Seit vor drei Jahren sein achtjähriger Sohn gestorben ist, ist das Leben für Paul Leibovitz nicht mehr lebenswert. Seine Ehe scheiterte an diesem Schicksalsschlag und Paul zog sich daraufhin mit seiner Trauer in die Einsamkeit einer kleinen Insel vor Hongkong zurück. Seine Erinnerung an Justin
sollte nicht durch Kontakt mit anderen Menschen zerstört werden. Auch seinem Freund David Zhang und…mehrSeit vor drei Jahren sein achtjähriger Sohn gestorben ist, ist das Leben für Paul Leibovitz nicht mehr lebenswert. Seine Ehe scheiterte an diesem Schicksalsschlag und Paul zog sich daraufhin mit seiner Trauer in die Einsamkeit einer kleinen Insel vor Hongkong zurück. Seine Erinnerung an Justin sollte nicht durch Kontakt mit anderen Menschen zerstört werden. Auch seinem Freund David Zhang und Freundin Christine Wu, die Paul aufrichtig liebt, gelang es nicht, ihn aus seiner selbst gewählten Isolation zu befreien. Dies änderte sich erst als er dem amerikanischen Ehepaar Owen begegnet, deren Sohn ermordet wurde. Zunächst nur widerstrebend ist er bereit seinem Freund Zhang, der bei der Mordkommission arbeitet, als verdeckter Ermittler bei der Aufklärung des Falles behilflich zu sein – und ganz allmählich kann er sich wieder dem Leben zuwenden …
„Das Flüstern der Schatten“ erschien 2007 und ist der erste Band einer China-Trilogie des 1960 in Hamburg geborenen Autors Jan-Philipp Sendker, der von 1995 bis 1999 Asienkorrespondent des Magazins Stern war. Dabei hatte er Gelegenheit China und die chinesische Mentalität kennen zu lernen und fundierte Informationen über Land und Leute zu erwerben. Die weiteren Bände sind „Drachenspiele“ (2009) und „Am anderen Ende der Nacht (2016). Sendker lebt heute mit seiner Familie in Potsdam.
Das moderne China als aufstrebende Wirtschaftsgroßmacht ist eines der Grundthemen des Romans, der im heutigen Hongkong und der angrenzenden chinesischen Provinz Guangdong spielt (Karten von Hongkong und China sind zur Orientierung im Buch abgedruckt). Ein weiteres großes Thema ist Vergangenheitsbewältigung. Rückblenden zur Zeit der Kulturrevolution zeigen, dass die damaligen Gräueltaten lange Schatten werfen und noch bis heute ihre Auswirkungen haben. Ein spannender Kriminalfall, Intrigen, Korruption und Ausbeutung sowie eine leidvolle Liebesgeschichte sind weitere relevante Erzählstränge, die in diesem Roman gefühlvoll und empfindsam verwoben sind.
Der Schreibstil ist überaus fesselnd und von beeindruckender Intensität. Die einzelnen Charaktere sind sehr differenziert und gut heraus gearbeitet. Szenen, Beziehungen und Landschaften sind atmosphärisch treffend erfasst ohne zu langweilen oder in Sentimentalität zu verfallen. Das pulsierende Hongkong erwacht förmlich zum Leben und macht die Geschichte sehr lebendig. Es geht um Vertrauen, um die Macht der Liebe, um Schicksale einzelnen Menschen und ebenso um die Entwicklung und die Probleme eines ganzen Landes.
Fazit: Ein wunderbares Buch, eine spannende Kombination aus Kriminalroman, dezenter Liebesgeschichte und Reportage über die wirtschaftliche Entwicklung Chinas – sehr empfehlenswert.