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Produktdetails
  • Verlag: Blessing
  • Originaltitel: The Cost of Living
  • Seitenzahl: 157
  • Abmessung: 195mm
  • Gewicht: 250g
  • ISBN-13: 9783896671387
  • ISBN-10: 3896671383
  • Artikelnr.: 24167398
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.01.2000

Maßlos mitreißend
Bisweilen wird es fürchterlich: Eine indische Schriftstellerin mischt sich ein

Arundhati Roy: Das Ende der Illusion. Politische Einmischungen. Aus dem Englischen von Wolfram Ströle. Karl Blessing Verlag, München 1999. 160 Seiten, 24,90 Mark.

Wir kennen das aus Deutschland: Wenn Schriftsteller sich zu politischen Fragen äußern, wird es bisweilen fürchterlich. Warum sollte das in Indien anders sein. Arundhati Roy hatte gleich mit ihrem ersten Roman "Der Gott der kleinen Dinge" beachtlichen Erfolg gehabt. Ihre politischen Ergüsse finden dagegen weniger Anklang.

Arundhati Roys politische Einmischungen begannen vor einem Jahr. Sie galten bislang zwei Themen: einem großen Staudammprojekt in Zentralindien, das sie für verhängnisvoll hält, und der indischen Atombombe, die sie gleichfalls vehement ablehnt. Ihre Meinung gab sie kund in zwei großen Essays, die in den linksgerichteten indischen Zeitschriften "Frontline" und "Outlook" veröffentlicht wurden. Die Aufsätze erregten einiges Aufsehen, da Frau Roy durch ihren mit dem Booker Prize ausgezeichneten Erstlingsroman, der inzwischen in mehr als 30 Ländern erschienen ist, zu einer literarischen Berühmtheit geworden ist. Das Buch hat die Schriftstellerin auch in Deutschland bekannt gemacht. Daher lag es nahe, nun auch ihre politischen Essays in deutscher Übersetzung herauszubringen.

Die Texte werden bei dem Teil der hiesigen Leserschaft, der große Staudammprojekte aus ökologischen und ökonomischen Gründen ablehnt und Nuklearwaffen prinzipiell verdammt, sicherlich uneingeschränkte Zustimmung finden. Mit ihnen lässt sich etwas anfangen, weil sie hervorragend geschrieben sind. Die Verfasserin verfügt über große Sprachkraft. Es ist Feuer in ihrem Stil. Sie kann mitreißend formulieren. Doch ihr Temperament geht gelegentlich mit ihr durch, und wenn sie der Zorn übermannt, wird sie maßlos. Dann erinnert sich vielleicht der eine oder andere Leser, der das Buch mit kühlem Kopf und ohne vorgefasstes Urteil zu lesen sich bemüht, der alten Weisheit, dass jedes Ding seine zwei Seiten hat, dass möglicherweise doch nicht alles so klar und eindeutig ist, wie Arundhati Roy es darstellt.

Polemik kann erfrischend sein. Wenn sie jedoch übertrieben wird, entsteht Misstrauen beim Leser. Sollte es wirklich stimmen, dass "lokale Projekte der Wassererschließung in jedem einzelnen Dorf" Indiens zu finanzieren wären, wenn man nur auf die Fertigstellung jenes umstrittenen Staudamms mit dem Namen Sardar-Sarovar verzichten würde, der Teil eines im Entstehen begriffenen weitverzweigten Netzes mit hunderten anderer großer und kleiner Staudämme ist? Eine solche unbeweisbare Behauptung ist der Glaubwürdigkeit der Autorin ebenso abträglich wie ihre apodiktische Feststellung: "Tag für Tag, Fluss für Fluss, Wald für Wald, Berg für Berg, Rakete für Rakete, Bombe für Bombe - fast ohne dass wir es merken - wird uns das Rückgrat gebrochen." In ihrem im Juli letzten Jahres geschriebenen Vorwort hat Arundhati Roy noch eins draufgesetzt: "Wir haben wie der Tiger im Belgrader Zoo während der Nato-Luftangriffe angefangen, uns selbst aufzufressen." Wir, das sind offenbar die Inder. Es wäre interessant zu erfahren, wie viele Inder diese kannibalische Einschätzung teilen. Oder sind mit "wir" gar wir alle gemeint?

KLAUS NATORP

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