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Die Villa Rosen, ein neoklassizistisches Landhaus, wird 1909 von dem später zu Weltruhm gelangenden Architekten Max Taubert für einen Professor Adam Rosen und seine Frau Elsa entworfen. Als Frieder und Hannah Lekebusch Mitte der Neunzigerjahre das leer stehende Haus am Rande des Berliner Grunewalds entdecken, erliegen sie seinem verwunschenen Charme. In einer aufwendigen Restaurierung stellen die Lekebuschs den Originalzustand des Hauses wieder her, und schnell wird die neu erstrahlende Dahlemer Villa als »Kleinod der Vormoderne« zum Pilgerort für Taubert-Fans, Künstler und einflussreiche…mehr

Produktbeschreibung
Die Villa Rosen, ein neoklassizistisches Landhaus, wird 1909 von dem später zu Weltruhm gelangenden Architekten Max Taubert für einen Professor Adam Rosen und seine Frau Elsa entworfen. Als Frieder und Hannah Lekebusch Mitte der Neunzigerjahre das leer stehende Haus am Rande des Berliner Grunewalds entdecken, erliegen sie seinem verwunschenen Charme. In einer aufwendigen Restaurierung stellen die Lekebuschs den Originalzustand des Hauses wieder her, und schnell wird die neu erstrahlende Dahlemer Villa als »Kleinod der Vormoderne« zum Pilgerort für Taubert-Fans, Künstler und einflussreiche Journalisten. Und - wie schon in der Weimarer Republik und zur NS-Zeit - zum Spielball der Interessen. Sie wollten den alten Geist des Hauses wiedererwecken, doch mit den Auswirkungen des Ruhms und dem langen Schatten der Vergangenheit haben die Lekebuschs nicht gerechnet.Kunst, Moral, privates Glück und Politik: 'Das Gartenzimmer' spannt einen Bogen von der Aufbruchsstimmung zu Beginn des 20. Jahrhunderts über die Weimarer Republik und die Herrschaft der Nationalsozialisten bis in die Gegenwart. Andreas Schäfer erzählt klug, feinfühlig und fesselnd vom Schicksal eines Hauses in Berlin-Dahlem und dem Leben derer, die sich seiner sirenenhaften Wirkung nicht entziehen können.»Als Leser ziehe ich ein in dieses besondere Haus, das Andreas Schäfer in diesem Buch erbaut. Am Ende möchte ich es nicht verlassen.« David Wagner»Andreas Schäfer ist der Meister des Subtilen. Er variiert, bis wir merken, dass wir uns längst mit etwas beschäftigen, das über den Raum des Romans hinausweist: mitten hinein ins Leben.« WDR 5
Autorenporträt
Andreas Schäfer, 1969 in Hamburg geboren, wuchs in Frankfurt/Main auf und lebt heute als Schriftsteller und Journalist mit seiner Familie in Berlin. Bisher veröffentlichte er die Romane ¿Auf dem Weg nach Messarä, wofür er u. a. den Bremer Literaturförderpreis erhielt, ¿Wir vier¿ (DuMont 2010), der für den Deutschen Buchpreis nominiert war und mit dem Anna-Seghers-Preis ausgezeichnet wurde, und zuletzt ¿Gesichter¿ (DuMont 2013). http://andreasschaefer.berlin
Rezensionen
Rezensent Gerhard Matzig ist ganz verliebt in Andreas Schäfers Roman, genauer: in das Haus, die Villa Rosen/Riehl, die Hauptfigur im Buch. So sehr, dass er am Ende der Geschichte des Hauses und seiner Bewohner zwischen Krieg, Schicksalen, Ehekrisen sehr traurig Abschied nimmt. Wie Schäfer den Text gestaltet, detailgenau, ohne Nebensächlichkeiten, sprachmächtig und rhythmisch durch die Zeiten führend, das erscheint Matzig wie das Stein-auf-Stein eines guten Bauwerks. Für Architekturinteressierte bietet Schäfer zudem anregende Rätsel, von denen Matzig allerdings mindestens zwei schon verrät.

© Perlentaucher Medien GmbH

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Eine Villa unweit des Wannsees ist der Schauplatz dieses Romans, der abwechselnd von ihren Bewohnern in der Weimarer Republik und denen nach der Jahrtausendwende erzählt, so Rezensentin Cornelia Geißler. Nach und nach komme man den Figuren näher und lernt ihre Prägung durch ihre jeweilige Zeit kennen, was Geißler sowohl anregend als auch unterhaltsam findet. So, wie das Haus die Zeiten verbindet, so schafft es der Autor mit diesem Roman, die Vergangenheit greifbar zu machen, schließt die Kritikerin.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.07.2020

LITERATUR
Das Buch, in dem
man wohnen will
Andreas Schäfers Roman „Das Gartenzimmer“ spielt
in einem unheimlich schönen Haus. Wo steht es?
VON GERHARD MATZIG
Wer sich auf der letzten Seite nicht graust vor diesem Ort des Bösen, in dem die mit botanischer Leidenschaft gläserweise gesammelten Augen toter Kinder die Buchregale füllen, hat kein Herz. Es ist die Zeit des Rasse-Irrsinns, die NS-Zeit. Die Regale des Terrors beheimaten, nur ein Stockwerk über der bestialischen Kinderaugensammlung in der alten Villa, auch die Werke der Philosophie – als Blaupausen einer besseren Welt. Und wer sich bis dahin, bis zum Ende des Romans, der von der Weimarer Zeit über die tausend Jahre der Nationalsozialisten in die Gegenwart ragt und dieses bipolar gestörte Jahrhundert durch die Verortung in einem Landhaus anschaulich werden lässt, noch nicht verliebt hat in die Villa als Hort der Schönheit, der ist ohne jeden Verstand.
Der hat keinen Sinn für den Garten der Robinie und die Terrassenbeete voller Anemonen und Narzissen, für Loggia, Stützmauer, Giebelfront und das Walmdach, das wie ein eingelöstes Versprechen wirkt. Der ahnt auch nicht, warum sich Menschen verlieben können in eine Dingwelt als Archiv der Träume und als Habitat des Seins – und in den honiggelben Handlauf eines Treppengeländers, der all das birgt, was hier je Halt gesucht hat.
Manchmal ist man melancholisch gestimmt in diesem Roman eines Hauses, das viel mehr verborgene Zimmer als gedacht und viel mehr geheime Flure als geplant zu haben scheint; das bisweilen an ein sentimentalisches Gedicht von Doderer erinnert („viel ist hingesunken uns zur Trauer“) und einen zugleich aufspringen lässt vor euphorisierender Zukunftslust. An einem Ort, der Erwartung und Erinnerung in einem ist, ist es auf einer der letzten Seiten in diesem fulminanten Roman das Haus selbst, das spricht. Einmal mehr soll es, gelegen am Rande des Grunewalds in Berlin, verkauft werden: „Denkmalgeschütztes Kleinod der Vormoderne. 280 Quadratmeter, 8 Zimmer. Baujahr 1909.“
Der Roman ist an dieser Stelle an sein Ende gelangt und man nimmt traurig, befreit und verwirrt, aber niemals teilnahmslos Abschied von seinem präzise gesetzten und eindrücklichen Figurenwerk. Ein Werk ist das, in dem es keine Details gibt, keine Nebenfiguren oder Handlungsverästlungen, die ohne Sinnzusammenhang bleiben. Schon als Raumkomposition ist dieser Roman überzeugend. Als Sprachraum zeugt er von enormer Könnerschaft. Wie im Sog des Geschichtlichen entwickeln sich die Protagonisten in ihrer je eigenen Zeitschicht. Die Erzählung, in der sich Rückblenden an den Beginn des 20. Jahrhunderts und eine Gegenwart an dessen Ende sprunghaft abwechseln, ohne je aus dem Rhythmus zu geraten, springt souverän und trittsicher von Zeit zu Zeit.
Die Figuren bleiben so sehr bei sich, dass man ihnen auch dann gern folgt, wenn sie ambivalent erscheinen. Oder eben weil sie es sind. Das Buch ist geschichtet wie ein gutes Bauwerk. Es verfügt über handwerkliche Genauigkeit und Kunstsinn. In der Baukunst fügen sich zwei Backsteine zu Architektur, wenn sie mehr sein wollen als nur zwei Backsteine. Das gilt für dieses Buch ebenso. Es gilt für Orte, Menschen und ihre Begegnungen, die mehr sind als nur das. Wäre das Buch ein Bauwerk, man wollte darin leben. Obwohl oder gerade weil man ahnt, dass wir in Häusern etwas festhalten wollen, „was nicht festzuhalten ist“.
Was festzuhalten ist: Die „Villa Rosen“, Hauptschauplatz des Buches, ist „ein neoklassizistisches Landhaus“. Entworfen für den Philosophieprofessor Adam Rosen und seine Frau Elsa. Max Taubert heißt der junge Architekt, der kaum zwanzig Jahre alt sein Erstlingswerk in einer Villenkolonie realisiert. Wer sich hinter diesem Taubert verbirgt, der die Gier eines jungen Wildschweins, die Empathie eines Backsteins und die Kunstbesessenheit eines späteren Genies in sich vereinigt, gehört abseits des literarischen Vergnügens zu den bauhistorisch anregenden Rätseln.
Zuvor aber folgt den Rosens ein Jahrhundert später die Familie Lekebusch, die das Anwesen erwirbt. Jetzt ist man in der Gegenwart. Zwischenzeitlich wurde die Villa vom Krieg heimgesucht und umgenutzt. Als Erstlingswerk des später weltberühmten Architekten wird es zum Denkmal. Frieder Lekebusch, der ein Vermögen mit Generika, also mit billig hergestellten und massenweise vertriebenen Arzneimittelkopien gemacht hat, ist bereit, für ein „Original“ in seinem Leben ein Vermögen in die denkmalgerechte Sanierung zu stecken. Auch seiner Frau zuliebe. Hannah war einmal Zahntechnikern – und wird zur kunstbeflissenen Hüterin eines Pilgerorts für andächtig in der Halle verharrende Taubert-Fans. Sie verwandelt das Haus in eine museale Schönheit, die zur lebensfeindlichen Maschinerie der Perfektion gerät. Menschen werden darin zu störenden Möbeln. Oder zu Kinderaugen rassehygienischer Labore. Man ahnt, dass die Ehe von Frieder, dem kopistischen Originalsinnsuchenden, und Hannah, der am Original scheiternden Kopistin, an der schwebend rätselhaften Villa Rosen scheitern muss. In einer Plattenbauwohnung hätte die Liebe womöglich überlebt. Erzählt wird nicht nur von einem oft kriegerischen Jahrhundert, sondern auch von Lieben darin, die nicht lieblich, sondern kriegerisch sind.
Spätestens dann, wenn der so gern die Bauherrinnen beschlafende Architekt, der keinen richtigen Abschluss hat und politisch zwischen NS-Anbiederung und Flucht ins Exil für alles zu haben ist, was opportun erscheint, die Möbel am liebsten festschrauben möchte, damit das Leben nicht der Idee davon in die Quere kommt, ahnt man, wer dieser Max Taubert sein muss. Es ist Ludwig Mies van der Rohe, der eigentlich Ludwig Mies heißt. Aber er hat wie so viele fantastische Raumschöpfungen, allesamt verehrungswürdig, auch die eigene Biografie nach dem Bedarf der Verehrungswürdigkeit und Fantastik umgestaltet. Den Namen Rohe hat er von der Mutter, das „van der“ ist eine freie Erfindung. Der Begriff „neoklassizistisch“ in der Beschreibung der Villa im Klappentext ist übrigens eine falsche Spur. Zusammen mit dem Buchcover. Denn die Villa Rosen kann nur das erste Auftragswerk aus dem Jahr 1907 des damals 21-jährigen Mies van der Rohe sein. Auftraggeber war für ein eben nicht neoklassizistisches, sondern der viel interessanteren Reformarchitektur zugehöriges (also zwischen Tradition und Moderne vermittelndes) Haus der Philosoph und Neukantianer Alois Riehl. Alois Riehl, A. R., ist Adam Rosen. Hieß die Villa der Riehls bald liebevoll „Klösterchen“, so wird im Roman daraus das „Hüttchen“. Und während die echte Villa in Babelsberg steht und zu DDR-Zeiten vor der Renovierung im Jahr 2000 der Hochschule für Film und Fernsehen diente, ist das Hüttchen dazu ausersehen, der Freien Universität als Fotolabor am Grunewald zu dienen. Das Raumprogramm, die topologische Lage am Hang, die Charakterisierung des Max Taubert: Man kann sich getrost festlegen – die Villa Rosen ist das Haus Riehl. Für die Leserinnen und Leser spielt das keine Rolle, für Taubert-Mies-Jünger schon. Entscheidend ist das Haus als Transitstätte zwischen Zeitläuften und Schicksalen. Und als Raumwerdung des Unsagbaren.
In der Literaturgeschichte sind Häuser oft Schauplätze. Das gilt für das Rosenhaus bei Adalbert Stifter über Theodor Fontanes plantanenumstandenes Elternhaus der Effi Briest bis zum Oderbruch-Habitat in Judith Hermanns Buch „Sommerhaus, später“. Das Haus ist ein schillernder Gegenspieler des Unterwegsseins. Immobilien sind artifizielle Antipoden der natürlichen Mobilität, wozu das Leben selbst gehört. Nichts im Universum ist statischer Natur. Alles ist Dynamik, Werden und Veränderung. Man liebt gerade deshalb alte Häuser, weil sie einem vermeintlich zum Fixpunkt im Kosmos der Bewegung werden. Wenn man müde ist von der Suche nach dem Glück dort draußen auf dem Meer der Bewegtheit, ist es drinnen, auf festem Grund, ein honiggelber Handlauf, der uns endlich Halt verspricht. Man liebt diesen Handlauf. Selbst wenn er dem Unglück Halt bietet.
Andreas Schäfer: Das Gartenzimmer. Roman. Dumont, Köln 2020. 352 Seiten, 22 Euro.
„Denkmalgeschütztes Kleinod der
Vormoderne. 280 Quadratmeter,
8 Zimmer. Baujahr 1909“
Die Villa Rosen kann nur das erste
Auftragswerk des 21-jährigen
Mies van der Rohe sein
Im Roman ein neoklassizistisches Landhaus: Haus Riehl von Mies von der Rohe.
Foto: :ullstein bild/VG Bild-Kunst, Bonn 2020.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.12.2021

Das Haus als Protagonist

Mehr als bloße Kulisse: In einigen Romanen erzählen Häuser selbst Geschichten - von Architektur und Familie, Erinnern und Vergessen, Status und Verdrängung. Ein Streifzug.

Von Judith Lembke, Birgit Ochs und Anne-Christin Sievers

Ob kleine Hütte, Mietwohnung oder Villa: Ein Haus ist von jeher nicht nur Schutzraum, sondern auch Schauplatz familiärer Dramen und Erfolge sowie Austragungsort gesellschaftlicher und politischer Umbrüche. Nicht von ungefähr waren die Dächer, unter denen Menschen wohnen, schon immer Gegenstand der Literatur - von Thomas Manns "Buddenbrooks", über Theodor Fontanes "Frau Jenny Treibel" bis hin zu Goethes "Wahlverwandtschaften".

Diese Bedeutungsfülle machen sich auch zeitgenössische Erzähler und Erzählerinnen zunutze und entwickeln anhand von Fragen rund ums Bauen und Wohnen Geschichten. In den vergangenen Jahren sind viele Romane erschienen, in denen Wohngebäude eine besonders tragende Rolle spielen.

In einigen dienen Häuser nicht nur als Kulissen der Handlung, sondern motivieren selbst die Geschichte, werden gar zum Hauptakteur. Mal stehen sie symbolisch für Macht und Status ihrer Besitzer, mal sind sie Ort der Erinnerung, an dem sich die Historie eine ganzen Familie entfaltet. Manchmal fällt beides zusammen. In jüngster Zeit erzählen immer mehr Autoren zudem von überhitzten Wohnungsmärkten, auf denen Bewohner das Zuhause verlieren und aus ihrem Viertel verdrängt werden.

Ein Streifzug durch Texte, die aus Häusern Literatur machen.

Häuser machen Leute

Kein anderes Haus steht so für Status und Erfolg wie die Villa. Wobei schiere Größe und ein millionenhoher Kaufpreis allein nicht reichen, um hierzulande im Kreis einer bestimmten kulturellen Szene zu reüssieren. Anders, wenn der Entwurf originär ist, als Beitrag zur Baukultur gilt, oder gar von einem stammt, der Architekturgeschichte geschrieben hat. Dann wird eine solche Villa für die Eigner zum großen kulturellen Kapital.

Darauf setzt Hanif Amid, ein so windiger wie skrupelloser Schönheitschirurg aus "Das weiße Haus" von Wolfgang Mueller. Es ist das Etikett für jenen real existierenden Haustyp, der Größe durch Minimalismus zeigen soll, und reines Understatement. Genau das Richtige also für einen wie Amid, der in die gehobenen Kreise vordringen will. Er hat eine Praxis am Gendarmenmarkt und ein Haus in Lebus, einer Kleinstadt in Brandenburg. Nicht zuletzt in dieser Umgebung erregt die zweigeschossige Villa in weiß geschlacktem Beton mit Glas und Stahlrahmen in lackiertem Schwarz Aufmerksamkeit. "Wie ein so schnörkelloser Bau die triste Landschaft verzaubern konnte. (. . .) Ein solches Haus strahlte eine Internationalität aus, wie sie hier am Grenzfluss zu Polen, völlig ungewöhnlich war."

Diese Villa ist die perfekte Kandidatin für ein Buch über neue Architektenhäuser, an dem Publizistin Elisabeth Winterscheidt arbeitet. Sie kommt Amid wie gerufen. Denn das beeindruckendste Haus nützt nichts, wenn niemand es zur Kenntnis nimmt. Neben Architekturpreisen adeln Bildbände und Hausporträts in Print und Online solche Projekte. Die Wirkung auf das Selbstbild und -wertgefühl von Planern wie Bauherren ist nicht zu unterschätzen.

Winterscheidt urteilt, bevor sie Amid verfällt und die arg irrwitzige Handlung Fahrt aufnimmt, über die Mehrzahl der Bauherren, ob Unternehmer oder Kreative: "Alle schienen von der Angst durchtränkt, sie könnten sich mit dem Vorhaben blamieren. Etwas zu besitzen, das schlechten Geschmack bewies."

Immerhin gegen diese Gefahr ist Hannah Lekebusch in Andreas Schäfers Roman "Das Gartenzimmer" gefeit. Ihr Mann und sie kaufen mit der Villa Rosen ein "Denkmalgeschütztes Kleinod der Vormoderne. 280 Quadratmeter, 8 Zimmer. Baujahr 1909". So preist eine Annonce später die besondere, in Berlin-Grunewald gelegene Immobilie an. Sie ist das spät entdeckte Erstlingswerk Max Tauberts, eines international gefeierten Architekten, der unverkennbar Züge von Mies van der Rohe trägt.

Hannah und Frieder haben mit dem Kauf eines Hauses, dem ein Platz in der Architekturgeschichte gebührt, alles richtig gemacht. So scheint es. Mit Verve stürzt vor allem sie sich in die Sanierung der Villa. Begeistert sich für gestalterische Details wie für die Aussicht, mit diesem Haus das Werkverzeichnis Tauberts zu vervollständigen - und die Augen der internationalen, interessierten Öffentlichkeit auf ihr Zuhause zu richten. Hannah verschreibt sich zunehmend dieser Mission. Dabei spielt auch hier ein Journalist eine maßgebliche Rolle. Die Worte des Architekturkritikers Julius Sander - "Das ist ein guter Ort" - sind für Hannah wie ein Gütesiegel. Die Sache wird ihr freilich über den Kopf wachsen. Die anfängliche Begeisterung sich in zwanghafte Ergebenheit verwandeln.

Schäfer verwebt die Entstehungsgeschichte der Villa und das Schicksal ihrer ersten Eigentümer, des jüdischen Philosophieprofessors Adam Rosen und seiner Frau Elsa, mit der Sanierungsphase und Inbesitznahme der neuen Hausherren. Das Haus, Hauptschauplatz des Buchs, ist nicht nur Kulisse für Leid und Gräuel der NS-Zeit sowie prestigeträchtiges Zuhause der Lekebuschs, es entfaltet zudem eine unheimliche Macht.

Die freilich haben die Bewohner ihm erst eingeräumt, vor allem Hannah. Für sie gilt, was Elisabeth Winterscheidt in "Das weiße Haus" sagt: "Diese wohlhabenden Menschen (. . .) sehnten sich nach etwas, das sie in ihrem Innern wiederbeleben sollte." Häuser machen Leute.

Verdrängt aus dem Kiez

Das Gegenteil davon gilt ebenso. Wie und vor allem auch wo man wohnt, sagt viel über die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Milieu aus. Aber was passiert, wenn man sich die Innenstadt nicht mehr leisten kann und an den Rand gedrängt wird?

Falls es noch Beweise für die ständige Behauptung brauchte, dass Wohnen die soziale Frage unserer Zeit ist, dann hat sie die Literatur in den zurückliegenden Jahren geliefert. Es sind so viele Romane zur Wohnungsfrage erschienen, dass man Gentrifizierungsliteratur fast ein eigenes Genre nennen kann.

Auch die Zuspitzung des Häuserkampfes lässt sich aus den Romanen ablesen, die selbstverständlich alle in Berlin spielen. Im ersten Buch aus dieser Reihe, Jan Peter Bremers "Der amerikanische Investor" von 2011, wurde zwar das Mietshaus des Protagonisten luxussaniert. Bleiben konnte er immerhin.

In den neuen Romanen ist der Verlust real. Jan Brandt bekommt in seinem autobiographischen Doppelroman "Ein Haus auf dem Land/Eine Wohnung in der Stadt" eine Eigenbedarfskündigung. Das schäbige Mietshaus des Bauarbeiters Olli in Eva Ladipos "Räuber" soll einer Luxusimmobilie weichen. Und Schriftstellerin Resi in Anke Stellings "Schäfchen im Trockenen" wird Opfer der Rache eines enttäuschten Freundes, der als Hauptmieter die sagenhaft günstige Wohnung in Prenzlauer Berg kündigt, in der Resi mit Mann und vier Kindern zur Untermiete lebt.

Dabei hat die Aufsteigerin Resi nicht nur mit dem Verlust ihrer Wohnung zu kämpfen, sondern vor allem mit der Wut auf ihre ehemaligen Freunde: Schwaben wie sie, haben sich die Wohlstandsbürgerkinder in vanilleeisfarbenem Eigentum eingerichtet, natürlich in Form einer Baugruppe, während Resi ihr Büro in der Speisekammer hat. Die Baugruppe K23 ist wie eine Burg mit bodentiefen Fenstern; Abschottung garantieren nicht Zugbrücke und Wassergraben, sondern der hohe Quadratmeterpreis.

In Stellings Roman definiert sich die Zugehörigkeit zu einem Milieu nicht nur übers Eigentum, sondern auch über den Fußbodenbelag: In Resis Stuttgarter Elternhaus lag in der Küche PVC mit grauem Schlierenmuster, bei ihren großbürgerlichen Freunden hingegen sind es Terrakottafliesen. Am Ende muss Resi weichen, nach Ahrensfelde, denn "es gibt kein Recht auf eine Wohnung in der Innenstadt".

Dass die Hölle außerhalb des Berliner S-Bahn-Rings beginnt, darin sind sich alle Gentrifizierungsautoren einig. Bei Stelling liegt sie in Ahrensfelde, Bauarbeiter Olli droht das prollige Hellersdorf und Schriftsteller Jan Brandt das großbürgerliche Schmargendorf. Auch wo die Autoren den Himmel verorten, ist klar: im Berlin der Neunziger- und Nullerjahre, als sich Arbeiterfamilien wie Ollis noch das Leben in Prenzlauer Berg leisten konnten und die Kreuzberger 100-Quadratmeter-Wohnung von Jan Brandt nur 750 Euro warm kostete.

Die Zeit überdauert hat der Anspruch. Wenn schon nicht die gekündigte Wohnung, dann würde Brandt doch gerne dieselbe Fläche behalten, für sich und seine Sachen. Dafür nimmt er den Leser mit auf Wohnungssuche. Mit der Akribie eines Mieterrechtsanwalts dokumentiert er die Härten des Berliner Immobilienmarktes von Maklerprosa bis Mietminderungsschreiben- mitunter etwas langatmig.

Sein Resümee "Immobilien holen das Schlechteste aus dem Menschen heraus" lässt sich auch auf Ladipos Buch "Räuber" übertragen, in dem sich ein linker Politiker in einen Investor verwandelt. Glücklicherweise springt Bauarbeiter Olli beim Kampf um seine Wohnung eine Journalistin zur Seite, die auch bestens in Stellings Baugruppe passen würde, in diesem Fall aber zu den Guten gehört. Das zeigt: Wo die Demarkationslinien im Häuserkampf verlaufen, ist vor allem eine Frage des Standpunkts.

Ort der Familiengeschichte

Durch den Verlust der Wohnung gerät etwas ins Wanken, führt vor Augen "wie brüchig das Leben ist", schreibt Jan Brandt. Denn das gemeinsame Zuhause ist der Ort, an dem sich die Familiengeschichte ereignet. Sie schreibt sich in die Mauern ein. Als historisches Beispiel par excellence gelten die "Buddenbrooks" von Thomas Mann. Steht das Giebelhaus in der Lübecker Mengstraße zunächst für den Aufstieg der bürgerlichen Kaufleute und verkörpert es die Einheit von Familie und Firma im 19. Jahrhundert, so besiegeln sein Verkauf und Verlust am Ende die Auflösung dieser Einheit, den Verfall der Familie und ihr Entgleiten ins Künstlerische.

Doch auch in zeitgenössischen Texten setzen sich Autoren mit dem Haus als Ort der Familiengeschichte und des Erinnerns auseinander. In Katharina Hagenas Bestsellerroman "Der Geschmack von Apfelkernen" erbt Ich-Erzählerin Iris, eine junge Bibliothekarin, das Haus ihrer verstorbenen Großmutter Bertha. Während sie durch leere Räume wandelt, Omas alte Kleider aus Schränken holt, in Fotoalben blättert, lässt das Haus vergessene und verdrängte Erinnerungen aufsteigen: an die sommerliche Leichtigkeit ihrer Kindheit, aber auch an unaufgeklärte Familiengeheimnisse wie die Rolle des Großvaters im Dritten Reich und ihre Cousine Rosemarie, die vom Dach des Gewächshauses in den Tod stürzte. Dabei sind es die sinnlichen Eindrücke des Hauses, wie es duftet ("nach Äpfeln und kalten Steinen"), klingt, sich anfühlt, die Verschüttetes zutage treten lassen. So wird das Haus als Ort des Erinnerns sinnlich erfahrbar, und es gelingt Hagena, eine Stimmung einzufangen, die beim Leser vergessene Gerüche und Gefühle ins Gedächtnis zurückholt.

Eher traumatisch stellt sich die Geschichte einer Kindheit in den Siebzigerjahren dar, die Andreas Maier im Roman "Das Haus" erzählt, dem zweiten Teil seiner autobiographischen Familiensaga "Ortsumgehung" aus der Wetterau. Während die ersten drei Lebensjahre seines Alter Egos Andreas geprägt sind von ausgedehnten Spaziergängen mit seiner Urgroßmutter, ein ziel-, zwang- und zeitloses Umherstreifen, von Momenten einfachen Glücks, markiert der Einzug in das wuchtige, neue Haus der Familie das Ende der unbeschwerten Kindheit: "Seitdem wir in dem neuen Haus wohnten, änderten sich die Gespräche über mich." Von da an wird der introvertierte, wortkarge Junge zum "Problemandreas", der sich erfolgreich weigert, den Kindergarten zu besuchen. Er bleibt im Haus, das Schutz vor der bedrohlichen Außenwelt bietet, und dennoch kein Zuhause ist, in dem er sich geborgen und verstanden fühlt. Das Gebäude bleibt kalt und abweisend.

Bis die Einschulung dem Rückzug ein unerbittliches Ende setzt, erkundet Andreas neugierig und minutiös die Räume. Am glücklichsten ist er, wenn er sich in die Tiefen des dunklen Kellers zurückziehen kann, fasziniert vom Heizraum mit den bunten Schaltern, Lampen und Anzeigen, die auf ihn fast magisch wirken. Die Sehnsucht danach, von "Draußen" wieder nach "Drinnen" (so heißen auch die beiden Teile des Romans) zurückzukehren, bleibt.

Einen kühlen Hauch verströmt auch "Die Villa" in Hans Joachim Schädlichs Roman, der die Zeit vom Ende der Weimarer Republik bis zu den Anfängen der DDR umspannt. In dem 1890 errichteten Gründerzeitbau im vogtländischen Reichenbach verbringt die zu Wohlstand gekommene Familie Kramer ihre besten Jahre - bis der Vater, ein überzeugter Nazi, am Herzinfarkt stirbt, der Krieg die ländliche Idylle zerstört und die Villa nach dem Einmarsch von Amerikanern und Russen abgerissen wird.

Schädlich berichtet in nüchtern-protokollarischem Ton von Schrecken der Kriegszeit wie vom Leben der Familie, das ebenso stumm und starr bleibt wie das Gebäude. Sentimentale Gefühle bringen weder der Autor noch seine Figuren dem Haus entgegen. Schädlichs Buch beginnt mit einer registerhaften Beschreibung der Villa und listet am Ende alle Gebäudeteile auf, die nach ihrem Abriss laut Denkmalschutz herauszubrechen sind. Es bleiben Teile, die kein Ganzes mehr ergeben.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Wäre das Buch ein Bauwerk, man wollte darin wohnen.« Gerhard Matzig, SÜDDEUTSCHE ZEITUNG »Andreas Schäfer ist mit 'Das Gartenzimmer' ein sehr besonderes Buch gelungen, man bewegt sich in seinem Gedankengebäude zwischen den Zeiten und Räumen - und bliebe auch nach 350 Seiten gern noch länger.« Katharina Kluin, STERN »Dieser Roman ist wahrhaft Kunst und alles andere als künstlich! Hervorragend!« Gallus Frei-Tomic, LITERATURBLATT.CH »Die Bilder dieser Räume entstehen regelrecht im Kopf von uns Lesenden.« Thomas Böhm, RBB LITERATURAGENTEN »Wundervoll, was der Romancier Andreas Schäfer aus der leerstehenden Villa Rosen im Grunewald alles herausholt.« Lorenz Maroldt, TAGESSPIEGEL CHECKPOINT »Die Liste baulicher Mängel, wollte man sie für den Roman anlegen, wäre unerheblich kurz. [...] In diesem Buch kann man seine Zeit sehr anregend und angenehm verbringen.« Cornelia Geißler, BERLINER ZEITUNG »Dieser spannende Berlinroman von Andreas Schäfer versteht es, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander zu verweben, Parallelen aufzuzeigen und mahnt, sich Geschichte zu vergegenwärtigen.« Fabian Blomeyer, DEUTSCHES ARCHITEKTENBLATT »Nicht nur für Architekturfans. Eine tolle Familiengeschichte. Große Empfehlung« Petra Hartlieb, ORF TV »[Andreas Schäfer hat eine Sprache] hat einen Rhythmus, der auch den Leser entschleunigt. Alles rutscht in weite Ferne, nur noch das Leben in der Villa zählt.« Katrin Bettina Müller, TAZ »In einer geschmeidig-feinfühligen Sprache erzählt Schäfer in 'Das Gartenzimmer' vom Zerfall einer Familie und der gespenstischen Präsenz der Vergangenheit.« Oliver Pfohlmann, TAGESSPIEGEL »Wer Andreas Schäfers faszinierenden und klugen Roman kennt [...], der weiß, welche Rolle deutsche Geschichte und speziell Architekturgeschichte darin einnimmt. In 'Das Gartenzimmer' [...] wird eine Villa in Dahlem zur Protagonistin. Sie lässt uns gewissermaßen durch ihre Fenster auf das 20. Jahrhundert in Berlin blicken.« Sonja Longolius, BERLINER ZEITUNG »Die Beschreibungen sind so verführerisch, dass man gerne mal in dieses Haus hineingehen und da niederlassen möchte.« Andrea Gerk, DEUTSCHLANDFUNK KULTUR LESART »Ein ebenso spannender wie filigraner Roman über eine Berliner Villa und ihre Bewohner im Lauf der Jahrzehnte.« Lina Brünig, WDR5 BÜCHER »Der sprachmächtige erzählte, aber auch anregend und unterhaltsam zu lesende Familien- und Gesellschaftsroman fängt nicht nur die Magie und die Geschichte dieses ungewöhnlichen Landhauses ein, er spiegelt zugleich auch in den wechselvollen Schicksalen der Villen-Bewohner die Verwerfungen der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts wider.« Ronald Schneider, RHEINISCHE POST »Man kann 'Das Gartenzimmer' als modernen Psychohorror-Roman lesen. Auch als historischen Roman. Oder als Gesellschaftsroman mit anderen Mitteln.« Reinhard Kalb, NÜRNBERGER ZEITUNG »'Die Zeit berühren'. Genau das schafft Andreas Schäfer mit seinem Roman, so flirrend und gleich handfest wirkt sein Gebäude aus Worten.« Cornelia Geißler, FRANKFURTER RUNDSCHAU »Ein Haus, das so gut und mit so vielen Bezügen zur Architekturgeschichte erfunden ist, das ich erst gar nicht glauben konnte, dass es nur aus Papierseiten und Fantasie und nicht aus Steinen und Mörtel besteht.« Franziska Walser, RBB KULTUR »Ein genial konstruierter Roman, der von einem Krimi an Spannung kaum zu überbieten ist.« Giovanna Riolo, FREIBURGER NACHRICHTEN »Schade, dass Andreas Schäfer die Villa Rosen nur erfunden hat. Man würde diesen faszinierenden Ort, der die Widersprüchlichkeit der letzten Jahrhunderte vereint, gerne einmal sehen.« Nadja Lissok, KÖLNER STADT-ANZEIGER »Andreas Schäfer lädt ein in ein ganz besonderes Gartenzimmer. [...] Dass das Haus, seine Hüter und sein Erbauer frei erfunden sind, muss man sich dabei immer wieder vergegenwärtigen, weil Schäfer seine Geschichte, die sich fast über ein Jahrhundert spannt, geschickt entlang der realen Historie gebaut hat.« Iris Hetscher, WESER KURIER »'Das Gartenzimmer' ist eine der Roman-Entdeckungen dieses Büchersommers.« Sigrid Löffler, RADIO BREMEN »[Eine] atmosphärisch herausragende Schilderung Berlins« Jörg Raach, KUNSTUNDMEDIEN.DE »Andreas Schäfer gelingt durch die liebevolle und persönliche Charakterisierung der Bewohner*innen, aber auch durch eindringliche Schilderung der Lebensumstände [...] ein eindringliches Porträt des Hauses und der Menschen, die es bewohn(t)en. Eine schöne und spannende Urlaubslektüre« Jan Sievers, WETTBEWERBE AKTUELL…mehr