"Ob wir in diesen Zeiten überhaupt noch flirten können?" ist eine im Zuge der #MeToo-Debatte häufig gestellte Frage. Dabei werden Feminist_innen, die behaupten, auch vermeintlich "unschuldiges" Flirten könne schnell Grenzen überschreiten, sowohl von Antifeminist_innen als auch weiten Teilen eines sich als liberal definierenden Spektrums gerne als lustfeindliche Spielverderber_innen verpönt. Vorrangig Männer wiederum scheinen zu befürchten, dass ein unerwünschtes Kompliment, ein anzüglicher Blick oder eine Berührung zur falschen Zeit am falschen Ort nunmehr als Übergriffigkeit gelten könnten.…mehr
"Ob wir in diesen Zeiten überhaupt noch flirten können?" ist eine im Zuge der #MeToo-Debatte häufig gestellte Frage. Dabei werden Feminist_innen, die behaupten, auch vermeintlich "unschuldiges" Flirten könne schnell Grenzen überschreiten, sowohl von Antifeminist_innen als auch weiten Teilen eines sich als liberal definierenden Spektrums gerne als lustfeindliche Spielverderber_innen verpönt. Vorrangig Männer wiederum scheinen zu befürchten, dass ein unerwünschtes Kompliment, ein anzüglicher Blick oder eine Berührung zur falschen Zeit am falschen Ort nunmehr als Übergriffigkeit gelten könnten. Die teilweise polemisch geführte Debatte wirft Fragen nach dem Verhältnis zwischen Flirt und Grenzüberschreitung auf und bedarf daher einer Klärung. Da es sich beim Flirten nachweislich um eine doppeldeutige Interaktionsform handelt, bei der Begehren lediglich angedeutet, nicht aber klar kommuniziert wird, ist ein sexueller Konsens oft nicht ohne Weiteres herstellbar. Ausgehend von der theoretisch fundierten Annahme, dass Praktiken des Flirtens stets in heteronormative wie patriarchale Machtstrukturen eingebettet sind, wird das Finden eines sensiblen Umgangs damit, ohne jedoch den für das Flirten so bezeichnenden Sinn für das Spiel der Ambivalenzen und Uneindeutigkeiten zu verlieren, schließlich zur Herausforderung. Ganz konkrete Praktiken des Flirtens von sechs Personen aus der queeren und/oder feministischen Szene Münchens in den Blick nehmend, spürt Anna Klaß in ihrer Studie folglich den Möglichkeiten wie Hürden alternativer Formen des Flirtens nach. Wie und inwieweit brechen die Protagonist_innen mit heteropatriarchalen Skripten und Erwartungen? Welche Widersprüche tun sich dabei auf? Was sind in ihren Augen die Voraussetzungen für ein konsensuales, machtsensibles und angenehmes Flirten? Und wie werden die jeweiligen Grenzen erkannt, kommuniziert und praktisch ausgehandelt?
Anna Klaß, M.A., studierte Empirische Kulturwissenschaft und Europäische Ethnologie, Italianistik und Sprache, Literatur, Kultur an der Ludwig-Maximilians-Universität München, der Università di Bologna und der Universität Wien. Im Rahmen eines Lernforschungsprojekts zu lokalen feministischen Bewegungen in München setzte sie sich 2020 und 2021 mit dem Thema Pro-Choice-Aktivismus auseinander. Studienbegleitend arbeitete sie im Sekretariat der Italianistik, als Tutorin am Institut für Romanistik sowie am Institut für Empirische Kulturwissenschaft und Europäische Ethnologie und unterstützte im Rahmen ihrer Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft das DFG-Forschungsprojekt "Vertrauensarbeit in der Finanzökonomie". Ihre Interessensschwerpunkte sind Queer und Gender Studies, Protest- und Bewegungsforschung, Emotionsanthropologie und Theorien sozialer Ungleichheit. 2024 erscheint bei Kulturanthropologie Notizen ein Sammelband zur Bedeutung von Klasse im ethnographischen Forschungsprozess, welchen sie gemeinsam mit Felix Gaillinger herausgibt. In ihrer Tätigkeit als politische Bildnerin und Pädagogin bei einem Münchner Bildungskollektiv beschäftigt sie sich derzeit mit Fragen von (Anti-)Diskriminierung sowie Demokratie und Teilhabe und ihrer pädagogischen Vermittlung.
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