Marktplatzangebote
12 Angebote ab € 2,10 €
  • Gebundenes Buch

Ein furchtbar hässlicher Hund erzählt, wie zwei junge Mädchen aus Liebe zu Mörderinnen werden. Ein frecher, temporeicher, magischer Roman - Thelma und Louise auf Argentinisch!

Andere Kunden interessierten sich auch für
Produktbeschreibung
Ein furchtbar hässlicher Hund erzählt, wie zwei junge Mädchen aus Liebe zu Mörderinnen werden. Ein frecher, temporeicher, magischer Roman - Thelma und Louise auf Argentinisch!
Autorenporträt
Lucía Puenzo wurde 1976 in Buenos Aires geboren. Zur Zeit arbeitet sie gleichzeitig an ihrem vierten Roman und zweiten Kinofilm. Ihr Debüt als Regisseurin gab sie 2007
mit XXY, der im selben Jahr beim Filmfestival in Cannes mit dem Grand Prix de la Semaine de la Critique und in Madrid mit dem Goya für den besten nichtspanischen Film ausgezeichnet wurde.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.09.2009

Hoffnungen eines Hundes

Viel Fisch, viel Fleisch: Das rasante literarische Debüt der argentinischen Filmemacherin Lucía Puenzo ist ein wilder Genre-Mix aus Teenager-Tragödie und Thriller.

Das Paradies ist nur eine Busreise entfernt. Eine Überlandfahrt zusammen mit illegalen Bauarbeitern, Nachtwächtern, Hausangestellten und Prostituierten. Es ist kein Land, in dem die Zitronen blühen. Als Kind der argentinischen Oberschicht verbindet Lala nichts mit Paraguay, seiner indigenen Sprache, dem von Legenden umwobenen Ypacaraí-See unweit von Asunción. Und doch ist das ihr Sehnsuchtsort, ihr Zuhause, die Heimat ihrer wahren Familie. Von der biologischen nämlich will sie nichts wissen: nichts von ihrer Mutter, die sich mehr für Sai Baba begeistert als für ihre Kinder. Nichts vom depressiven, stets selbstmordgefährdeten Vater, dem Bestsellerautor mit dem karikaturesken Namen Brontë. Nichts von ihrem Bruder, dem Drogenhändler. Und vor allem nichts von ihrem Reichen-Getto im Norden der Stadt, ihren standesgemäßen, dabei aber unerträglich bornierten Altersgenossen. Lalas einzige Liebe gilt ihrem Hund Serafín - und vor allem der "Guayi", wie die paraguayische Haushälterin von allen genannt wird.

Dass sich zwischen den beiden Mädchen bald eine ebenso leidenschaftliche und zärtliche wie besitzergreifende Liebesbeziehung entwickelt, scheint niemanden recht zu stören - aus Desinteresse eher denn aus liberaler Überzeugung. Umgekehrt dagegen bricht für Lala eine Welt zusammen, als sie entdeckt, dass ihr Vater die Dienste seiner Domestikin auch im Bett in Anspruch nimmt. Ohne irgendeinen Anflug von Mitleid oder Gewissensbiss bringt sie Brontë mit einer vergifteten Milch um die Ecke. So ist das letzte Hindernis beseitigt, sich mit der "Guayi" auf die Flucht an deren heimischen See in Paraguay zu machen, mit Brontës Geld dort ein Haus zu kaufen, ein Liebesnest für die Ewigkeit. So kann Lala auch "Guayis" Kind nahe sein, das dort vor Jahren zur Welt kam und, fürs Leben unter den Menschen zu zerbrechlich, nun verirrte Schwimmer auf den Seegrund lockt. Denn nach der Geburt verwandelte es sich in ein Wasserwesen - in "Das Fischkind", das diesem rasanten, rebellischen Romandebüt den Titel gibt.

Die besessene Liebe, wusste schon Abbé Prévosts Held Des Grieux aus "Manon Lescaut" herzuleiten, ist mehr wert als das ewige Leben. Sie ist ein Freibrief für jede nonkonformistische Handlung. Dass Lucía Puenzo in ihrer Geschichte einer amour fou jeglichem Moralisieren und Psychologisieren ganz ohne solche provokanten Thesen eine nonchalante Absage erteilt; dass sie dabei die homosexuelle Beziehung der beiden Mädchen nicht zum Thema oder Konflikt macht, sondern zum ganz selbstverständlichen, fast beiläufigen Handlungselement, verleiht ihrem Erzählen großen Charme. Zugleich erklärt sich diese Haltung aber auch aus der im wahrsten Sinne räudigen Erzählperspektive, die allerdings für den Leser sehr wohl eine bizarre Provokation darstellt.

Geschildert nämlich werden Liebe und Flucht des Pärchens nicht etwa aus der Perspektive einer der beiden - sondern aus der des fiesen, hässlichen, schwarzen Köters Serafín. Und der macht als zynischer Kommentator der Handlung nicht nur dem griechischen kynos alle Ehre. Er täte vor allem nichts lieber, als sein Frauchen ebenfalls einmal zu vernaschen.

Von einem hormongebeutelten Hund sind Einblicke in die Finessen der menschlichen Psyche, in ethische Normen und gesellschaftliche Konventionen kaum zu erwarten. Geführt von einem solch pikaresken Erzähler, bricht der Roman jeden Sozialrealismus und springt auch unversehens zwischen den Literaturgenres. Als der Fluchttraum der Mädchen scheitert und der gesellschaftlichen Wirklichkeit weicht, die Ausländerin als Sündenbock für einen Mord herhalten muss, an dem sie nie beteiligt war, wechselt die Handlung unversehens von der Teenager-Tragödie zu einem Thriller über die Korruptionsabgründe von Staat und Justiz in Argentinien - und kulminiert schließlich in einem Gangsterstück voll von Blut, Schüssen und schwarzem Humor: ein disparater Mix, den wiederzugeben der lebendigen Übersetzung von Rike Bolte trefflich gelingt.

Dreiundzwanzig Jahre alt war die Autorin, als sie "Das Fischkind" schrieb. Seitdem sind zwölf Jahre und drei weitere Romane ins Land gegangen, vor allem aber auch eine Karriere als Filmregisseurin, die Lucía Puenzo durch ihren aufsehenerregenden Erstling "XXY" quasi über Nacht weltweit bekannt machte als die große neue Hoffnung des argentinischen Kinos. Ein Ereignis, das für jeden Theoretiker von Literaturverfilmungen ebenso faszinierend wie verstörend sein muss, bildet dabei ohne Zweifel die soeben fertiggestellte filmische Adaption des Romans durch die Autorin selbst, der vor kurzem bei der Berlinale seine Uraufführung erlebte. Denn Lucía Puenzo versagt ihrem eigenen Buch jegliche Werktreue und schlägt dazu noch all den Kritikern und Philologen ein Schnippchen, die "Das Fischkind" als Beispiel einer "filmischen" Art zu schreiben vorführen.

Im Film nämlich wirft sie gekonnt alles über Bord, was am Buch im konventionellen Sinne kinohaft ist, bricht die lineare Erzählung durch eine komplexe Verschachtelung von Zeitebenen, raubt sich selbst den Räuberpistolen-Showdown - und daneben dem Hund Serafín seine diktatorische Macht als Erzähler, ja, degradiert ihn zur Nebenfigur. Kurz: Sie umschifft mit untrüglicher Stilsicherheit und ästhetischer Brillanz sämtliche Klippen, mit denen der Text immer wieder aufwartet - und macht dadurch als Filmregisseurin auch Schwächen ihres eigenen Werks als Schriftstellerin offensichtlich, das paradoxerweise gerade durch seine unkonventionellen Effekte zuweilen ins Holzschnittartige abzugleiten droht.

Bei alldem gelingt Lucía Puenzo bereits in ihrem literarischen Frühwerk die Leistung, zunächst scheinbare Klischees zu entwickeln, sie dann aber in subtiler Weise zu brechen und umzudeuten. So etwa wird der in der Tradition des magischen Realismus entsponnene Mythos vom "Fischkind" am Schluss mit einem Handstreich von der "Guayi" selbst demontiert - als phantastische Schutzbehauptung, die dazu dienen sollte, eine Kindstötung zu verbergen. Gerade in der Vielschichtigkeit dieser Figur, die alle exotischen Wunschprojektionen von Lala und ihrer Familie in sich vereint und zugleich in ernüchternder und fast banaler Weise unterläuft, beweist Lucía Puenzo ein ungewöhnliches künstlerisches Talent, von dem noch viel zu erwarten ist.

FLORIAN BORCHMEYER

Lucía Puenzo: "Das Fischkind". Roman. Aus dem Spanischen von Rike Bolte. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2009. 156 S., geb., 16,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Nicht erst ihr Romandebüt "Das Fischkind" überzeugt Katharina Buess von Lucia Puenzos szenischem Erzähltalent, ist sie doch bereits als Filmregisseurin bekannt geworden. Ihr im spanischen Original schon vor fünf Jahren erschienener Roman erzählt von der aus Argentiniens Oberschicht stammenden Lala, die sich in das paraguayische Dienstmädchen verliebt und sich mit ihr auf eine dramatische Flucht begibt, nachdem sie ihren Vater vergiftet hat, der ihre Geliebte missbraucht hatte, fasst die Rezensentin das dramatische Geschehen zusammen. Der erzählerische Kniff, die Geschichte aus der Perspektive von Lalas Hund berichten zu lassen, sorgt zwar für manche komische oder absurde Passage, auf die Dauer findet Buess das allerdings etwas ermüdend, zumal die Identifikation mit den Hauptfiguren so nicht befördert wird, wie sie moniert. Immerhin, am Ende bleiben keine Fragen offen, und so findet es die Rezensentin trotz ihrer Einwände lohnenswert, diesen rasanten Roman bis zum Ende zu lesen.

© Perlentaucher Medien GmbH