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Diese Graphic Novel widmet sich dem Thema Migration am Besipiel einer israelischen, jüdischen Familie, deren Großmutter das erste mal seit ihrer Jugend wieder nach Polen reist und dabei von ihrer Enkeltochter begleitet wird. Rutu Modan beschreibt diese nicht ganz einfache Reise mit Einfühlungsvermögen und mit sehr viel mit Humor.

Produktbeschreibung
Diese Graphic Novel widmet sich dem Thema Migration am Besipiel einer israelischen, jüdischen Familie, deren Großmutter das erste mal seit ihrer Jugend wieder nach Polen reist und dabei von ihrer Enkeltochter begleitet wird. Rutu Modan beschreibt diese nicht ganz einfache Reise mit Einfühlungsvermögen und mit sehr viel mit Humor.
Autorenporträt
Rutu Modan ist 1966 in Tel Aviv geboren, wo sie als Comicautorin und Illustratorin arbeitet. In Israel mehrfach als Kinderbuchautorin ausgezeichnet, wurde sie international als Comiczeichnerin bekannt dank Actus Tragicus, einem israelischen Künstlerkollektiv und Verlagshaus für alternative Comicautoren. Actus Tragicus wurde 1995 von Mira Friedmann, Batia Kolton, Rutu Modan, Yimri Pinkus und Itzik Rennert gegründet und hat sich international einen ausgezeichneten Ruf erworben. Nach dem erfolgreichen Abschluss ihrer Ausbildung an der Bezalel Academy of Art and Design in Jerusalem (1992), begann sie regelmäßig Comic-Strips und Geschichten in führenden Zeitungen Israels zu veröffentlichen. 2001 gewann sie den Andersen Award für Illustration. Außerdem war sie Mitherausgeberin der israelischen Ausgabe von MAD-Magazine. Seit 2005 gehört sie zu den von der Israel Cultural Excellence Foundation (IcExcellence) ausgezeichneten "hervorragenden Künstlern Israels". Im November 2006 wurde ihre Graphic Novel "Blutspuren" (im Original: "Exit Wounds") veröffentlicht und löste damit in der Presse und bei ihren Lesern große Begeisterung aus. Die französische Ausgabe wurde im Frühling 2008 beim renommierten internationalen Comic-Fesitval in Angoulême mit dem Prix France Info ausgezeichnet. Rutu Modan ist in Israel und im Ausland als Illustratorin und Texterin tätig, sie hat bereits für die New York Times, den New Yorker und Le Monde gearbeitet und veröffentlicht ihre Werke weltweit. "Das Erbe" ist ihre zweite Graphic Novel, die zum Teil autobiographisch ist.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.08.2013

Das Geheimnis der alten Dame
Trip von Israel nach Warschau: Rutu Modans Graphic Novel „Das Erbe“
Ja, auch in Israel gibt es eine Comic-Szene. Sie ist klein, aber aufregend. An erster Stelle stand lange „Actus Tragicus“, eine Gruppe von drei Zeichnerinnen und zwei Zeichnern, die 1995 zusammenkam und sich 2010 auflöste. In dem deutsch-schweizerischen Comic-Magazin Strapazin sind einige ihrer kurzen Arbeiten veröffentlicht worden. Zu den „Actus“-Mitgliedern zählte auch Rutu Modan. Im Jahr 2006 erschien ihre vorzügliche Graphic Novel „Blutspuren“, in der ein junger Taxifahrer sich auf die Suche nach seinem unsteten, schürzenjägerischen Vater macht, der angeblich bei einem palästinensischen Selbstmordanschlag ums Leben gekommen ist.
In „Das Erbe“ reist nun Mika, eine junge Frau, mit Regina, ihrer fast 90-jährigen Großmutter, nach Warschau. Hier ist Regina in behüteten Verhältnissen aufgewachsen, bevor sie noch vor dem Krieg nach Israel auswanderte und nie mehr zurückkehrte. Allerdings verfügt sie über ein Dokument, das sie als rechtmäßige Eigentümerin der schönen Wohnung ausweist, die ihre Eltern in der Zeit der Verfolgung verloren haben. Diesen Besitz will Regina, bevor sie stirbt, einklagen. So scheint es zumindest: Denn nach und nach begreift Mika, dass die alte Dame mit dem Trip nach Polen noch ganz andere, sorgfältig verborgene Ziele verfolgt.
Wie „Blutspuren“ dreht sich „Das Erbe“ um ein Familiengeheimnis, genauer gesagt, um die auch für ein längst erwachsenes Kind schockierende Erfahrung, dass Liebe und Sexualität für Eltern und Großeltern genauso ein Thema sein können wie für die jungen Nachgeborenen. Anders als in der vorherigen Graphic Novel greift Rutu Modan hier aber überwiegend zu den Mitteln der Komödie. Regina ist die jüdische Version der komischen Alten, eine Über-Oma von großem Charme und damenhafter Würde, zugleich aber dominant, zickig und stur bis zum Anschlag.
  Schon ihr erster Auftritt am Flughafen von Tel Aviv macht das klar: Weil sie die Flasche Wasser, die sie mitschleppt, nicht an Bord nehmen darf, zettelt Regina einen Riesenaufstand an; dass sie alle anderen Reisenden damit aufhält, ist ihr herzlich egal. Klamaukig ist „Das Erbe“ dennoch nicht; die komischen Effekte gehen nicht auf Kosten einer differenzierten Konstruktion der Figuren. Hierzu tragen auch die Zeichnungen Modans bei, die stark der Ligne claire verpflichtet sind, diese oft aber realistischer auslegen, als es bei Hergé und seinen Nachfolgern der Fall ist.
  Überaus anrührend ist es etwa, wenn Regina sich für einen wichtigen Ausflug in die Stadt herrichtet, mit Schminke, Ohrringen, einer feinen Bluse – und wenn sie dann vor dem Spiegel traurig, zweifelnd das Ergebnis betrachtet: Sie ist eben nicht mehr die junge Frau, die sie in diesem Moment so gerne wieder wäre.
Sehr geschickt verbindet Modan zudem die individuellen Schicksale mit der Zeitgeschichte. Auch hier verschränken sich Komik und Ernst in durchaus waghalsiger Weise. Da bemerkt ein Lehrer, der neben Regina im Flugzeug sitzt, nahezu kennerisch: „Majdanek steckt Auschwitz in die Tasche. Ist viel grausiger.“ Und in Warschau begegnet Mika einer aufgedrehten Dame, die Touren veranstaltet, auf denen junge Touristen aus aller Welt sich einen gelben Stern anstecken und von als Nazis verkleideten Polen auf Lkws „deportieren“ lassen: Irgendwie muss man die Event-Generation ja erreichen!
  Der Titel dieser ebenso amüsanten wie klugen und feinfühligen Graphic Novel erweist sich somit als doppeldeutig: Das Erbe, um das es hier geht, das sind auch die Geschichte der europäischen Juden und der Holocaust – und die Frage, wie heute in angemessener Weise an beides zu erinnern ist.
CHRISTOPH HAAS
  
Rutu Modan (Text und Zeichnungen): Das Erbe. Aus dem Hebräischen von Gundula Schiffer. Carlsen Verlag, Hamburg 2013. 224 Seiten, 24,90 Euro.
Komik und Ernst verschränken
sich in dieser Graphic Novel in
durchaus waghalsiger Weise
Eine Oma von großem Charme und damenhafter Würde: Regina, die sich zurechtmacht für einen wichtigen Ausflug und feststellen muss, dass sie nicht mehr die junge Frau ist, die sie in diesem Moment gerne wieder wäre.
FOTO: AUS DEM BESPR. BAND
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.08.2013

Die Groteske besiegt den Schrecken

Rutu Modans eindrucksvoller Comic "Das Erbe" erzählt von der Reise einer betagten Israelin und ihrer Enkelin ins heutige Polen - und nutzt dabei alle Möglichkeiten der Bildergeschichte.

Vor sieben Jahren etablierte sich die 1966 geborene israelische Zeichnerin Rutu Modan mit ihrem in Amerika publizierten Comic "Exit Wounds" spät, aber umso nachhaltiger als eine der weltweit wichtigsten Autorinnen ihres Metiers. Sie erzählte in ihrem Buch aus dem Israel der zweiten Intifada, doch Politik und Terror traten hinter eine Familiengeschichte zurück, die durch die äußeren Umstände erst aufgedeckt wurde. Wie Rutu Modan das komplexe Geschehen in Bilder setzte, war bemerkenswert: Ihre stilisierten Figuren agierten vor minutiös ausgeführten, aber farblich ausgebleichten Dekors - eine Weiterentwicklung der Ligne claire.

Hierzulande erschien dieser Band zwei Jahre später als "Blutspuren" bei der Zürcher Edition Moderne, dem deutschsprachigen Verlag mit dem besten Gespür für die internationale Avantgarde. Das war noch vor dem Marketingboom der "Graphic Novels", der anspruchsvollen Comics ein neues und vor allem größeres Publikum zugeführt hat. Deshalb machte "Blutspuren" damals nur Furore im kleinen Kreis. Das wird sich nun ändern. In Kürze erscheint im Kunstmann Verlag ihr bereits 2010 erschienener Kindercomic "Ketchup für die Königin". Und weit wichtiger noch: Rutu Modans nun endlich fertiggestellte zweite große Bilderzählung ist unmittelbar nach ihrer amerikanischen Erstveröffentlichung - bei Drawn & Quarterly, dem renommiertesten Autorencomicverlag - übersetzt worden und kommt bei Carlsen heraus, der beim breiten Publikum immer noch bestangesehenen Adresse für Comics in Deutschland.

"Das Erbe" heißt dieser Band, eine interessante Abweichung vom Originaltitel "The Property" (Das Eigentum), wobei Rutu Modan zwar in den Vereinigten Staaten publiziert, weil dort die Leserschaft ungleich größer ist als im heimischen Israel, aber unverändert auf Hebräisch schreibt (deshalb ist "Das Erbe" von Gundula Schiffer auch aus dieser Sprache übersetzt worden). Der neue Comic erfordert indes ein Sprachengemisch aus Englisch, Hebräisch und Polnisch, weil er von einer über achtzigjährigen Jüdin namens Regina Segal erzählt, die nach dem Krebstod ihres Sohnes mit dessen erwachsener Tochter Mika von Tel Aviv nach Polen fliegt, wo sie 1923 geboren wurde. Noch vor dem Einmarsch der Deutschen 1939 hatte sie das Land verlassen, weil sie von einem Polen schwanger war und die Eltern sie nach Palästina schickten. Ihre Familie wurde ermordet, nicht aber der frühere christliche Liebhaber. Ihn wiederzutreffen ist Reginas heimliche Absicht des späten Besuchs in Warschau. Der gegenüber ihrer Enkelin behauptete Anspruch auf familiären Immobilienbesitz ist vorgeschoben. Mika ahnt nichts von ihrem wahren Großvater.

Insofern ist der deutsche Titel vieldeutiger und damit besser als "The Property". Eine Erbschaft kann materielle wie immaterielle Dinge umfassen, Guthaben wie Schulden, und just um diese Optionen und die daraus resultierenden Missverständnisse geht es. Der Reiz von Rutu Modans Comic besteht im Aneinandervorbeireden der Protagonisten - indem sie unterschiedliche Ziele verfolgen und unterschiedliche Sprachen sprechen.

Der Comic als Erzählform hält für das letztere Phänomen einfache, aber effiziente Lösungen parat. Auf Hebräisch geführte Dialoge sind in den Sprechblasen deutsch, aber mittels Großbuchstaben geschrieben, die polnischen Gespräche (Regina beherrscht natürlich noch die Sprache ihrer Jugend) dagegen in kursiver Schrift, und fürs Englische, mit dem sich Mika in Warschau verständigt, verwendet Rutu Modan gewöhnliche Groß- und Kleinschreibung. Hinzu kommt in der hebräischen (und somit auch deutschen) Fassung eine weitere Ebene, weil Figuren bisweilen auch in echtem Englisch miteinander reden, wenn es aufs genaue Verständnis für den Leser nicht ankommt. Und manchmal zeigt Rutu Modan die Hilflosigkeit von Maki angesichts auf Polnisch geführter Unterhaltungen dadurch, dass Regina und deren Gesprächspartner in unleserlichen Linien sprechen.

"Das Erbe" nutzt die formalen Möglichkeiten seiner Gattung also konsequent. Zerwürfnisse zwischen den Protagonisten werden dadurch optisch verstärkt, dass die Figuren in verschiedenen Panels arrangiert sind, obwohl sie interagieren. Es gibt eine seitenarchitektonisch brillant gelöste Szene mit zwei gleichzeitig geführten Telefongesprächen, die nicht nur die beiden in Warschau Sprechenden parallel führt, sondern auch noch zwei Handlungsorte in Polen und Israel. Und die Kolorierung ist höchst bedeutungsvoll. So wird der einzige Rückblick Reginas auf ihre Jugend in just jenen kitschig-künstlichen Farben ausgeführt, die auch die Bilder eines Dioramas haben, bei dem sich die alte Dame und ihr früherer Geliebter begegnen, um ihre Erinnerungen an das alte Warschau aufzufrischen. Dass der Betreiber dieses Dioramas nach dem Vorbild von Rutu Modans bekanntem Kollegen Yirmi Pinkus, mit dem sie die israelische Zeichnergruppe Actus Tragicus gegründet hat, gestaltet ist, darf man als augenzwinkernden Verweis auf die Macht der Bilder deuten.

Generell hat Rutu Modan ihre Panels nach Fotos gestaltet, für die ihr feste Akteure zur Verfügung standen, die die einzelnen Figuren verkörperten. Gemeinsam mit weiteren auf zwei Recherchereisen nach Polen angefertigten Fotos und Skizzen hat sie so ihren durch das eigentümliche, spätere Ab- und Überzeichnen verfremdeten Realismus, der schon "Blutspuren" auszeichnete, noch weitergetrieben. Allerdings ist angesichts dieses sorgfältigen Konzepts seltsam, was für Anschlussfehler Rutu Modan in "Das Erbe" unterlaufen. In einer Szene mit einem polnischen Anwalt wechselt dessen Ehering beinahe von Bild zu Bild die Hand. In anderen Abschnitten mutieren Figuren von Rechts- zu Linkshändern und zurück.

Für diese abstrusen Fehler einer versierten Künstlerin gibt es nur zwei Erklärungen: Entweder hat Rutu Modan einige Fotos gekontert, um dramaturgisch bessere Vorlagen zu erhalten. Oder einzelne Bilder sind für die englische und deutsche Ausgabe gespiegelt worden, da im Hebräischen von rechts nach links gelesen wird, so dass manche Sprechblasenabfolgen für unsere Gewohnheit verkehrt scheinen. Doch hätte auch die Brusttasche des anwaltlichen Hemdes jeweils die Seite wechseln müssen, was sie nicht tut; stattdessen verschwindet sie gelegentlich ganz.

Solche Sorglosigkeiten machen vor allem auf das meist schlechte Lektorat aufmerksam, das Comics nach wie vor erfahren - offenbar selbst bei den besten Verlagen. Die Qualität von Rutu Modans Erzählung mindert das nicht. Es ist bemerkenswert, wie der israelischen Autorin die Behandlung eines denkbar heiklen Themas gelingt, indem sie ihm fast die Form einer Groteske gibt. Es sind die jüdischen Besucher, die hier in grellem, schlechtem Licht stehen, nicht die Polen, die zwar um ihre Wohnungen fürchten, sich moralisch aber besser benehmen. Zudem wirft die Autorin nebenbei einen mehr als spöttischen Blick auf die Auswüchse israelischer Gedächtnisreisen nach Polen.

Nicht zuletzt thematisiert "Das Erbe" auf ironische Weise sein eigenes Medium, denn Maki lernt in Warschau den Zeichner Tomasz kennen, mit dem sie sich einlässt, bis sie entdeckt, dass der junge Pole ihre Erzählungen über die Familie Segal als Comic festhält. Nicht Maki, sondern dieser Tomasz ist das Alter Ego von Rutu Modan, die immer wieder betont hat, wie glücklich sie sei, dass ihre Familie keine Comics liest und so die vielen autobiographischen Elemente in den Geschichten nicht bemerkt. Mit dem zunehmenden Ruhm der Zeichnerin wird sich das wohl ändern.

ANDREAS PLATTHAUS

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Hellauf begeistert ist Christian Schlüter von Rutu Modans Comic, in dem die junge Israelin Mika mit ihrer Großmutter nach Warschau reist, um dort die Geschichte, ein geerbtes Haus und eine alte Liebe wiederzufinden. Experimentiertfreudig und "ästhetisch klug" findet Schlüter, wie sich Modan hier ihrem Thema nähert, denn obwohl es um den Holocaust und seine Aufarbeitung geht, konnte Schlüter auch herzlich lachen bei der Lektüre. Denn fern aller Betroffenheit befasst sich hier eine in der Comic-Kunst versierte Autorin auch Liebe und Eifersucht, Habgier und Großmut, kurz mit den ganzen Unzulänglichkeiten des Menschen und seiner Familie.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Die Comics [...] entfalten vor dem Hintergrund des Nahostkonflikts fast beiläufig eine enorme Sogwirkung." Andreas Kanatschnig Kleine Zeitung 20211014