Marktplatzangebote
11 Angebote ab € 1,00 €
  • Buch

Die erschütternde Bestandsaufnahme des katastrophalen Zustands der heutigen Gesundheitssysteme.
Schlaglichter eines globalen Desasters: In Indien bricht die Pest aus; Ärzte fliehen aus Angst vor Ansteckung. Im Zentrum Afrikas greift 1995 das Ebola-Virus um sich. In den Ländern der ehemaligen Sowjetunion trifft Laurie Garrett auf umweltverseuchte Städte, tuberkulöse Gefängnisse und biologische Kriegslaboratorien aus der Zeit des Kalten Krieges. Die Zukunft wird vermutlich noch größere Katastrophen bringen: Unser Leben bedrohen Viren, Bakterien, Seuchen und neue unheilbare Krankheiten, die…mehr

Produktbeschreibung
Die erschütternde Bestandsaufnahme des katastrophalen Zustands der heutigen Gesundheitssysteme.

Schlaglichter eines globalen Desasters: In Indien bricht die Pest aus; Ärzte fliehen aus Angst vor Ansteckung. Im Zentrum Afrikas greift 1995 das Ebola-Virus um sich. In den Ländern der ehemaligen Sowjetunion trifft Laurie Garrett auf umweltverseuchte Städte, tuberkulöse Gefängnisse und biologische Kriegslaboratorien aus der Zeit des Kalten Krieges. Die Zukunft wird vermutlich noch größere Katastrophen bringen: Unser Leben bedrohen Viren, Bakterien, Seuchen und neue unheilbare Krankheiten, die vor keiner Grenze dieser Welt Halt machen. Ausführlich schildert Garrett die Möglichkeiten und Gefahren des Bio-Terrorismus, die nach dem 11. September 2001 beängstigend aktuell geworden sind. Garretts sorgfältig recherchierter Bericht ist packende Reportage und eindringliche Analyse zugleich.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.04.2001

An Latex soll die Welt genesen
Sauberkeit ist eine Zier: Laurie Garrett warnt vor neuen Seuchengefahren und plädiert für eine globale Gesundheitsvorsorge

Das neueste Buch der mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten amerikanischen Medizinjournalistin Laurie Garrett liefert zwar keinen Bericht über "die medizinische Lage in der Welt", wie der Untertitel der deutschen Übersetzung verspricht. Das mindert aber nicht den Wert dieser aufrüttelnden Reportage über die epidemiologischen Gefahren, die inzwischen die Gesundheit jeder Nation bedrohen. Während Deutschland immer noch über ein verzweigtes und trotz aller Klagen durchaus funktionierendes öffentliches Gesundheitswesen verfügt, sieht dies in vielen Staaten (darunter auch Industrienationen) anders aus. In Ländern, die einst mit Recht stolz auf ihre medizinischen Leistungen sein konnten, haben sich im vergangenen Jahrzehnt zum Teil dramatische Veränderungen ergeben, allen voran in der ehemaligen Sowjetunion, deren als Errungenschaft des Sozialismus gepriesenes Gesundheitssystem fast völlig zusammengebrochen ist. Dort breiten sich Volksseuchen wie Tuberkulose, Syphilis und Diphtherie wieder ungehemmt aus. Auch in den Vereinigten Staaten, die regelmäßig Nobelpreise für Medizin einheimsen und auf vielen Gebieten der medizinischen Forschung weltweit führend sind, steht es inzwischen mit dem öffentlichen Gesundheitswesen nicht mehr zum besten. In manchen Bundesstaaten wie North Carolina und einigen amerikanischen Großstädten wie New York gibt es epidemiologische Probleme, die man ansonsten nur in der Dritten Welt beobachten kann.

Garretts engagiertes Plädoyer für eine globale Perspektive der Gesundheitsfürsorge beginnt mit einem Rückblick auf den jüngsten Ausbruch der Pest in Indien im Jahre 1994 - einer Seuche, die in Europa seit dem 18. Jahrhundert nicht mehr aufgetreten ist, aber auf dem indischen Subkontinent und in Asien im 20. Jahrhundert noch mehrmals Angst und Panik verbreitet und Tausende von Todesopfern gekostet hat. Was 1994 in der indischen Stadt Surat passierte, könnte einem Lehrbuch für Medizingeschichte entnommen sein: der Zusammenhang zwischen Pest und Armut, die panische Reaktion der Bevölkerung, die Flucht der Elite und des medizinischen Personals, die Reaktionen der Nachbarstaaten (von Quarantäne- bis hin zu Boykottmaßnahmen), die Verschwörungstheorien und schließlich die enormen wirtschaftlichen Folgen, die in keinem Verhältnis zu der Zahl der nachweislich an der Pest gestorbenen Einwohner - es waren 192 - stehen. Experten bezifferten die Einnahmeausfälle im Tourismus und im Handel auf 1,3 Milliarden Dollar. Doch nicht nur der indischen Gesundheitsbürokratie stellt Garrett, die vor Ort sehr sorgfältig recherchiert hat, ein Armutszeugnis aus. Auch die für die Seuchenkontrolle zuständigen Behörden westlicher Länder werden von der Autorin kritisiert, weil sie einerseits einfache Verhaltensvorschriften nicht beachtet haben und andererseits in wenig hilfreichen Aktionismus verfielen.

Was oft einfache hygienische Grundregeln in Verbindung mit ausreichender Ernährung und guter Trinkwasserversorgung auszurichten vermögen, zeigt das Kapitel über die Ebola-Epidemie in Kikwit (Kongo). Garretts Darstellung unterscheidet sich wohltuend von den reißerischen Schilderungen dieses Seuchenausbruchs, die 1995 in der Weltpresse zu lesen waren und oft mehr mit dem Thriller "Hot Zone" als mit seriösem Journalismus gemeinsam hatten. Ihre Reportage macht deutlich, wie gefährlich dieser gefürchtete Virus tatsächlich ist und wie einfach doch im Grunde seine Eindämmung und Bekämpfung ist, wenn man das Einmaleins der Epidemiologie beherrscht, einfache Latexhandschuhe und Schutzkleidung trägt sowie durch systematisches und planvolles Vorgehen die Infektionskette aufspürt und unterbindet. Doch dazu war und ist das öffentliche Gesundheitswesen im ehemaligen Zaire ohne massive ausländische Hilfe nicht in der Lage. Während die Industrienationen im Durchschnitt zwölf Prozent ihres Staatshaushalts für den Gesundheitssektor verwenden, ist es in diesem afrikanischen Land gerade einmal ein Prozent.

Afrika ist für viele Deutsche weit weg, und die dramatische Ausbreitung von Aids auf diesem Kontinent führt höchstens zu einer größeren Spendenbereitschaft. Wir verschließen aber auch die Augen vor dem, was sich fast unmittelbar vor unserer Haustür abspielt, nämlich eine sehr ernst zu nehmende epidemiologische Gefahr, die von dem maroden Gesundheitssystem der ehemaligen Sowjetunion ausgeht. Nicht nur der Alkoholismus und die steigende Selbstmordrate sind inzwischen für Rußland zu einem großen sozialen, wirtschaftlichen und demographischen Problem geworden. Epidemiologen aus aller Welt sehen mit Sorge, wie sich überall in den GUS-Staaten Seuchen, die man bislang weitgehend unter Kontrolle halten konnte, rasant ausbreiten und jährlich Hunderttausende von Todesopfern fordern. In der Ukraine gab es vor 1994 lediglich 294 Fälle von HIV-Infektion. Zwei Jahre später wurden bereits siebentausend neue Fälle registriert. Nach Schätzungen von Experten wird es bald zwanzigtausend Aids-Fälle in diesem Land geben - eine erschreckende Zahl.

Noch mehr Sorge bereitet der Weltgesundheitsorganisation WHO aber das Wiederaufleben fast besiegt geglaubter Volksseuchen. Die Zahl der Syphilis-Fälle hat sich in den 1990er Jahren in der Russischen Föderation verfünfzigfacht. Nicht weniger besorgniserregend ist die Zunahme der Tuberkulose, die auf die Verarmung breiter Bevölkerungsschichten zurückzuführen ist. Besonders in den überfüllten russischen Gefängnissen finden therapieresistente Tbc-Erreger einen guten Nährboden. Was auch westliche Gesundheitsexperten mit Schrecken erfüllt, ist die Tatsache, daß viele dieser infizierten Häftlinge, bei denen Antibiotika nicht mehr anschlagen, ungeheilt in ein praktisch nicht mehr existierendes staatliches Gesundheitssystem entlassen werden.

Fachleute rechnen damit, daß in wenigen Jahren in Rußland über 1,7 Millionen Menschen jährlich an Tuberkulose sterben werden. Wer dann noch das glänzend recherchierte Kapitel über die unzureichende Aufbewahrung und Sicherung todbringender, gegen Antibiotika resistenter Mikroben liest, die in russischen Labors für biologische Kriegführung entwickelt wurden, der dürfte keinen Zweifel mehr daran haben, daß die "asiatische Hydra", als die man einst die Cholera bezeichnet hat, nichts ist im Vergleich zu der epidemiologischen Zeitbombe, die in den Städten und Steppen der ehemaligen Sowjetunion tickt.

Der Leser wünscht sich nach der Lektüre, daß sich Politiker und Gesundheitsbehörden in aller Welt an eine Grundweisheit erinnern mögen, die der Medizinnobelpreisträger Joshua Lederberg einmal formuliert hat: "Daß die Gesundheit jeder einzelnen Nation von der aller anderen abhängt, ist kein frommer, leerer Wunsch, sondern ein epidemiologisches Faktum."

ROBERT JÜTTE.

Laurie Garrett: "Das Ende der Gesundheit". Bericht über die medizinische Lage der Welt. Aus dem Englischen von Thorsten Schmidt, Ulrich Enderwitz, Rolf Schuber, Monika Noll und Bernd Leinsweber. Siedler Verlag, Berlin 2001. 541 S., geb., 48,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr