Erzählen ist eine anthropologische Universalie - seine Kultivierung aber lässt sich nur verstehen, wenn man sie als Mediengeschichte begreift.Menschen sind bewusste Wesen und damit genötigt, sich zu ihrem Leben zu verhalten: Sie führen es in einem zukunftsoffenen Horizont, sie formen und deuten es im Rückblick der Erinnerung. Das Erzählen verschränkt diese beiden Perspektiven zum Sinngebilde einer Geschichte. Der Ort, an dem dies normalerweise geschieht, ist das Gespräch. Der »homo narrans« ist ein redendes, kein schreibendes Tier.Das versteht sich bis ins 18. Jahrhundert von selbst. Erst in dieser Umbruchphase der europäischen Kulturgeschichte tritt das Buch in Konkurrenz zur geselligen Unterhaltung. Im Kontext einer mediengestützten Erlebniskultur wird es zum großen Faszinosum, sich aus der Interaktion zurückzuziehen, um fiktiven Wesen in der Imagination nahe zu sein und an ihrem Glück und Leid Anteil zu nehmen.Die einzelnen Studien des Bandes entwerfen eine Anthropologie des Erzählens und verfolgen seine strukturelle Verschriftlichung vom 17. bis zum 19. Jahrhundert. Sie behandeln u.a. die Geschichte des kurzweiligen Erzählens, die Medientheorie des Romans, die Entdeckung des narrativen Schreibens im Kontext der Briefkultur, die Novellistik und Romankunst des poetischen Realismus.
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