Demokratie und Wohlstand, ein längeres Leben, mehr Gleichberechtigung und Bildung: Der Kapitalismus hat viel Positives bewirkt. Zugleich ruiniert er jedoch Klima und Umwelt, sodass die Menschheit nun existenziell gefährdet ist. »Grünes Wachstum« soll die Rettung sein, aber Wirtschaftsexpertin und Bestseller-Autorin Ulrike Herrmann hält dagegen: Verständlich und messerscharf erklärt sie in ihrem neuen Buch, warum wir stattdessen »grünes Schrumpfen« brauchen.
Die Klimakrise verschärft sich täglich, aber konkret ändert sich fast nichts. Die Treibhausgase nehmen ungebremst und dramatisch zu. Dieses Scheitern ist kein Zufall, denn die Klimakrise zielt ins Herz des Kapitalismus. Wohlstand und Wachstum sind nur möglich, wenn man Technik einsetzt und Energie nutzt. Leider wird die Ökoenergie aus Sonne und Wind aber niemals reichen, um weltweites Wachstum zu befeuern. Die Industrieländer müssen sich also vom Kapitalismus verabschieden und eine Kreislaufwirtschaft anstreben, in der nur noch verbraucht wird, was sich recyceln lässt.
Aber wie soll man sich dieses grüne Schrumpfen vorstellen. Das beste Modell ist ausgerechnet die britische Kriegswirtschaft ab 1940.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Die Klimakrise verschärft sich täglich, aber konkret ändert sich fast nichts. Die Treibhausgase nehmen ungebremst und dramatisch zu. Dieses Scheitern ist kein Zufall, denn die Klimakrise zielt ins Herz des Kapitalismus. Wohlstand und Wachstum sind nur möglich, wenn man Technik einsetzt und Energie nutzt. Leider wird die Ökoenergie aus Sonne und Wind aber niemals reichen, um weltweites Wachstum zu befeuern. Die Industrieländer müssen sich also vom Kapitalismus verabschieden und eine Kreislaufwirtschaft anstreben, in der nur noch verbraucht wird, was sich recyceln lässt.
Aber wie soll man sich dieses grüne Schrumpfen vorstellen. Das beste Modell ist ausgerechnet die britische Kriegswirtschaft ab 1940.
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Das grüne Schrumpfen
Ulrike Herrmanns Kapitalismuskritik
Ulrike Herrmann folgt in ihrem Buch einer klaren Argumentationslinie: Die Klimakatastrophe zwingt zu drastischen Einschränkungen der Treibhausgasemissionen. Technischer Fortschritt schafft keine Entkopplung der Wirtschaftsleistung von diesen Emissionen, weshalb die ökologische Reduktion zwangsläufig in ökonomischer Stagnation resultiert. Das Ende des Wachstums führt ebenso zwangsläufig zum Ende des Kapitalismus, weil dieser nur als expansives System existenzfähig ist. Das ist aber kein Problem, weil wir den Kapitalismus zugunsten einer "Überlebenswirtschaft" aufgeben und uns dabei die "britische Kriegswirtschaft ab 1939" als Vorbild nehmen können.
"Das Ende des Kapitalismus" ist also ein weiteres Buch, das einen Abschied vom Wirtschaftswachstum im Zeichen der Nachhaltigkeit für unabwendbar hält. Was Herrmanns Buch von vielen Texten zum "Postwachstum" unterscheidet, ist ihre Wertschätzung für den Kapitalismus: Sie verwendet viele Seiten darauf, recht detailverliebt dessen Entwicklung und Errungenschaften zu beschreiben und zu loben. Wo sie an anderer Stelle ökologische Absurditäten wie die "Abwrackprämie" aufs Korn nimmt oder die unbequeme Wahrheit ausspricht, dass fossile Energieträger "im Boden bleiben" müssen, liest man treffende Beobachtungen.
Plausibel - und wohl kaum umstritten - ist auch die Diagnose, dass die Klimakatastrophe drastische Reduktionsleistungen beim Ausstoß von Treibhausgasen erfordert. Ob sich diese Reduktion durch technologiegetriebene Entkopplung mit Wirtschaftswachstum vereinbaren lässt oder nicht, ist allerdings eine offene Frage. Auch der Rezensent neigt hier zu einer skeptischen Haltung zum "grünen Wachstum" - und fragt sich gleichzeitig, woher die Autorin mit Gewissheit zu wissen glaubt, "wie wir in Zukunft leben werden".
Herrmann selbst reiht Beispiel an Beispiel dafür, wie technologische und ökonomische Zukunftsprognosen immer wieder danebenlagen. Umso merkwürdiger mutet die Selbstsicherheit an, mit der Herrmann das Scheitern aller Bemühungen vorhersieht, die den Kapitalismus nicht überwinden, sondern diesen für die Nachhaltigkeit einspannen wollen. Diesmal, so die Autorin, "wird der Kapitalismus wirklich enden". An ihrer Verachtung für "marktgläubige Klimaschützer" lässt Herrmann keinen Zweifel. Weil grünes Wachstum eine Unmöglichkeit ist, bleibe nur postkapitalistisches "grünes Schrumpfen". Woran es fehle, sei "die Brücke aus der dynamischen Gegenwart in eine statische Zukunft".
Für Herrmann ist klar: "Nur Verzicht sichert das Überleben - wie im Krieg." Dinge wie Windräder, Batteriespeicher und grünen Wasserstoff, auch da ist sich die Autorin sicher, "kann es nur geben, wenn der Staat lenkt, forscht, finanziert und subventioniert". Zentral für ihr Buch ist die feste Überzeugung, dass diese Sicht der Dinge ohne realistische Alternative ist: "Viele Menschen hängen immer noch dem Irrtum an, dass sie die Wahl hätten." Aber keine Sorge: "Die Wachstumskritiker", schreibt Herrmann, "haben klar gezeigt, dass klimaneutrales Leben auch schön sein kann." Dass unterschiedliche Menschen durchaus unterschiedliche Dinge unter einem schönen Leben verstehen können und dass eine staatliche Kommandowirtschaft womöglich höchst freiheitsbeschränkend wäre, kommt nicht zur Sprache.
In der Gesamtschau scheitert das Buch an der selbst gestellten Aufgabe, das unvermeidliche Ende des Kapitalismus überzeugend darzustellen. Die Gerüchte über dessen Tod, so könnte man in Anlehnung an Mark Twain sagen, haben sich schon oft als übertrieben erwiesen. Herrmann bewundert ganz offenbar die Erfolge des Kapitalismus, unterschätzt aber seine Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und Resilienz. "Schöpferische Zerstörung" (Schumpeter) kann destruktiv sein, aber auch kreativ. Dass diese Energie auch ökologischen Zwecken dienen könnte, hält Herrmann für unmöglich.
Dass es - gerade angesichts der Klimakrise - darum gehen muss, eine lernfähige und ökologische Grenzen berücksichtigende Wirtschaftsordnung zu organisieren, kommt ihr nicht in den Sinn. Stattdessen plädiert sie für eine "Überlebenswirtschaft", die durch einen allzuständigen Staat geprägt ist: "Die Betriebe bleiben privat, aber der Staat legt fest, was noch hergestellt wird, und verteilt die knappen Güter." Die britische Kriegswirtschaft soll dabei allen Ernstes "ein Modell für die Zukunft" abgeben. Diese Vision wird immer wieder garniert mit markigen Aussagen über "die Ökonomen", die für Hermann offenbar ausnahmslos nicht die leiseste Ahnung haben, wie die Wirtschaft wirklich funktioniert.
Hier paart sich eine platte Kritik von Ökonomie und Ökonomik mit seltsam entrückten Vorschlägen zum Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft. Wie ein Übergang in die staatlich kontrollierte "Überlebenswirtschaft" auch nur halbwegs plausibel organisierbar wäre, bleibt im Dunkeln. Herrmanns Vorstellungen einer klimaneutralen Wirtschaft tragen leider so gut wie nichts zur Frage bei, wie sich eine Transformation zur Nachhaltigkeit demokratisch gestalten ließe. Das ist höchst bedauerlich: Denn gute Ideen für eine freiheitliche Ordnung, die Innovationskraft, sozialen Ausgleich und die Beachtung ökologischer Grenzen gleichermaßen ermöglicht, werden sehr dringend gebraucht. FRED LUKS
Ulrike Herrmann: Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2022. 352 Seiten, 24 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ulrike Herrmanns Kapitalismuskritik
Ulrike Herrmann folgt in ihrem Buch einer klaren Argumentationslinie: Die Klimakatastrophe zwingt zu drastischen Einschränkungen der Treibhausgasemissionen. Technischer Fortschritt schafft keine Entkopplung der Wirtschaftsleistung von diesen Emissionen, weshalb die ökologische Reduktion zwangsläufig in ökonomischer Stagnation resultiert. Das Ende des Wachstums führt ebenso zwangsläufig zum Ende des Kapitalismus, weil dieser nur als expansives System existenzfähig ist. Das ist aber kein Problem, weil wir den Kapitalismus zugunsten einer "Überlebenswirtschaft" aufgeben und uns dabei die "britische Kriegswirtschaft ab 1939" als Vorbild nehmen können.
"Das Ende des Kapitalismus" ist also ein weiteres Buch, das einen Abschied vom Wirtschaftswachstum im Zeichen der Nachhaltigkeit für unabwendbar hält. Was Herrmanns Buch von vielen Texten zum "Postwachstum" unterscheidet, ist ihre Wertschätzung für den Kapitalismus: Sie verwendet viele Seiten darauf, recht detailverliebt dessen Entwicklung und Errungenschaften zu beschreiben und zu loben. Wo sie an anderer Stelle ökologische Absurditäten wie die "Abwrackprämie" aufs Korn nimmt oder die unbequeme Wahrheit ausspricht, dass fossile Energieträger "im Boden bleiben" müssen, liest man treffende Beobachtungen.
Plausibel - und wohl kaum umstritten - ist auch die Diagnose, dass die Klimakatastrophe drastische Reduktionsleistungen beim Ausstoß von Treibhausgasen erfordert. Ob sich diese Reduktion durch technologiegetriebene Entkopplung mit Wirtschaftswachstum vereinbaren lässt oder nicht, ist allerdings eine offene Frage. Auch der Rezensent neigt hier zu einer skeptischen Haltung zum "grünen Wachstum" - und fragt sich gleichzeitig, woher die Autorin mit Gewissheit zu wissen glaubt, "wie wir in Zukunft leben werden".
Herrmann selbst reiht Beispiel an Beispiel dafür, wie technologische und ökonomische Zukunftsprognosen immer wieder danebenlagen. Umso merkwürdiger mutet die Selbstsicherheit an, mit der Herrmann das Scheitern aller Bemühungen vorhersieht, die den Kapitalismus nicht überwinden, sondern diesen für die Nachhaltigkeit einspannen wollen. Diesmal, so die Autorin, "wird der Kapitalismus wirklich enden". An ihrer Verachtung für "marktgläubige Klimaschützer" lässt Herrmann keinen Zweifel. Weil grünes Wachstum eine Unmöglichkeit ist, bleibe nur postkapitalistisches "grünes Schrumpfen". Woran es fehle, sei "die Brücke aus der dynamischen Gegenwart in eine statische Zukunft".
Für Herrmann ist klar: "Nur Verzicht sichert das Überleben - wie im Krieg." Dinge wie Windräder, Batteriespeicher und grünen Wasserstoff, auch da ist sich die Autorin sicher, "kann es nur geben, wenn der Staat lenkt, forscht, finanziert und subventioniert". Zentral für ihr Buch ist die feste Überzeugung, dass diese Sicht der Dinge ohne realistische Alternative ist: "Viele Menschen hängen immer noch dem Irrtum an, dass sie die Wahl hätten." Aber keine Sorge: "Die Wachstumskritiker", schreibt Herrmann, "haben klar gezeigt, dass klimaneutrales Leben auch schön sein kann." Dass unterschiedliche Menschen durchaus unterschiedliche Dinge unter einem schönen Leben verstehen können und dass eine staatliche Kommandowirtschaft womöglich höchst freiheitsbeschränkend wäre, kommt nicht zur Sprache.
In der Gesamtschau scheitert das Buch an der selbst gestellten Aufgabe, das unvermeidliche Ende des Kapitalismus überzeugend darzustellen. Die Gerüchte über dessen Tod, so könnte man in Anlehnung an Mark Twain sagen, haben sich schon oft als übertrieben erwiesen. Herrmann bewundert ganz offenbar die Erfolge des Kapitalismus, unterschätzt aber seine Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und Resilienz. "Schöpferische Zerstörung" (Schumpeter) kann destruktiv sein, aber auch kreativ. Dass diese Energie auch ökologischen Zwecken dienen könnte, hält Herrmann für unmöglich.
Dass es - gerade angesichts der Klimakrise - darum gehen muss, eine lernfähige und ökologische Grenzen berücksichtigende Wirtschaftsordnung zu organisieren, kommt ihr nicht in den Sinn. Stattdessen plädiert sie für eine "Überlebenswirtschaft", die durch einen allzuständigen Staat geprägt ist: "Die Betriebe bleiben privat, aber der Staat legt fest, was noch hergestellt wird, und verteilt die knappen Güter." Die britische Kriegswirtschaft soll dabei allen Ernstes "ein Modell für die Zukunft" abgeben. Diese Vision wird immer wieder garniert mit markigen Aussagen über "die Ökonomen", die für Hermann offenbar ausnahmslos nicht die leiseste Ahnung haben, wie die Wirtschaft wirklich funktioniert.
Hier paart sich eine platte Kritik von Ökonomie und Ökonomik mit seltsam entrückten Vorschlägen zum Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft. Wie ein Übergang in die staatlich kontrollierte "Überlebenswirtschaft" auch nur halbwegs plausibel organisierbar wäre, bleibt im Dunkeln. Herrmanns Vorstellungen einer klimaneutralen Wirtschaft tragen leider so gut wie nichts zur Frage bei, wie sich eine Transformation zur Nachhaltigkeit demokratisch gestalten ließe. Das ist höchst bedauerlich: Denn gute Ideen für eine freiheitliche Ordnung, die Innovationskraft, sozialen Ausgleich und die Beachtung ökologischer Grenzen gleichermaßen ermöglicht, werden sehr dringend gebraucht. FRED LUKS
Ulrike Herrmann: Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2022. 352 Seiten, 24 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Fred Luks nimmt zur Kenntnis, dass Ulrike Herrmann dem Kapitalismus auch eine gewisse Wertschätzung entgegenbringt, aber leichter verdaulich macht es ihm diesen Abgesang auch nicht. Hermann sieht diesmal den Kapitalismus "wirklich enden", wie Luks zitiert, denn in ihrer Logik sei es nicht möglich, die CO2-Emissionen zu senken, solange die globale Wirtschaft wachse. Die nötige Reduktion der Emissionen führe also zu Stagnation und diese wiederum zum Ende des Kapitalismus, wie der Rezensent umreißt. Das findet Herrmann aber nicht schlimm, denn auch die britische Kriegswirtschaft habe gut funktioniert. Luks teilt zwar die Skepsis der Autorin gegenüber einem grünen Wachstum, aber dass sie so gar nicht an Flexibilität und Resilienz des Systems glaube, verwundert ihn. Und dass sich eine Kommandowirtschaft demokratisch organisieren lasse, glaubt er schon mal gar nicht. Am Ende sieht er doch wieder nur platte Kritik und irritierende Selbstgewissheit am Werk.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.11.2022Das grüne Schrumpfen
Ulrike Herrmanns Kapitalismuskritik
Ulrike Herrmann folgt in ihrem Buch einer klaren Argumentationslinie: Die Klimakatastrophe zwingt zu drastischen Einschränkungen der Treibhausgasemissionen. Technischer Fortschritt schafft keine Entkopplung der Wirtschaftsleistung von diesen Emissionen, weshalb die ökologische Reduktion zwangsläufig in ökonomischer Stagnation resultiert. Das Ende des Wachstums führt ebenso zwangsläufig zum Ende des Kapitalismus, weil dieser nur als expansives System existenzfähig ist. Das ist aber kein Problem, weil wir den Kapitalismus zugunsten einer "Überlebenswirtschaft" aufgeben und uns dabei die "britische Kriegswirtschaft ab 1939" als Vorbild nehmen können.
"Das Ende des Kapitalismus" ist also ein weiteres Buch, das einen Abschied vom Wirtschaftswachstum im Zeichen der Nachhaltigkeit für unabwendbar hält. Was Herrmanns Buch von vielen Texten zum "Postwachstum" unterscheidet, ist ihre Wertschätzung für den Kapitalismus: Sie verwendet viele Seiten darauf, recht detailverliebt dessen Entwicklung und Errungenschaften zu beschreiben und zu loben. Wo sie an anderer Stelle ökologische Absurditäten wie die "Abwrackprämie" aufs Korn nimmt oder die unbequeme Wahrheit ausspricht, dass fossile Energieträger "im Boden bleiben" müssen, liest man treffende Beobachtungen.
Plausibel - und wohl kaum umstritten - ist auch die Diagnose, dass die Klimakatastrophe drastische Reduktionsleistungen beim Ausstoß von Treibhausgasen erfordert. Ob sich diese Reduktion durch technologiegetriebene Entkopplung mit Wirtschaftswachstum vereinbaren lässt oder nicht, ist allerdings eine offene Frage. Auch der Rezensent neigt hier zu einer skeptischen Haltung zum "grünen Wachstum" - und fragt sich gleichzeitig, woher die Autorin mit Gewissheit zu wissen glaubt, "wie wir in Zukunft leben werden".
Herrmann selbst reiht Beispiel an Beispiel dafür, wie technologische und ökonomische Zukunftsprognosen immer wieder danebenlagen. Umso merkwürdiger mutet die Selbstsicherheit an, mit der Herrmann das Scheitern aller Bemühungen vorhersieht, die den Kapitalismus nicht überwinden, sondern diesen für die Nachhaltigkeit einspannen wollen. Diesmal, so die Autorin, "wird der Kapitalismus wirklich enden". An ihrer Verachtung für "marktgläubige Klimaschützer" lässt Herrmann keinen Zweifel. Weil grünes Wachstum eine Unmöglichkeit ist, bleibe nur postkapitalistisches "grünes Schrumpfen". Woran es fehle, sei "die Brücke aus der dynamischen Gegenwart in eine statische Zukunft".
Für Herrmann ist klar: "Nur Verzicht sichert das Überleben - wie im Krieg." Dinge wie Windräder, Batteriespeicher und grünen Wasserstoff, auch da ist sich die Autorin sicher, "kann es nur geben, wenn der Staat lenkt, forscht, finanziert und subventioniert". Zentral für ihr Buch ist die feste Überzeugung, dass diese Sicht der Dinge ohne realistische Alternative ist: "Viele Menschen hängen immer noch dem Irrtum an, dass sie die Wahl hätten." Aber keine Sorge: "Die Wachstumskritiker", schreibt Herrmann, "haben klar gezeigt, dass klimaneutrales Leben auch schön sein kann." Dass unterschiedliche Menschen durchaus unterschiedliche Dinge unter einem schönen Leben verstehen können und dass eine staatliche Kommandowirtschaft womöglich höchst freiheitsbeschränkend wäre, kommt nicht zur Sprache.
In der Gesamtschau scheitert das Buch an der selbst gestellten Aufgabe, das unvermeidliche Ende des Kapitalismus überzeugend darzustellen. Die Gerüchte über dessen Tod, so könnte man in Anlehnung an Mark Twain sagen, haben sich schon oft als übertrieben erwiesen. Herrmann bewundert ganz offenbar die Erfolge des Kapitalismus, unterschätzt aber seine Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und Resilienz. "Schöpferische Zerstörung" (Schumpeter) kann destruktiv sein, aber auch kreativ. Dass diese Energie auch ökologischen Zwecken dienen könnte, hält Herrmann für unmöglich.
Dass es - gerade angesichts der Klimakrise - darum gehen muss, eine lernfähige und ökologische Grenzen berücksichtigende Wirtschaftsordnung zu organisieren, kommt ihr nicht in den Sinn. Stattdessen plädiert sie für eine "Überlebenswirtschaft", die durch einen allzuständigen Staat geprägt ist: "Die Betriebe bleiben privat, aber der Staat legt fest, was noch hergestellt wird, und verteilt die knappen Güter." Die britische Kriegswirtschaft soll dabei allen Ernstes "ein Modell für die Zukunft" abgeben. Diese Vision wird immer wieder garniert mit markigen Aussagen über "die Ökonomen", die für Hermann offenbar ausnahmslos nicht die leiseste Ahnung haben, wie die Wirtschaft wirklich funktioniert.
Hier paart sich eine platte Kritik von Ökonomie und Ökonomik mit seltsam entrückten Vorschlägen zum Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft. Wie ein Übergang in die staatlich kontrollierte "Überlebenswirtschaft" auch nur halbwegs plausibel organisierbar wäre, bleibt im Dunkeln. Herrmanns Vorstellungen einer klimaneutralen Wirtschaft tragen leider so gut wie nichts zur Frage bei, wie sich eine Transformation zur Nachhaltigkeit demokratisch gestalten ließe. Das ist höchst bedauerlich: Denn gute Ideen für eine freiheitliche Ordnung, die Innovationskraft, sozialen Ausgleich und die Beachtung ökologischer Grenzen gleichermaßen ermöglicht, werden sehr dringend gebraucht. FRED LUKS
Ulrike Herrmann: Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2022. 352 Seiten, 24 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ulrike Herrmanns Kapitalismuskritik
Ulrike Herrmann folgt in ihrem Buch einer klaren Argumentationslinie: Die Klimakatastrophe zwingt zu drastischen Einschränkungen der Treibhausgasemissionen. Technischer Fortschritt schafft keine Entkopplung der Wirtschaftsleistung von diesen Emissionen, weshalb die ökologische Reduktion zwangsläufig in ökonomischer Stagnation resultiert. Das Ende des Wachstums führt ebenso zwangsläufig zum Ende des Kapitalismus, weil dieser nur als expansives System existenzfähig ist. Das ist aber kein Problem, weil wir den Kapitalismus zugunsten einer "Überlebenswirtschaft" aufgeben und uns dabei die "britische Kriegswirtschaft ab 1939" als Vorbild nehmen können.
"Das Ende des Kapitalismus" ist also ein weiteres Buch, das einen Abschied vom Wirtschaftswachstum im Zeichen der Nachhaltigkeit für unabwendbar hält. Was Herrmanns Buch von vielen Texten zum "Postwachstum" unterscheidet, ist ihre Wertschätzung für den Kapitalismus: Sie verwendet viele Seiten darauf, recht detailverliebt dessen Entwicklung und Errungenschaften zu beschreiben und zu loben. Wo sie an anderer Stelle ökologische Absurditäten wie die "Abwrackprämie" aufs Korn nimmt oder die unbequeme Wahrheit ausspricht, dass fossile Energieträger "im Boden bleiben" müssen, liest man treffende Beobachtungen.
Plausibel - und wohl kaum umstritten - ist auch die Diagnose, dass die Klimakatastrophe drastische Reduktionsleistungen beim Ausstoß von Treibhausgasen erfordert. Ob sich diese Reduktion durch technologiegetriebene Entkopplung mit Wirtschaftswachstum vereinbaren lässt oder nicht, ist allerdings eine offene Frage. Auch der Rezensent neigt hier zu einer skeptischen Haltung zum "grünen Wachstum" - und fragt sich gleichzeitig, woher die Autorin mit Gewissheit zu wissen glaubt, "wie wir in Zukunft leben werden".
Herrmann selbst reiht Beispiel an Beispiel dafür, wie technologische und ökonomische Zukunftsprognosen immer wieder danebenlagen. Umso merkwürdiger mutet die Selbstsicherheit an, mit der Herrmann das Scheitern aller Bemühungen vorhersieht, die den Kapitalismus nicht überwinden, sondern diesen für die Nachhaltigkeit einspannen wollen. Diesmal, so die Autorin, "wird der Kapitalismus wirklich enden". An ihrer Verachtung für "marktgläubige Klimaschützer" lässt Herrmann keinen Zweifel. Weil grünes Wachstum eine Unmöglichkeit ist, bleibe nur postkapitalistisches "grünes Schrumpfen". Woran es fehle, sei "die Brücke aus der dynamischen Gegenwart in eine statische Zukunft".
Für Herrmann ist klar: "Nur Verzicht sichert das Überleben - wie im Krieg." Dinge wie Windräder, Batteriespeicher und grünen Wasserstoff, auch da ist sich die Autorin sicher, "kann es nur geben, wenn der Staat lenkt, forscht, finanziert und subventioniert". Zentral für ihr Buch ist die feste Überzeugung, dass diese Sicht der Dinge ohne realistische Alternative ist: "Viele Menschen hängen immer noch dem Irrtum an, dass sie die Wahl hätten." Aber keine Sorge: "Die Wachstumskritiker", schreibt Herrmann, "haben klar gezeigt, dass klimaneutrales Leben auch schön sein kann." Dass unterschiedliche Menschen durchaus unterschiedliche Dinge unter einem schönen Leben verstehen können und dass eine staatliche Kommandowirtschaft womöglich höchst freiheitsbeschränkend wäre, kommt nicht zur Sprache.
In der Gesamtschau scheitert das Buch an der selbst gestellten Aufgabe, das unvermeidliche Ende des Kapitalismus überzeugend darzustellen. Die Gerüchte über dessen Tod, so könnte man in Anlehnung an Mark Twain sagen, haben sich schon oft als übertrieben erwiesen. Herrmann bewundert ganz offenbar die Erfolge des Kapitalismus, unterschätzt aber seine Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und Resilienz. "Schöpferische Zerstörung" (Schumpeter) kann destruktiv sein, aber auch kreativ. Dass diese Energie auch ökologischen Zwecken dienen könnte, hält Herrmann für unmöglich.
Dass es - gerade angesichts der Klimakrise - darum gehen muss, eine lernfähige und ökologische Grenzen berücksichtigende Wirtschaftsordnung zu organisieren, kommt ihr nicht in den Sinn. Stattdessen plädiert sie für eine "Überlebenswirtschaft", die durch einen allzuständigen Staat geprägt ist: "Die Betriebe bleiben privat, aber der Staat legt fest, was noch hergestellt wird, und verteilt die knappen Güter." Die britische Kriegswirtschaft soll dabei allen Ernstes "ein Modell für die Zukunft" abgeben. Diese Vision wird immer wieder garniert mit markigen Aussagen über "die Ökonomen", die für Hermann offenbar ausnahmslos nicht die leiseste Ahnung haben, wie die Wirtschaft wirklich funktioniert.
Hier paart sich eine platte Kritik von Ökonomie und Ökonomik mit seltsam entrückten Vorschlägen zum Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft. Wie ein Übergang in die staatlich kontrollierte "Überlebenswirtschaft" auch nur halbwegs plausibel organisierbar wäre, bleibt im Dunkeln. Herrmanns Vorstellungen einer klimaneutralen Wirtschaft tragen leider so gut wie nichts zur Frage bei, wie sich eine Transformation zur Nachhaltigkeit demokratisch gestalten ließe. Das ist höchst bedauerlich: Denn gute Ideen für eine freiheitliche Ordnung, die Innovationskraft, sozialen Ausgleich und die Beachtung ökologischer Grenzen gleichermaßen ermöglicht, werden sehr dringend gebraucht. FRED LUKS
Ulrike Herrmann: Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2022. 352 Seiten, 24 Euro.
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»[Dieses Buch] weitet auf überraschende Art den Blickwinkel und regt zum Weiterdenken und Diskutieren an.« Bernhard Hampp Schwäbische Post 20221215