgte halbherzig und ohne langen Atem, aus dem Syrien-Krieg hielten sie sich weitgehend heraus. Und jetzt reißt auch noch der Berserker im Weißen Haus das traditionelle Bündnissystem ein. Kein Wunder, dass Washingtons weltpolitischer Einfluss in den vergangenen 25 Jahren kleiner geworden ist.
Diesen Machtverlust zu erklären, setzt sich Ronan Farrow zum Ziel. Er ist ein Wunderkind: Mit elf war der Sohn von Mia Farrow und Woody Allen mit der Schule fertig, mit 14 wurde er Unicef-Sprecher für die Jugend, mit 15 hatte er seinen ersten Uniabschluss in der Tasche. Er studierte Jura in Yale, arbeitete mit 20 vier Jahre im Außenministerium, schrieb danach für die "New York Times" und das "Wall Street Journal". 2017 deckte er im "New Yorker" die Machenschaften von Hollywood-Produzent Harvey Weinstein auf und brachte damit die Me-Too-Debatte ins Rollen. Dafür bekam er im April den Pulitzerpreis für Dienst an der Öffentlichkeit. Mehr geht nicht? Doch: "Time" zählt ihn zu einem der 100 einflussreichsten Personen, "People" zu einem der Sexiest Men Alive.
In seinem ersten Buch argumentiert der Dreißigjährige, die Crux der amerikanischen Außenpolitik sei es, dass angefangen mit Bill Clinton alle Präsidenten das Außenministerium geschwächt und dem Pentagon mehr und mehr Macht gegeben hätten. "Von Mogadischu über Damaskus bis nach Islamabad verabschiedeten sich die USA aus dem zivilen Dialog, ersetzten die Werkzeuge der Diplomatie durch direkte taktische Deals zwischen US-amerikanischem Militär und ausländischen Streitkräften", schreibt Farrow. Trump verkörpert mit seiner Verachtung klassischer Diplomatie insofern nur den Höhepunkt eines jahrzehntelangen Trends. Die einzigen Männer, die er akzeptiert, sind Generäle: Zwei machte er zu seinen Sicherheitsberatern, einen zum Verteidigungsminister, einen zum Stabschef. Zehn der 25 führenden Positionen im Stab des Nationalen Sicherheitsrats sind mit aktiven oder pensionierten Militärs besetzt. Rex Tillerson, Trumps erster Außenminister, begann dagegen seine Amtszeit mit dem Vorschlag, das Budget seiner Behörde um 40 Prozent zu kürzen. Noch heute ist nur einer von sechs Staatssekretärsposten im State Department besetzt, von 188 Botschafterposten sind 39 vakant. Farrow schreibt: "Ein Berufsstand, der noch vor ein paar Jahrzehnten die besten Köpfe aus Amerikas Universitäten und auch aus der Privatwirtschaft anlockte, lag in Trümmern, wenn nicht sogar im Sterben."
Seine Idee von den katastrophalen Folgen der Militarisierung der Außenpolitik untermauert Farrow, indem er sich fünf Krisenregionen auf drei Kontinenten anschaut. Viele der Konfliktherde kennt er aus eigener Erfahrung. 2009/10 arbeitete er im Team von Richard Holbrooke, dem Sondergesandten Präsident Obamas für Afghanistan und Pakistan, dann zwei Jahre als Berater von Außenministerin Hillary Clinton. Seitdem ist er als Reporter weltweit unterwegs, mit exzellentem Zugang zu Washingtons Machtelite.
Mehr als die Hälfte des Buches widmet Farrow Afghanistan und Pakistan, auch weil ihn der Protagonist unglaublich fasziniert. Holbrooke, Spitzname "Bulldozer", hatte als Staatssekretär im Außenministerium 1995 die drei Gegner im Bosnien-Krieg mit Beharrungskraft und Drohungen zum Friedensschluss gezwungen. 2009/10 will er das Gleiche in Afghanistan und Pakistan erreichen. Farrow weiß zwar um Temperamentausbrüche, Rücksichtslosigkeit und Narzissmus seines Chefs, aber auch um dessen Durchsetzungsfähigkeit und Leidenschaft und kommt nicht umhin, ihn als Prototypen effektiver amerikanischer Diplomatie zu bewundern ("Er war der seltene Fall eines Arschlochs, das Respekt verdient"). Holbrookes Bemühungen um eine diplomatische Lösung des Konflikts passen jedoch nicht ins Kalkül des Weißen Hauses. Dort hat selbst Obama das Mantra des Primats des Militärischen so verinnerlicht, dass Ideen und Vorschläge aus dem Außenministerium kaum Eingang finden in den Entscheidungsprozess. Holbrooke wird schnell kaltgestellt.
Das gleiche Muster sieht Farrow in der amerikanischen Politik in Syrien, am Horn von Afrika, in Ägypten und Kolumbien. Überall schien es Präsidenten leichter, mit ausländischen Streitkräften und Milizen zu paktieren, als den mühsamen diplomatischen Weg einzuschlagen. In Syrien trainierten Pentagon und CIA heimlich die Freie Syrische Armee und die kurdische YPG, in Afghanistan setzte das Weiße Haus auf Warlords wie den verschlagenen Abdul Dostum, in Somalia zunächst auf Warlords, dann auf die Invasion der äthiopischen Armee. Mit Ägypten waren die Beziehungen zu einem Deal Militärhilfe gegen regionalpolitisches Wohlverhalten verkommen, so dass man während des Putschs gegen den gewählten Präsidenten Mohammed Mursi keine diplomatischen Hebel hatte, um die Generäle von Massakern an den Muslimbrüdern abzuhalten. Und in Kolumbien, so Farrow, schufen die Vereinigten Staaten durch ihren militanten Kurs nicht nur die Farc, sondern trugen durch ihre bedingungslose Unterstützung der Regierung mit Militärhilfe auch wesentlich zur Eskalation des Bürgerkriegs bei.
Farrows Buch ist eine Mischung aus Berichterstattung und Memoiren und es ist am stärksten, wenn er mit feiner journalistischer Feder die Protagonisten zeichnet. Die Porträts von Holbrooke und Dostum legen offen, wie beide ticken. Auch hat Farrow ein gutes Gespür für die richtige Anekdote zur richtigen Zeit. Köstlich, wenn er berichtet, wie Holbrooke die Außenministerin bis auf die Damentoilette verfolgt, um sie von seiner Sichtweise zu überzeugen. Farrows Argument, Amerika leide an einem Übermaß militärischer Lösungsansätze, erzählt aber bestenfalls die halbe Story, zumal er als Kronzeugen neun Außenminister anführt - das dürfte ein Interview-Rekord sein. Amerikas Einfluss geht nämlich primär zurück, weil das wirtschaftliche und militärische Gewicht des Landes in der Welt seit 1991 sinkt und nach dem Ende des Kalten Krieges alte Partner nicht mehr automatisch Gefolgschaft leisten. Insofern hat der Machtverlust der Vereinigten Staaten mehr zu tun mit dem Aufstieg Chinas und der selbständigeren Politik regionaler Akteure als mit dem Niedergang der Diplomatie.
STEPHAN BIERLING
Ronan Farrow: Das Ende der Diplomatie. Warum der Wandel der amerikanischen Außenpolitik für die Welt so gefährlich ist.
Rowohlt Verlag, Reinbek 2018. 480 S., 22 ,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Klage über die Militarisierung der amerikanischen Außenpolitik greift zu kurz
Seit dem Zerfall der Sowjetunion ist es nicht gut gelaufen für die amerikanische Außenpolitik. Russland und China sind weder zu Demokratien geworden, noch haben sie sich in die Pax Americana eingefügt. Nach 9/11 verstrickten sich die Vereinigten Staaten in Kriege im Irak und in Afghanistan, die nicht zu gewinnen waren; die Intervention im libyschen Bürgerkrieg erfolgte halbherzig und ohne langen Atem, aus dem Syrien-Krieg hielten sie sich weitgehend heraus. Und jetzt reißt auch noch der Berserker im Weißen Haus das traditionelle Bündnissystem ein. Kein Wunder, dass Washingtons weltpolitischer Einfluss in den vergangenen 25 Jahren kleiner geworden ist.
Diesen Machtverlust zu erklären, setzt sich Ronan Farrow zum Ziel. Er ist ein Wunderkind: Mit elf war der Sohn von Mia Farrow und Woody Allen mit der Schule fertig, mit 14 wurde er Unicef-Sprecher für die Jugend, mit 15 hatte er seinen ersten Uniabschluss in der Tasche. Er studierte Jura in Yale, arbeitete mit 20 vier Jahre im Außenministerium, schrieb danach für die "New York Times" und das "Wall Street Journal". 2017 deckte er im "New Yorker" die Machenschaften von Hollywood-Produzent Harvey Weinstein auf und brachte damit die Me-Too-Debatte ins Rollen. Dafür bekam er im April den Pulitzerpreis für Dienst an der Öffentlichkeit. Mehr geht nicht? Doch: "Time" zählt ihn zu einem der 100 einflussreichsten Personen, "People" zu einem der Sexiest Men Alive.
In seinem ersten Buch argumentiert der Dreißigjährige, die Crux der amerikanischen Außenpolitik sei es, dass angefangen mit Bill Clinton alle Präsidenten das Außenministerium geschwächt und dem Pentagon mehr und mehr Macht gegeben hätten. "Von Mogadischu über Damaskus bis nach Islamabad verabschiedeten sich die USA aus dem zivilen Dialog, ersetzten die Werkzeuge der Diplomatie durch direkte taktische Deals zwischen US-amerikanischem Militär und ausländischen Streitkräften", schreibt Farrow. Trump verkörpert mit seiner Verachtung klassischer Diplomatie insofern nur den Höhepunkt eines jahrzehntelangen Trends. Die einzigen Männer, die er akzeptiert, sind Generäle: Zwei machte er zu seinen Sicherheitsberatern, einen zum Verteidigungsminister, einen zum Stabschef. Zehn der 25 führenden Positionen im Stab des Nationalen Sicherheitsrats sind mit aktiven oder pensionierten Militärs besetzt. Rex Tillerson, Trumps erster Außenminister, begann dagegen seine Amtszeit mit dem Vorschlag, das Budget seiner Behörde um 40 Prozent zu kürzen. Noch heute ist nur einer von sechs Staatssekretärsposten im State Department besetzt, von 188 Botschafterposten sind 39 vakant. Farrow schreibt: "Ein Berufsstand, der noch vor ein paar Jahrzehnten die besten Köpfe aus Amerikas Universitäten und auch aus der Privatwirtschaft anlockte, lag in Trümmern, wenn nicht sogar im Sterben."
Seine Idee von den katastrophalen Folgen der Militarisierung der Außenpolitik untermauert Farrow, indem er sich fünf Krisenregionen auf drei Kontinenten anschaut. Viele der Konfliktherde kennt er aus eigener Erfahrung. 2009/10 arbeitete er im Team von Richard Holbrooke, dem Sondergesandten Präsident Obamas für Afghanistan und Pakistan, dann zwei Jahre als Berater von Außenministerin Hillary Clinton. Seitdem ist er als Reporter weltweit unterwegs, mit exzellentem Zugang zu Washingtons Machtelite.
Mehr als die Hälfte des Buches widmet Farrow Afghanistan und Pakistan, auch weil ihn der Protagonist unglaublich fasziniert. Holbrooke, Spitzname "Bulldozer", hatte als Staatssekretär im Außenministerium 1995 die drei Gegner im Bosnien-Krieg mit Beharrungskraft und Drohungen zum Friedensschluss gezwungen. 2009/10 will er das Gleiche in Afghanistan und Pakistan erreichen. Farrow weiß zwar um Temperamentausbrüche, Rücksichtslosigkeit und Narzissmus seines Chefs, aber auch um dessen Durchsetzungsfähigkeit und Leidenschaft und kommt nicht umhin, ihn als Prototypen effektiver amerikanischer Diplomatie zu bewundern ("Er war der seltene Fall eines Arschlochs, das Respekt verdient"). Holbrookes Bemühungen um eine diplomatische Lösung des Konflikts passen jedoch nicht ins Kalkül des Weißen Hauses. Dort hat selbst Obama das Mantra des Primats des Militärischen so verinnerlicht, dass Ideen und Vorschläge aus dem Außenministerium kaum Eingang finden in den Entscheidungsprozess. Holbrooke wird schnell kaltgestellt.
Das gleiche Muster sieht Farrow in der amerikanischen Politik in Syrien, am Horn von Afrika, in Ägypten und Kolumbien. Überall schien es Präsidenten leichter, mit ausländischen Streitkräften und Milizen zu paktieren, als den mühsamen diplomatischen Weg einzuschlagen. In Syrien trainierten Pentagon und CIA heimlich die Freie Syrische Armee und die kurdische YPG, in Afghanistan setzte das Weiße Haus auf Warlords wie den verschlagenen Abdul Dostum, in Somalia zunächst auf Warlords, dann auf die Invasion der äthiopischen Armee. Mit Ägypten waren die Beziehungen zu einem Deal Militärhilfe gegen regionalpolitisches Wohlverhalten verkommen, so dass man während des Putschs gegen den gewählten Präsidenten Mohammed Mursi keine diplomatischen Hebel hatte, um die Generäle von Massakern an den Muslimbrüdern abzuhalten. Und in Kolumbien, so Farrow, schufen die Vereinigten Staaten durch ihren militanten Kurs nicht nur die Farc, sondern trugen durch ihre bedingungslose Unterstützung der Regierung mit Militärhilfe auch wesentlich zur Eskalation des Bürgerkriegs bei.
Farrows Buch ist eine Mischung aus Berichterstattung und Memoiren und es ist am stärksten, wenn er mit feiner journalistischer Feder die Protagonisten zeichnet. Die Porträts von Holbrooke und Dostum legen offen, wie beide ticken. Auch hat Farrow ein gutes Gespür für die richtige Anekdote zur richtigen Zeit. Köstlich, wenn er berichtet, wie Holbrooke die Außenministerin bis auf die Damentoilette verfolgt, um sie von seiner Sichtweise zu überzeugen. Farrows Argument, Amerika leide an einem Übermaß militärischer Lösungsansätze, erzählt aber bestenfalls die halbe Story, zumal er als Kronzeugen neun Außenminister anführt - das dürfte ein Interview-Rekord sein. Amerikas Einfluss geht nämlich primär zurück, weil das wirtschaftliche und militärische Gewicht des Landes in der Welt seit 1991 sinkt und nach dem Ende des Kalten Krieges alte Partner nicht mehr automatisch Gefolgschaft leisten. Insofern hat der Machtverlust der Vereinigten Staaten mehr zu tun mit dem Aufstieg Chinas und der selbständigeren Politik regionaler Akteure als mit dem Niedergang der Diplomatie.
STEPHAN BIERLING
Ronan Farrow: Das Ende der Diplomatie. Warum der Wandel der amerikanischen Außenpolitik für die Welt so gefährlich ist.
Rowohlt Verlag, Reinbek 2018. 480 S., 22 ,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.09.2018Politik der dreckigen Deals
Ronan Farrow ist nicht nur Harvey-Weinstein-Enthüller – in seinem Buch „Das Ende der Diplomatie“ kämpft er gegen die fatale Außenpolitik der US-Militärs
Manchmal erschließt man sich ein Buch am besten von seinem Gegenüber her, dem angenommenen Leser. Es kann sich an die Landsleute des Autors richten, an seine Mutter, seine Geliebte oder direkt an Hölderlin. Und im Falle von Ronan Farrows Band „Das Ende der Diplomatie“ ist die Frage, wer oder was hier eigentlich der Angesprochene ist, gar nicht so leicht zu beantworten und deshalb erst einmal interessant.
Ronan Farrow ist 30 Jahre alt und ein Kind der kulturellen, liberalen New Yorker Oberschicht des späten 20. Jahrhunderts. Wenn man die sich deren Grundpfeiler – Individualismus, Entertainment und Freihandel – als Vektoren vorstellt, die in die Zukunft weisen, würden sie sich am Jahr 2018 vermutlich in der Person Ronan Farrow kreuzen. Er ist der Sohn von Woody Allen und Mia Farrow, jüngster Absolvent in der Geschichte des Bard College, und Yale-Jurist. Und weil er seinen Ivy-League-Abschluss schon im Alter von 21 Jahren in der Tasche hatte, und Hillary Clinton für jemanden wie ihn nur einen Anruf entfernt ist, trat er direkt nach der Uni in den diplomatischen Dienst ein und feilte in einem Alter an den Beziehungen zwischen Pakistan und den USA, in dem andere sich gerade Gedanken darüber ihren machen, wie sie jemals ihren Studienkredit werden zurückzahlen können. Solche Sorgen hat Farrow immerhin nicht. Niemand entscheide sich des Geldes wegen für eine Karriere im diplomatischen Dienst, schreibt er an einer Stelle. Einschließlich Ausgleichszahlungen verdiene man dort lediglich 91 000 Dollar im Jahr.
In der gegenwärtigen politischen Landkarte der USA ist es allerdings nicht unbedingt ein Vorteil, als Inbegriff des liberalen Ostküsten-Amerikas zu gelten: Im Weißen Haus weht ein illiberaler Geist, die weißen Mittelschichten der USA verbinden mit Freihandel vor allem Abstiegsangst und Zuwanderung und die Linke redet auf eine essenzialistische Weise über Identität, Ethnie und Repräsentation, die außer ihnen selbst vor allem ganz herkömmlich rechte Rassisten interessiert. Eine breite ideelle Übereinkunft links der Republikaner hat in den vergangenen Jahren lediglich Bernie Sanders aufgestellt, dem die Präsidentschaftskandidatur aber von der eigenen Partei verwehrt wurde, weil aus dynastischen Gründen Hillary Clinton an der Reihe war. Dem Clinton-Lager will man deshalb gerade eher nicht angehören. Genau dort ist aber Ronan Farrow zu finden.
Mit Ende zwanzig hat Farrow die Diplomatie hinter sich gelassen, um Journalist zu werden und mit einem seiner ersten Projekte den jahrelangen systematischen sexuellen Missbrauch des Filmproduzenten Harvey Weinstein öffentlich zu machen, dafür zusammen mit Jodi Kantor und Megan Twohey von der New York Times einen Pulitzer Preis zu bekommen und eine weltweite Debatte über Machtmissbrauch in beruflichen Hierarchien auszulösen. Was in Farrows speziellen Fall auch deshalb so interessant anzusehen war, weil er seinen eigenen Vater Woody Allen immer wieder des sexuellen Missbrauchs bezichtigt hatte und sich diese ganze Sache auch einfach als großes Vatermord-Drama lesen ließ. Ronan Farrow hat es bislang immer gut hinbekommen, dass seine Geschichten gleichzeitig von den USA, der zivilisierten Welt und ihm selbst handelten, als wären all diese Schicksale untrennbar miteinander verwoben.
Jetzt ist also Ronan Farrows erstes Buch erschienen. Es handelt vom sanften Tod der Diplomatie und tritt als eine Mischung aus außenpolitischem Thesenpapier und kreuzbraver Politikreportage auf. Farrows Grundbeobachtung lautet, dass das amerikanische Außenministerium seit einigen Jahrzehnten kontinuierlich an Einfluss verliert, dass die Außenpolitik also nicht mehr in den Händen des Verteidigungsministeriums liegt, sondern in den Händen des Militärs und der Geheimdienste, und dass sich diese Entwicklung noch einmal beschleunigte, als George W. Bush den Krieg gegen den Terror ausrief. Aus dem Bedeutungsverlust der Diplomaten und der internationalen Gremien, in denen sie vertreten sind, ergab sich ein schleichender Stellenabbau, der darin gipfelte, dass Donald Trump in den ersten Tagen seiner Amtszeit Tausende Angestellte des Außenministeriums entließ und Botschaften monatelang unbesetzt blieben. Amerikanische Außenpolitik, so Farrow, bestehe heute vor allem aus direkten Absprachen zwischen Generälen und Geheimdienstchefs. Und das führe zu den zahlreichen Fiaskos, die seit einiger Zeit das Bild der amerikanischen Außenpolitik prägen, eine Außenpolitik, die vor allem aus dreckigen Deals besteht.
Farrow führt das am Beispiel dreier verdeckter Kriege vor: gegen die Sowjets in Afghanistan, gegen die Taliban und die somalischen Islamisten. Um die Sowjets in Afghanistan zu bekämpfen, gingen die USA ein Bündnis mit dem pakistanischen Geheimdienst ISI ein, der amerikanische Waffen jedoch oft direkt an Dschihadisten weiterreichte. „Einer der Lieblinge des ISI war Guldbuddin Hekmatyar“, schreibt Farrow, „ein grausamer Fundamentalist, dessen Männer wahllos Zivilisten ermordeten und der angeblich spezialisiert darauf war, gefangenen Soldaten bei lebendigem Leib die Haut abzuziehen.“ Der ISI leitete schätzungsweise ein Viertel der amerikanischen Waffenlieferungen direkt an Hekmatyar weiter, damit er Muslime radikalisierte und für den Dschihad gegen die Sowjets ausrüstete. Die Taktik ging auf, allerdings zog der verdeckte Krieg auch einen reichen saudischen Unterstützer namens Osama bin Laden an, der sich vom ISI zeigen ließ, wie man dschihadistische Ausbildungslager errichtete.
In ihrem eigenen Afghanistan-Krieg bewaffneten die USA dann im Kampf gegen die Taliban die so genannten Nordallianz, während die Taliban ihre Waffen weiterhin zum guten Teil vom amerikanischen Partner Pakistan bezogen. Die USA bewaffneten jetzt also beide Seiten.
Und auch in Somalia haben die USA lokale Warlords mit Geld und Waffen ausgestattet, weil sie fürchteten, dass die Islamischen Gerichte, die in dem Land das Sagen hatten, Somalia in eine islamistische Theokratie verwandeln würden. Die Warlords aber terrorisierten die Bevölkerung, erschossen willkürlich Geistliche und jagten ihre Gegner auf grausame Weise, weshalb das Gegenteil dessen eintrat, was die USA ursprünglich vorhatten: Die Islamisten wurden immer populärer und übernahmen im Jahr 2006 die vollständige Kontrolle. Daraufhin besetzte das Nachbarland Äthiopien Somalia und zerschlug die Vorherrschaft der Islamisten, woraufhin sich eine Widerstandsbewegung entwickelte, die heute unter dem Namen Al-Shabaab in enger Abstimmung mit Al-Qaida die ganze Welt terrorisiert. Die USA hatten aus einem stabilen, wenn auch theokratisch regierten Land einen Krisenherd gemacht, von dem aus eine islamistische Miliz bis heute weltweit Anschläge vorbereitet.
Ronan Farrow erzählt das Geschehen aus erstaunlicher Nähe: Er interviewt afghanische Kriegsverbrecher, geht nach Richard Holbrookes Tod mit Hillary Clinton in eine Bar und besucht geschasste Botschafter in ihren Landhäusern. Trotzdem ist das Buch stilistisch nicht eben ein Genuss, es liest sich über weite Strecken wie eine Fleißarbeit, wie ein Bericht an den Vorgesetzten. Geopolitisch gibt es wenig, was man etwa von Ahmed Rashid nicht schon erfahren hätte, stilistisch wirklich nichts, was bei Jon Lee Anderson oder Dexter Filkins nicht sehr viel besser zu haben wäre. Weshalb am Ende vor allem der Verdacht bleibt, dass sich dieses Buch nicht nur liest wie ein Handzettel für Washingtoner Bürokraten, sondern auch genau so gemeint ist: als Selbstpositionierung eines jungen Demokraten, als Programmschrift eines kommenden Außenministers. Das Gegenüber dieses Buches ist Washington. Wir aber, und die Geste ist nicht zu unterschätzen, dürfen mitlesen.
FELIX STEPHAN
Ronan Farrow: Das Ende der Diplomatie. Aus dem Englischen von Helmut Dierlamm, Heide Lutosch, Hans-Peter Remmler, Gabriele Würdinger. Rowohlt Verlag, Reinbek, 2018. 544 Seiten, 22 Euro.
Eine breite Übereinkunft links
der Republikaner hat
nur Bernie Sanders hergestellt
Farrows Geschichten handeln
von den USA, der zivilisierten
Welt und ihm selbst
Das Buch liest sich wie die
Programmschrift des nächsten
Außenministers des USA
Der Kronprinz des demokratischen Washingtons: der 30-jährige Ronan Farrow
Foto: picture alliance/Kay Nietfeld
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Ronan Farrow ist nicht nur Harvey-Weinstein-Enthüller – in seinem Buch „Das Ende der Diplomatie“ kämpft er gegen die fatale Außenpolitik der US-Militärs
Manchmal erschließt man sich ein Buch am besten von seinem Gegenüber her, dem angenommenen Leser. Es kann sich an die Landsleute des Autors richten, an seine Mutter, seine Geliebte oder direkt an Hölderlin. Und im Falle von Ronan Farrows Band „Das Ende der Diplomatie“ ist die Frage, wer oder was hier eigentlich der Angesprochene ist, gar nicht so leicht zu beantworten und deshalb erst einmal interessant.
Ronan Farrow ist 30 Jahre alt und ein Kind der kulturellen, liberalen New Yorker Oberschicht des späten 20. Jahrhunderts. Wenn man die sich deren Grundpfeiler – Individualismus, Entertainment und Freihandel – als Vektoren vorstellt, die in die Zukunft weisen, würden sie sich am Jahr 2018 vermutlich in der Person Ronan Farrow kreuzen. Er ist der Sohn von Woody Allen und Mia Farrow, jüngster Absolvent in der Geschichte des Bard College, und Yale-Jurist. Und weil er seinen Ivy-League-Abschluss schon im Alter von 21 Jahren in der Tasche hatte, und Hillary Clinton für jemanden wie ihn nur einen Anruf entfernt ist, trat er direkt nach der Uni in den diplomatischen Dienst ein und feilte in einem Alter an den Beziehungen zwischen Pakistan und den USA, in dem andere sich gerade Gedanken darüber ihren machen, wie sie jemals ihren Studienkredit werden zurückzahlen können. Solche Sorgen hat Farrow immerhin nicht. Niemand entscheide sich des Geldes wegen für eine Karriere im diplomatischen Dienst, schreibt er an einer Stelle. Einschließlich Ausgleichszahlungen verdiene man dort lediglich 91 000 Dollar im Jahr.
In der gegenwärtigen politischen Landkarte der USA ist es allerdings nicht unbedingt ein Vorteil, als Inbegriff des liberalen Ostküsten-Amerikas zu gelten: Im Weißen Haus weht ein illiberaler Geist, die weißen Mittelschichten der USA verbinden mit Freihandel vor allem Abstiegsangst und Zuwanderung und die Linke redet auf eine essenzialistische Weise über Identität, Ethnie und Repräsentation, die außer ihnen selbst vor allem ganz herkömmlich rechte Rassisten interessiert. Eine breite ideelle Übereinkunft links der Republikaner hat in den vergangenen Jahren lediglich Bernie Sanders aufgestellt, dem die Präsidentschaftskandidatur aber von der eigenen Partei verwehrt wurde, weil aus dynastischen Gründen Hillary Clinton an der Reihe war. Dem Clinton-Lager will man deshalb gerade eher nicht angehören. Genau dort ist aber Ronan Farrow zu finden.
Mit Ende zwanzig hat Farrow die Diplomatie hinter sich gelassen, um Journalist zu werden und mit einem seiner ersten Projekte den jahrelangen systematischen sexuellen Missbrauch des Filmproduzenten Harvey Weinstein öffentlich zu machen, dafür zusammen mit Jodi Kantor und Megan Twohey von der New York Times einen Pulitzer Preis zu bekommen und eine weltweite Debatte über Machtmissbrauch in beruflichen Hierarchien auszulösen. Was in Farrows speziellen Fall auch deshalb so interessant anzusehen war, weil er seinen eigenen Vater Woody Allen immer wieder des sexuellen Missbrauchs bezichtigt hatte und sich diese ganze Sache auch einfach als großes Vatermord-Drama lesen ließ. Ronan Farrow hat es bislang immer gut hinbekommen, dass seine Geschichten gleichzeitig von den USA, der zivilisierten Welt und ihm selbst handelten, als wären all diese Schicksale untrennbar miteinander verwoben.
Jetzt ist also Ronan Farrows erstes Buch erschienen. Es handelt vom sanften Tod der Diplomatie und tritt als eine Mischung aus außenpolitischem Thesenpapier und kreuzbraver Politikreportage auf. Farrows Grundbeobachtung lautet, dass das amerikanische Außenministerium seit einigen Jahrzehnten kontinuierlich an Einfluss verliert, dass die Außenpolitik also nicht mehr in den Händen des Verteidigungsministeriums liegt, sondern in den Händen des Militärs und der Geheimdienste, und dass sich diese Entwicklung noch einmal beschleunigte, als George W. Bush den Krieg gegen den Terror ausrief. Aus dem Bedeutungsverlust der Diplomaten und der internationalen Gremien, in denen sie vertreten sind, ergab sich ein schleichender Stellenabbau, der darin gipfelte, dass Donald Trump in den ersten Tagen seiner Amtszeit Tausende Angestellte des Außenministeriums entließ und Botschaften monatelang unbesetzt blieben. Amerikanische Außenpolitik, so Farrow, bestehe heute vor allem aus direkten Absprachen zwischen Generälen und Geheimdienstchefs. Und das führe zu den zahlreichen Fiaskos, die seit einiger Zeit das Bild der amerikanischen Außenpolitik prägen, eine Außenpolitik, die vor allem aus dreckigen Deals besteht.
Farrow führt das am Beispiel dreier verdeckter Kriege vor: gegen die Sowjets in Afghanistan, gegen die Taliban und die somalischen Islamisten. Um die Sowjets in Afghanistan zu bekämpfen, gingen die USA ein Bündnis mit dem pakistanischen Geheimdienst ISI ein, der amerikanische Waffen jedoch oft direkt an Dschihadisten weiterreichte. „Einer der Lieblinge des ISI war Guldbuddin Hekmatyar“, schreibt Farrow, „ein grausamer Fundamentalist, dessen Männer wahllos Zivilisten ermordeten und der angeblich spezialisiert darauf war, gefangenen Soldaten bei lebendigem Leib die Haut abzuziehen.“ Der ISI leitete schätzungsweise ein Viertel der amerikanischen Waffenlieferungen direkt an Hekmatyar weiter, damit er Muslime radikalisierte und für den Dschihad gegen die Sowjets ausrüstete. Die Taktik ging auf, allerdings zog der verdeckte Krieg auch einen reichen saudischen Unterstützer namens Osama bin Laden an, der sich vom ISI zeigen ließ, wie man dschihadistische Ausbildungslager errichtete.
In ihrem eigenen Afghanistan-Krieg bewaffneten die USA dann im Kampf gegen die Taliban die so genannten Nordallianz, während die Taliban ihre Waffen weiterhin zum guten Teil vom amerikanischen Partner Pakistan bezogen. Die USA bewaffneten jetzt also beide Seiten.
Und auch in Somalia haben die USA lokale Warlords mit Geld und Waffen ausgestattet, weil sie fürchteten, dass die Islamischen Gerichte, die in dem Land das Sagen hatten, Somalia in eine islamistische Theokratie verwandeln würden. Die Warlords aber terrorisierten die Bevölkerung, erschossen willkürlich Geistliche und jagten ihre Gegner auf grausame Weise, weshalb das Gegenteil dessen eintrat, was die USA ursprünglich vorhatten: Die Islamisten wurden immer populärer und übernahmen im Jahr 2006 die vollständige Kontrolle. Daraufhin besetzte das Nachbarland Äthiopien Somalia und zerschlug die Vorherrschaft der Islamisten, woraufhin sich eine Widerstandsbewegung entwickelte, die heute unter dem Namen Al-Shabaab in enger Abstimmung mit Al-Qaida die ganze Welt terrorisiert. Die USA hatten aus einem stabilen, wenn auch theokratisch regierten Land einen Krisenherd gemacht, von dem aus eine islamistische Miliz bis heute weltweit Anschläge vorbereitet.
Ronan Farrow erzählt das Geschehen aus erstaunlicher Nähe: Er interviewt afghanische Kriegsverbrecher, geht nach Richard Holbrookes Tod mit Hillary Clinton in eine Bar und besucht geschasste Botschafter in ihren Landhäusern. Trotzdem ist das Buch stilistisch nicht eben ein Genuss, es liest sich über weite Strecken wie eine Fleißarbeit, wie ein Bericht an den Vorgesetzten. Geopolitisch gibt es wenig, was man etwa von Ahmed Rashid nicht schon erfahren hätte, stilistisch wirklich nichts, was bei Jon Lee Anderson oder Dexter Filkins nicht sehr viel besser zu haben wäre. Weshalb am Ende vor allem der Verdacht bleibt, dass sich dieses Buch nicht nur liest wie ein Handzettel für Washingtoner Bürokraten, sondern auch genau so gemeint ist: als Selbstpositionierung eines jungen Demokraten, als Programmschrift eines kommenden Außenministers. Das Gegenüber dieses Buches ist Washington. Wir aber, und die Geste ist nicht zu unterschätzen, dürfen mitlesen.
FELIX STEPHAN
Ronan Farrow: Das Ende der Diplomatie. Aus dem Englischen von Helmut Dierlamm, Heide Lutosch, Hans-Peter Remmler, Gabriele Würdinger. Rowohlt Verlag, Reinbek, 2018. 544 Seiten, 22 Euro.
Eine breite Übereinkunft links
der Republikaner hat
nur Bernie Sanders hergestellt
Farrows Geschichten handeln
von den USA, der zivilisierten
Welt und ihm selbst
Das Buch liest sich wie die
Programmschrift des nächsten
Außenministers des USA
Der Kronprinz des demokratischen Washingtons: der 30-jährige Ronan Farrow
Foto: picture alliance/Kay Nietfeld
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Irgendwie ist dieser Ronan Farrow ein Genie - naja, bei diesen Eltern, Mia Farrow und Woody Allen, oder vielleicht auch Frank Sinatra, wie Mia Farrow einmal habe durchblicken lassen. Jedenfalls kann er sich der Bewunderung des Rezensenten Alexander Cammann völlig sicher sein, und das nicht nur wegen dieser "unfassbar blauen Augen". Farrow war nämlich ein ungeheuer brillanter Überflieger, der mit 16 in Yale studierte und dann direkt in die amerikanische Spitzendiplomatie abwanderte (bevor er Journalist wurde und den Weinstein-Skandal aufdeckte, aber darum geht es hier nicht). In dem Buch, das sich laut Cammann teilweise wie ein Hollywood-Thriller mit dem jungen Robert Redford in der Hauptrolle liest, geht es unter vielen Anekdoten von der Front um den Niedergang der amerikanischen Diplomatie, die irgendwann durch Geheimdienstleute und Militärs ersetzt worden sei. Farrows Idol sei dabei der einstige Spitzendiplomat Richard Holbrooke, bei dem er einst Praktikum machte. Hillary Clinton komme auch gut weg, Barack Obama weniger. Cammann liest das Buch auch als Plädoyer für eine kluge, zugleich prinzipien- und interessengeleitete amerikanische Diplomatie.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Eine fesselnde Mischung aus politischer Analyse und persönlichem Bericht. The Guardian