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Die Arbeitsweise der milliardenteuren Gauck-Behörde wird kritisch durchleuchtet.Die Autoren decken auf, wie Stasi-Akten immer wieder für undurchsichtige politische Machenschaften genutzt werden konnten.

Produktbeschreibung
Die Arbeitsweise der milliardenteuren Gauck-Behörde wird kritisch durchleuchtet.Die Autoren decken auf, wie Stasi-Akten immer wieder für undurchsichtige politische Machenschaften genutzt werden konnten.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.07.1999

Projektgruppe moralische Entsorgung
Linke Gesinnungswächter denunzieren die Gauck-Behörde

Jochen Zimmer (Herausgeber): "Das Gauck-Lesebuch". Eine Behörde abseits der Verfassung? Redaktionell bearbeitet von Frank Wilhelmy. Eichborn-Verlag, Frankfurt am Main 1998. 248 Seiten, 36,- Mark.

Wer kommunistische Verbrechen benennt, wird von linken Gesinnungswächtern mit dem Generalverdacht belegt, die Verbrechen des Nationalsozialismus verharmlosen zu wollen. So sollen die kommunistischen Verbrechen tabuisiert und moralisch entsorgt werden.

Den im vorliegenden Sammelband versammelten Autoren, zumeist Parteigängern, Sympathisanten oder Verharmlosern der SED-Diktatur, geht es mit ihrer Kritik an der Gauck-Behörde und wissenschaftlichen Einrichtungen, die sich mit der kritischen Aufarbeitung der sozialistischen Diktatur in Deutschland beschäftigen, anders als beispielsweise Jürgen Fuchs keineswegs um Schieflagen bei der wissenschaftlichen Aufarbeitung und einzelne irrtümliche Fehlbeurteilungen durch die Gauck-Behörde und einige Medien. Sie wollen mehr: Sie wollen diese Diktaturgeschichte in den Versuch umdeuten, ein besseres, friedliebenderes und sozial gerechteres Deutschland zu begründen. Die Verantwortlichen in der SED und ihre Helfer im Ministerium für Staatssicherheit werden verklärt. Sie erscheinen als zu Unrecht an den Pranger gestellt.

Das Grundmuster der Argumentation ist einfach: Den Kritikern der SED-Diktatur wird unterstellt, sie wollten Personen mit dem Verdacht der inoffiziellen Mitarbeit für das MfS belegen, die als überzeugte Linke berechtigte Kritik am Kapitalismus und dem bundesdeutschen Gesellschaftssystem üben. Dabei sind die - ihrer Meinung nach zu Unrecht - Beschuldigten allesamt auch noch ausnehmend gute Menschen. Von Gregor Gysi zum Beispiel heißt es, er sei heute wie auch schon in der DDR unbeugsam und in seiner Arbeit als Anwalt "einzig seinem Gewissen verantwortlich" gewesen. Stephan Hermlin, "dieser gebildete, geschmackssichere Mann", sei "nicht vor Königsthronen in die Knie" gegangen - aber vor Stalin, muß man ergänzen. Dieter Dehm schließlich, der in einer Blitzkarriere zum stellvertretenden Parteivorsitzenden der PDS aufgestiegen ist, wird attestiert, daß er nur ein von der Stasi bespitzelter und abgeschöpfter sozialistischer Menschenfreund sei.

Den Kontrahenten dagegen wirft man vor, selbst mit der Stasi verstrickt zu sein, wissenschaftlich unseriös zu arbeiten oder die bundesdeutsche Linke diskreditieren zu wollen. Im Zentrum der Beschimpfungen und Verdächtigungen steht Joachim Gauck. Vor allem die als Brandenburger Verfassungsrichterin von der PDS vorgeschlagene Daniela Dahn und der letzte Innenminister der DDR, Diestel, schwelgen in Diffamierungen. Diestel setzt Gauck mit McCarthy gleich, nennt ihn einen "willigen Vollstrecker" der alten bundesdeutschen Eliten und einen Menschenjäger, der zudem im Verdacht stehe, selbst ein "Stasi-Zuträger" gewesen zu sein. Diestel behauptet, die Gauck-Behörde habe mehr Familien ins Unglück gestürzt als das MfS. Er muß es wissen.

Die CDU dagegen muß sich fragen lassen, was ein solcher Geschichtsfälscher in ihren Reihen verloren hat.

Daniela Dahn, die mit zwei Beiträgen vertreten ist, versucht, Manfred Stolpe, Heinrich Fink und Gregor Gysi vom Verdacht reinzuwaschen, informelle Diktaturschützer gewesen zu sein, was zwar nicht weiter verwundert, aber durch die Argumentationsweise überrascht. Sie unterstellt zum Beispiel letzterem Illoyalität gegenüber der SED, da er das Interesse seiner damaligen Mandanten über die Treue zur Partei gestellt habe. Verbindungen zur ZK-Abteilung Staat und Recht und zum MfS seien "berufsbedingte Kontakte" gewesen.

Wie wahr!

Schlimmer noch ist, daß die ostdeutsche Betroffenheitsschriftstellerin den Schutz der Demokratie mit dem der Diktatur gleichsetzt. Der inzwischen aus der SPD ausgeschlossene ehemalige Bundestagsabgeordnete Kurt Neumann zieht Parallelen zwischen Mielke und Gauck, dem er überdies Rachegelüste unterstellt.

Aalglatt bis dreist.

Neben der aalglatten bis dreisten Argumentation der meisten Autoren stimmt der Beitrag der Sängerin Barbara Thalheim eher nachdenklich. Sie unterschrieb 1972 eine Verpflichtungserklärung für die Staatssicherheit. Damit habe sie sich "nicht der Stasi, sondern der DDR verpflichtet". Hiermit spricht sie aus, was die bisherige Auswertung der hinterlassenen Archivalien nahelegt: Das MfS führte kein Eigenleben, sondern agierte im Einverständnis und namens der SED, die diesen deutschen Teilstaat von sowjetischen Gnaden von Anfang bis Ende mitbeherrschte. Aus der Sicht loyaler Parteigänger war die Staatssicherheit ein vielleicht nicht gerade geliebtes, aber dennoch für notwendig erachtetes Organ.

Frau Thalheim quält sich mit ihrer Vergangenheit, kritisiert zu Recht den sensationslüsternen Umgang mancher Medien mit dieser Thematik und - was das Wichtigste ist - stellt sich ihr. In einem Punkt allerdings irrt sie, wenn sie mutmaßt, daß dem ehemaligen IM und späteren Bürgerrechtler Wolfgang Templin diese Zusammenarbeit nicht angelastet wird, weil er "heute mit Kanzler Kohl in Unrechtsaufarbeitungskommissionen" sitze. Nein, das ist es nicht. Templin hat nach seinem Bruch mit der SED und dem MfS aktiv am Sturz der SED-Diktatur mitgewirkt und steht zudem auch zu diesem Schatten in seiner Vergangenheit.

Die in diesem Buch ebenfalls vertretenen westdeutschen Autoren übertreffen die ostdeutschen Autoren noch in ihrer Feindseligkeit gegenüber der alten Bundesrepublik und dem vereinten Deutschland. Der ehemalige hessische Innenminister Horst Winterstein erzählt das Märchen, Wissenschaftler des Forschungsverbundes SED-Staat hätten von der Deutschen Bank einen "Mehrere-hunderttausend-D-Mark-Betrag" bekommen, um den "Banken-Gegner Dieter Dehm" als IM-Spitzel zu enttarnen. Die Belege, die Dehm überführten, seien zudem gefälscht, die Aussage Wolf Biermanns, Dehm habe sich ihm gegenüber als MfS-Spitzel offenbart, unglaubwürdig. Andererseits hat Winterstein keine Hemmungen, die CDU-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach, die einen diesbezüglichen Prozeß gegen Dehm gewonnen hat, als rechtsextrem, mithin als Verfassungsfeindin zu denunzieren.

Der Journalist Eckart Spoo verblüfft mit der Erkenntnis, das MfS habe "die Entwicklung der Demokratie in der DDR schwer behindert, viel von der demokratischen Substanz des Staates ausgezehrt". Schließlich darf in dieser ehrenwerten Runde der Historiker Wolfgang Wippermann nicht fehlen, der an der Freien Universität Berlin als Lehrbeauftragter Geschichte unterrichtet. Er kritisiert den Herausgeber des Schwarzbuches des Kommunismus, Stéphane Courtois, der darauf hingewiesen hat, der Tod eines ukrainischen Kulaken-Kindes, das vom stalinistischen Regime gezielter Hungersnot ausgeliefert worden sei, wiege genauso schwer wie der Tod eines jüdischen Kindes im Warschauer Ghetto, das dem vom NS-Regime herbeigeführten Hunger zum Opfer fiel. Wippermann argumentiert, das ukrainische Kulaken-Kind sei nicht wegen seiner ukrainischen Herkunft, sondern wegen seiner Klassenzuordnung gestorben. Das jüdische Kind dagegen sei ermordet worden, weil die Nationalsozialisten alle Juden vernichten wollten. Was will uns der Autor mit diesem Hinweis sagen?

Neben der Gauck-Behörde wird von einigen Autoren der Berliner Forschungsverbund SED-Staat, dem auch der Rezensent angehört, diffamiert. Er sei vom Großkapital finanziert und verfolge "als ein Hauptziel zum Beispiel die nachträgliche Delegitimierung der Friedens- und Entspannungspolitik eines Willy Brandt", gebe Aktenfunde an diverse Presseorgane zum Zwecke sensationeller Enthüllungen weiter, kritisiere zu Unrecht die systemimmanente DDR-Forschung und den Kontakt zwischen SPD- und SED-Historikern. Dies ist alles schlicht unwahr. Dabei wenden die Autoren genau jene Methoden an, die sie mit ihrem Buch vorgeblich aufs Korn nehmen. So schildert beispielsweise die Berliner Historikerin Carola Sommer, hinter der sich ein Angehöriger der FU Berlin verbirgt, der für seine unsaubere Argumentation nicht selbst geradestehen will, eine Kontroverse zwischen dem Mitarbeiter des Forschungsverbundes, Jochen Staadt, und dem Mitarbeiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Peter Steinbach, und übernimmt - wider besseres Wissen - Steinbachs Vorwurf einer "denunziatorischen Publizistik". Diese Behauptung stützt sich auf ein von ihm aus Unkenntnis fehlerhaft zugeordnetes und zudem noch falsch wiedergegebenes Dokument aus dem internen Parteiarchiv der SED.

Dieses Buch ist kein Lesebuch, schon gar nicht ein Gauck-Lesebuch. Es handelt sich allenfalls um ein Lehrbuch von Gauklern über Methoden des Trickbetrugs. Unbelehrbare, die nichts aus den Erfahrungen einer sozialistischen Diktatur lernen wollen, mögen sich daran erbauen, wie sogar die schäbige und skrupellose Arbeit des MfS mit obskuren Argumenten entsorgt wird. Hier schreibt zusammen, was zusammengehört.

KLAUS SCHROEDER

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