Halbwachs' Buch ist ein Klassiker der Soziologie und zugleich Ausgangs- und Bezugspunkt der Gedächtnisforschung, die in den letzten Jahrzehnten in der Geschichts-, aber auch der Kultur- und Literaturwissenschaft einen Forschungsbereich von herausragender Bedeutung darstellte. Halbwachs geht in seinem Buch, das erstmals 1925 erschien, von der Beobachtung aus, daß nicht nur einzelne Menschen über eine Erinnerung verfügen, sondern auch Gesellschaften und alle Formen von sozialen Gruppen ein kollektives Gedächtnis ausbilden, das der eigenen Identitätssicherung und -stabilisierung dient. Diese These eines kollektiven Gedächtnisses bestimmt bis heute Theoreme der Gedächtnisforschung, wie nicht zuletzt Pierre Noras großangelegte Geschichte der »Gedächtnisorte «, der »lieux de mémoire«, zeigt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.08.2006Hinweis
GEDÄCHTNIS. Der Suhrkamp Verlag hat ein vergriffenes Werk des französischen Soziologen Maurice Halbwachs (1877 bis 1945) neu aufgelegt. Es handelt sich um den Klassiker "Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen". Halbwachs, ein Schüler Henri Bergsons, umkreist darin die psychologischen und sozialen Rahmenbedingungen des Erinnerns. Das Buch ist ein großer Wurf, packend zu lesen, weil es sich nicht im Klein-Klein der Gehirnforschung verliert, die alles und nichts erklärt, sondern eine gute, literarisch geformte Phänomenologie bietet. Zauberhafte Kapitelüberschriften locken: "Die Denk- und Gedächtnisrahmungen beim Kind und beim Manne" oder "Das Gedächtnis bei den Alten und das Heimweh nach der Vergangenheit". (Maurice Halbwachs: "Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen". (Aus dem Französischen von Lutz Geldsetzer. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 2006. 399 S., br., 14,- [Euro].)
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GEDÄCHTNIS. Der Suhrkamp Verlag hat ein vergriffenes Werk des französischen Soziologen Maurice Halbwachs (1877 bis 1945) neu aufgelegt. Es handelt sich um den Klassiker "Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen". Halbwachs, ein Schüler Henri Bergsons, umkreist darin die psychologischen und sozialen Rahmenbedingungen des Erinnerns. Das Buch ist ein großer Wurf, packend zu lesen, weil es sich nicht im Klein-Klein der Gehirnforschung verliert, die alles und nichts erklärt, sondern eine gute, literarisch geformte Phänomenologie bietet. Zauberhafte Kapitelüberschriften locken: "Die Denk- und Gedächtnisrahmungen beim Kind und beim Manne" oder "Das Gedächtnis bei den Alten und das Heimweh nach der Vergangenheit". (Maurice Halbwachs: "Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen". (Aus dem Französischen von Lutz Geldsetzer. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 2006. 399 S., br., 14,- [Euro].)
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