Während eines flirrenden Sommers in den Stockholmer Schären kommtes zu einer Romanze zwischen Lydia Stille und dem angehenden Lehrer Arvid Stjärnblom. Arvid befürchtet, nicht reif für eine Ehe zu sein, ganz abgesehen davon, dass er von seinem Gehalt noch keine Familie versorgen könnte, doch Lydia glaubt an ihn und ist bereit zu warten. Erst als es schon zu spät ist, fragt er Lydia, ob sie seine Geliebte werden will. Ihr fehlt der Mut zum Bruch mit den bürgerlichen Konventionen, und sie verlobt sich stattdessen mit einem Mann, der ihr finanzielle Sicherheit bieten kann. Zehn Jahre später, auch Arvid hat längst eine Familie gegründet, begegnet ihm Lydia wieder.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.08.2008Leidig Poetentum
Das ist der Zauber: ein flüchtiger, von Licht durchfluteter Augenblick weit draußen in den Schären. Und eine sternenklare Nacht. Doch Arvid lässt die Gelegenheit verstreichen. Er wagt es nicht, sich schon jetzt, als blutjunger Mann, auf eine solche Frau und solche Liebe einzulassen. Dazu Lydias Hingabe: "Ich kann warten." Der erfahrene Leser ahnt: Das kann nicht mehr gutgehen. Schon weil auch Lydia Geborgenheit und ein Heim sucht, erotische Bedürfnisse hat. Und weil es Hjalmar Söderberg ist, der diesen schnörkellosen, in seiner Qualität recht wechselhaften Roman im Todesjahr Strindbergs veröffentlichte: ein Autor des Fin de Siècle, der bürgerlich verstockten Zeitgenossen spätestens seit seinem "Doktor Glas" als unmoralisch galt und sich zunehmend vom literarischen wie tatsächlichen Leben entfremdete. Es ist dies gewissermaßen ein illusionsloses, an Stockholms keusche Gesellschaft gerichtetes Postskriptum zu Söderbergs Debüt "Verirrungen". Der Abschied gilt gleichermaßen der Belletristik wie dem Glauben an die Liebe. Die beiden Helden werden sich wiedersehen, zu lieben versuchen. Sie wird mutiger, vielleicht freier sein als er. Und das wird es gewesen sein. Ein fast grausam stilles Buch. Denn der Glaube an das Unbeschwerte, an das Glück und sich selbst: all das ist für Arvid längst vorüber. "Wenn du kein Dichter sein willst. Was wärst du eigentlich dann am liebsten?", fragt ihn Lydia schließlich. Und Arvid, Söderbergs Alter Ego, antwortet: "Ich wäre gern die ,Weltseele'. Wäre gern der, welcher alles weiß und alles versteht." Da kann man wohl wirklich nichts machen. Wir sind untröstlich. (Hjalmar Söderberg: "Das ernsthafte Spiel". Roman. Aus dem Schwedischen übersetzt von Verena Reichel. Piper Verlag, München 2007. 297 S., geb., 18,- [Euro].) math
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das ist der Zauber: ein flüchtiger, von Licht durchfluteter Augenblick weit draußen in den Schären. Und eine sternenklare Nacht. Doch Arvid lässt die Gelegenheit verstreichen. Er wagt es nicht, sich schon jetzt, als blutjunger Mann, auf eine solche Frau und solche Liebe einzulassen. Dazu Lydias Hingabe: "Ich kann warten." Der erfahrene Leser ahnt: Das kann nicht mehr gutgehen. Schon weil auch Lydia Geborgenheit und ein Heim sucht, erotische Bedürfnisse hat. Und weil es Hjalmar Söderberg ist, der diesen schnörkellosen, in seiner Qualität recht wechselhaften Roman im Todesjahr Strindbergs veröffentlichte: ein Autor des Fin de Siècle, der bürgerlich verstockten Zeitgenossen spätestens seit seinem "Doktor Glas" als unmoralisch galt und sich zunehmend vom literarischen wie tatsächlichen Leben entfremdete. Es ist dies gewissermaßen ein illusionsloses, an Stockholms keusche Gesellschaft gerichtetes Postskriptum zu Söderbergs Debüt "Verirrungen". Der Abschied gilt gleichermaßen der Belletristik wie dem Glauben an die Liebe. Die beiden Helden werden sich wiedersehen, zu lieben versuchen. Sie wird mutiger, vielleicht freier sein als er. Und das wird es gewesen sein. Ein fast grausam stilles Buch. Denn der Glaube an das Unbeschwerte, an das Glück und sich selbst: all das ist für Arvid längst vorüber. "Wenn du kein Dichter sein willst. Was wärst du eigentlich dann am liebsten?", fragt ihn Lydia schließlich. Und Arvid, Söderbergs Alter Ego, antwortet: "Ich wäre gern die ,Weltseele'. Wäre gern der, welcher alles weiß und alles versteht." Da kann man wohl wirklich nichts machen. Wir sind untröstlich. (Hjalmar Söderberg: "Das ernsthafte Spiel". Roman. Aus dem Schwedischen übersetzt von Verena Reichel. Piper Verlag, München 2007. 297 S., geb., 18,- [Euro].) math
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Um die Jahrhundertwende entstanden einige Romane, in denen eine gesellschaftlich verbotene Liebe zwar im Mittelpunkt steht, dann aber nicht in einem dramatischen Ehebruch endet, sondern leise versickert, informiert Hannelore Schlaffer. Den Protagonisten dieser Richtung, Eduard von Keyserling, Herman Bang und Gabriela Zapolska rechnet Hannelore Schlaffer eben auch den schwedischen Schriftsteller Hjalmar Söderberg zu. Lydia und Arvid verlieben sich, heiraten aber jeweils einen anderen, um sich erst später zur gegenseitigen Liebe zu bekennen. Sie kommen aber nie zusammen sondern fügen sich schließlich erschöpft in die Verhältnisse. Sehr modern findet Schlaffer das, und auch "ästhetisch reizvoller" als die laute Ehebruch-Variante. Bei der ganzen Subtilität müsse der Leser aber einiges historisches Verständnis mitbringen. Die Zweifel und Unsicherheit der Figuren, sich zu ihrer Leidenschaft zu bekennen, erscheine nur heute antiquiert, verhandelte damals aber in "revolutionärer" Weise hochaktuelle Themen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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