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Jahrtausendelang war der Atlantik für die Menschen an seinen Ufern das Ende der Welt. Ein mythischer Ort, bevölkert von Ungeheuern und Göttern, schien er den Menschen für alle Zeit versperrt. Aber seit dem Zeitalter der Entdeckungen wurde der Atlantik zu einer Bühne, auf der Weltgeschichte spielt. Holger Afflerbach schildert die atemberaubenden Entdeckungsfahrten, erzählt von Abenteurern und Piraten, von Seekriegen und Schatzsuchen, von Auswanderern und Ozeanriesen. Und er macht deutlich, wie der Atlantik sich von einer Grenze zum Transitmeer entwickelt, durch das die Welt zusammenwächst. Weil…mehr

Produktbeschreibung
Jahrtausendelang war der Atlantik für die Menschen an seinen Ufern das Ende der Welt. Ein mythischer Ort, bevölkert von Ungeheuern und Göttern, schien er den Menschen für alle Zeit versperrt. Aber seit dem Zeitalter der Entdeckungen wurde der Atlantik zu einer Bühne, auf der Weltgeschichte spielt. Holger Afflerbach schildert die atemberaubenden Entdeckungsfahrten, erzählt von Abenteurern und Piraten, von Seekriegen und Schatzsuchen, von Auswanderern und Ozeanriesen. Und er macht deutlich, wie der Atlantik sich von einer Grenze zum Transitmeer entwickelt, durch das die Welt zusammenwächst. Weil er die Geschichte des Atlantiks von See her erzählt, ergeben sich völlig neue Perspektiven. Unterstützt von zahlreichen eindrucksvollen historischen Bildern und Landkarten, beschreibt der Autor den Atlantischen Ozean als eine "Brücke aus Wasser". Holger Afflerbach zeigt, daß mit dieser Entwicklung ein neues Zeitalter begann, das noch lange nicht beendet ist.
Autorenporträt
Holger Afflerbach, geboren 1960 in Düsseldorf, Studium der Geschichte in Düsseldorf und Neapel. Stipendiat der Alexander-von-Hulboldt-Stiftung. Er ist Professor of Central European History an der University of Leeds.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.10.2003

Für die Tasche Die Wandlung des Atlantik vom Ende der Welt zum Weltmeer hat der Historiker Holger Afflerbach untersucht. Durch die Befahrung dieses Ozeans, beschreibt er, konnte die europäisch-mediterrane Kultur überhaupt erst zur Weltkultur werden.

Warum aber wurde der Atlantik nicht schon früher überquert, seetaugliche Schiffe hat es doch gegeben? Weil für die Fahrt über den Atlantik keine zwingenden ökonomischen Interessen bestanden. In der Antike gelangte man nach Indien über die Seidenstraße und auf dem Schiffsweg durch das Rote Meer. So blieben zunächst Vorstöße wie die der Wikinger, die mit Vinland den neuen Kontinent längst entdeckt hatten, ohne Folgen. Allerdings irrt Afflerbach, wenn er schreibt, Grönland sei "menschenleer" gewesen, als die skandinavischen Atlantikfahrer dort siedelten. Irgendwo lebten auf der Rieseninsel seit 3000 vor Christus immer Inuit. Das Aufeinandertreffen beider Kulturen beweist eine von einem Eskimo geschnitzte Holzfigur, auf 1350 datiert und im Nationalmuseum in Kopenhagen ausgestellt; sie stellt einen nordischen Mann dar.

Afflerbach nähert sich dem Atlantik chronologisch. Das ist sinnvoll, näherte sich Europa den jenseitigen Küsten des Riesenmeers doch auch erst im Laufe der Jahrhunderte, zunächst noch als Idee, mit den antiken Wissenschaften, dann konkreter mit den Vinlandfahrten der Normannen, dann wieder nur in der Theorie, in den Mythen des Mittelalters - bis schließlich das Zeitalter der Entdeckungen anbrach.

In der Mitte des Buches läßt Afflerbach Kolumbus den Atlantik überqueren. Ausführlich widmet sich der Autor zunächst Heinrich dem Seefahrer und den portugiesischen Entdeckungsfahrten, hatte doch Kolumbus sein Begehr erst am dortigen Hofe vorgeschlagen, bevor er bei den Spaniern anklopfte. Der portugiesische König  wies ihn ab - und raufte sich später die Haare: "O Mensch von elendem Verstand! Warum hast du deinen Händen ein Unternehmen von so großer Bedeutung entschlüpfen lassen?"

Der Autor stellt sich entschieden gegen Mystik wie die Atlantis-Erzählung, läßt Märchen keinen Raum. Er tut recht daran. Wer über Wissenschaftsgeschichte so euphorisch und zugleich sachlich schreiben kann wie Afflerbach, beweist: Nichts ist erregender als die Wahrheit.

Barbara Schaefer

Holger Afflerbach: Das entfesselte Meer. Die Geschichte des Atlantik, Malik Piper Verlag, zahlreiche zum Teil farbige Abbildungen. 357 Seiten, 20,50 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.04.2002

Von der Weltgrenze zum Transitmeer
Holger Afflerbach erzählt die Geschichte des Atlantik aus europäischer Sicht
Den Atlantik zu entfesseln, so verspricht der Titel und schürt Hoffnungen auf Ungeheuer, versunkene Städte, Piraten und Meutereien, fantastische Schätze und Einzelheiten über das kalte Grab von furchtlosen Seemännern und hilflosen Passagieren. Doch wurden solche Vorstellungen nicht längst abgewrackt? Ist der einst so wilde Ozean heute nicht längst zum großen Teich degradiert, den selbst Erstlingstouristen auf dem Linienflug in die USA oder Karibik nur noch mit einem müden Blick würdigen?
Eben diese grundlegende Veränderung in den europäischen Vorstellungen des Atlantiks von der Antike bis zur Gegenwart zeichnet Holger Afflerbach in seinem Buch nach. Klassische Texte zur Kartographie, zur Seefahrt und zum Entdeckertum werden zu einer flüssigen Erzählung gefügt, um die Verwandlung des Atlantiks vom Status der Weltgrenze bis zum Transitmeer zu verfolgen. Mit der Bezähmung des Atlantiks und seiner Umfunktionierung zum globalen Handelsknotenpunkt verschwinden schließlich Kraken, Piraten und ein geistiger Horizont aus dem Weltbild der Europäer. Mit der Entdeckung Amerikas und der nautischen Bezwingung des Atlantiks, so die nicht ganz neue These, bricht die Neuzeit an.
Der große französische Historiker Fernand Braudel, dessen unübertroffene dreibändige Geschichte des Mittelmeers gelegentlich zitiert wird, um die hauptsächlich aus Politik– und Sozialgeschichte bestehende zusammengesetzte Methode zu erhellen, liefert die Erklärung für die seltsame Tatsache, dass der Atlantik erst relativ spät entdeckt wurde. Bis in die jüngste Neuzeit war Raum kein Segen, erklärt Braudel, sondern ein Fluch. Die gewaltigen Entfernungen und das hohe Risiko der Überfahrt machten bis zur Verbesserung der Schifffahrt und Navigationsinstrumente die wirtschaftliche Erschließung der Länder jenseits des Ozeans nicht nur unrentabel. Wie heute das Weltall und der Meeresboden lag der Atlantik und sein handelstechnisches Potenzial schon lange in technisch greifbarer Nähe und blieb für die europäische Bevölkerung dennoch geistig fern.
Der heilige Hunger nach Gewinn
Die Entdeckung Amerikas durch Kolumbus im Jahre 1492 verdankt sich keinen technischen Innovationen, sondern einer geänderten Geisteshaltung. Zwar hatten Wikinger schon im Jahre 986 Amerika erreicht. Die antike Vorstellung vom Atlantik als absolute Grenze änderte sich jedoch erst, als der Rest Europas jenseits des Atlantiks Gewinne witterte. Die Wirtschaft als Motor der Geschichte und Europa als Pilot der globalisierten Welt: trotz der Zitate von Braudel und den stellenweise lebhaften Ausführungen über die falschen Hoffnungen, politischen Rivalitäten und Zufallstreffer, die dem heiligen Hunger nach Gewinn Aufwind gaben, gibt es in dieser Geschichte nur bedingt theoretischen Tiefgang.
Der große Kolumbus wird von Afflerbach mühelos als politisch gewandt und grenzenlos ehrgeizig demystifiziert, der bei der ersten Amerikareise doppelt Logbuch führte, um seine furchtsame Mannschaft durch die tatsächliche Reiselänge nicht zu verschrecken. Bekanntlich blieb der Entdecker bis zu seinem Lebensende davon überzeugt, gleich drei Mal einen unbekannten Teil Asiens erreicht zu haben. Diese Mischung aus Courage und Blindheit ist typisch für viele der Entdecker, die so beharrlich einen Handelsweg um Afrika nach Indien suchten und dabei nie nach Westen schauten, wo doch der wirkliche Reichtum lag.
Mit der plötzlichen Erweiterung der Weltkarte im 16. Jahrhundert rückte der Atlantik in die Mitte einer rapide globalisierten Welt, die durch Handelsinteressen der damaligen Supermächte Spanien und Portugal ihre heutige Prägung erhielt. Streckenweise verliert der Autor seinen Panoramablick auf den grundsätzlichen Perspektivenwechsel von der fragmentierten zur globalisierten Welt und lässt sich von technischen Einzelheiten wie Ladekapazitäten, Tiefgang und Schiffsmasse ablenken. Viel erfährt man von Flottenkapazitäten, politischem Gerangel in den Ausgangshäfen und Segeltypen, aber nichts über die für den modernen Menschen so bedeutende Erfahrung der fundamentalen Haltlosigkeit auf dem offenen Meer. Literarische Werke über die Seefahrt werden nur indirekt zitiert und die oft fesselnden Augenzeugenberichte dienen lediglich dazu, das europäische Interesse an den Kolonien und das Anwachsen der europäischen Immigration nach Amerika zu belegen.
In einer kursorischen Abhandlung des Sklavenhandels, durch den mindestens elf Millionen Afrikaner von Europäern in die Neue Welt verschleppt wurden und ohne den man kaum von der globalisierten „Mischkultur” sprechen kann, die Afflerbach schließlich als Resultat der Erschließung des Atlantiks beschwört, kommt der Autor zum absurden Schluss, dass der systematische Menschenhandel zwar ein „moralisches Desaster” für die Händler war, auf dem afrikanischen Kontinent jedoch durch die „afrikanische Geburtenrate mehr als ausgeglichen werden konnte”. Afflerbach stützt sich hier auf erzkonservative Autoren, in deren Werken Sklaven keine Stimme haben und die Sklaverei, wie schon ein Generation weißer Historiker vor ihnen erklärte, Afrika letztlich Vorteile brachte.
Bieder, eng, westwärts
Hätte Afflerbach die voluminöse und mittlerweile durchgehend akzeptierte Kritik an solchen Vorstellungen, zum Beispiel die Bücher des Historikers Patrick Manning, herangezogen, hätte er die brutale Realität auf den Sklavenschiffen wohl nicht als „Schreckbild der Abolitionisten” abgetan. Doch hier tritt das grundsätzliche Problem von sowohl Afflerbachs Ansatz als auch seiner These ins Licht. Das Buch will die Geschichte des Atlantiks vom Weltende zum Transitmeer aus rein europäischer Sicht erzählen. Doch was als „sachlich naheliegende” Ausgangsperspektive erklärt wird, ist eben die eurozentrische Weltanschauung, die mit der Öffnung des Atlantiks und der globalisierten Welt schon vor Kolumbus unhaltbar wird. Mit der Verwandlung Europas von einer Randregion im Schatten der riesigen asiatischen Reiche zum Mittelpunkt des Globus und der darauf folgenden Vernetzung der Kontinente durch Handelsrouten verändern sich nicht nur die Essgewohnheiten der Europäer, als amerikanische Indianer sie mit Tomaten, Kartoffeln und Paprika bekannt machen. Im Kontakt mit Afrika und Amerika bleibt Europa nicht europäisch, sondern es bietet sich die Möglichkeit einer anderen, die Ausgangsposition relativierenden Perspektive.
Bei Afflerbach ist der Atlantik ein Meer mit einer Fließrichtung von Europa nach Westen. Außer Handelsgütern und Profiten schwappt nichts zurück. Das indianische Treibgut auf den Azoren, das Kolumbus von der Möglichkeit einer Ost-West-Passage überzeugte, und die sechs Indianer, die er zurück an den spanischen Königshof verschleppte, bleiben für Afflerbach Lappalien, obschon sie die starr eurozentrische Perspektive des Buches durchbrechen würden.
Wenn die Strapazen europäischer Auswanderer auf engen Pritschen im 19. Jahrhundert schließlich als schlimmer dargestellt werden als die Sklaventransporte zweihundert Jahre davor, ist die historische Perspektive kaum entfesselt. Das Buch schließt mit einem Blick auf das Zeitalter der Passagierschiffe, in dem die Romantik des Meeres an die Massen verhökert wird, bis der Flugverkehr die Reisezeiten selbst der schnellsten Dampfer unterbietet. Doch die Atmosphäre in diesen Kapiteln bleibt bieder und eng. Der Walfang, als ein Hauptindustriezweig der USA im 19. Jahrhundert eine wichtiger Rohstofflieferant für europäische Städte, bleibt ebenso unerwähnt wie die Überfahrt der US-Streitkräfte und deren Landung in der Normandie 1944, durch die Europa schließlich vom Zentrum der Welt zurück in die Peripherie rutscht. Afflerbachs abschließende Einsicht, dass sich die Weltkultur nur im globalen Rahmen verstehen lässt, erfolgt spät. Der gegenwärtige Stand der Geschichtsschreibung sollte wohl einen Blick in die Laderäume erlauben. Die Archive sind so voll mit Flaschenpost der Gekenterten, Vergessenen und Verschleppten, dass selbst ein Badewannenkapitän sie finden kann.
ULRICH
BAER
HOLGER AFFLERBACH: Das entfesselte Meer. Die Geschichte des Atlantik. Piper Verlag, München, 2002. 358 Seiten, 62 Abbildungen, 24,90 Euro.
Zum Scheitern verurteilt war die hier abgebildete Reise nach den portugiesischen Kolonien, von der Hans Staden in „Grands Voyages” 1592 berichtete. Der Holzstich von Théodore de Bry entstammt dem schönen Bildband „Die Entdeckung der Welt” von François Bellec (Collection Rolf Heyne, München 2001. 213 S., zahlr. Abb., 35 Euro).
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