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Das Buch hat als Lebensbericht eines Malers im 20. Jahrhundert nicht seinesgleichen. Es ist ein zentrales Werk der Kunst unserer Zeit, ein historisches und ästhetisches Dokument ersten Ranges, überquellend von Witz und Intelligenz. In der Intensität der Selbsterforschung und dem dichterischen Vermögen, Erinnerung darzustellen, haben Kritiker es Marcel Prousts "Suche nach der verlorenen Zeit" an die Seite gestellt. Picasso verglich die Phantasie seines Landsmannes mit einem ständig auf Hochtouren laufenden Außenbordmotor. Dalis literarische Stärke liegt darin, daß es ihm wie seiner Malerei…mehr

Produktbeschreibung
Das Buch hat als Lebensbericht eines Malers im 20. Jahrhundert nicht seinesgleichen. Es ist ein zentrales Werk der Kunst unserer Zeit, ein historisches und ästhetisches Dokument ersten Ranges, überquellend von Witz und Intelligenz. In der Intensität der Selbsterforschung und dem dichterischen Vermögen, Erinnerung darzustellen, haben Kritiker es Marcel Prousts "Suche nach der verlorenen Zeit" an die Seite gestellt. Picasso verglich die Phantasie seines Landsmannes mit einem ständig auf Hochtouren laufenden Außenbordmotor. Dalis literarische Stärke liegt darin, daß es ihm wie seiner Malerei gelingt, noch so phantastischen, irrationalen und abenteuerlichen Gedankengängen die strengste und disziplinierteste Form zu geben. Seine Sprache gewinnt dadurch eine Bildmächtigkeit, die in gewisser Weise sogar die seiner Gemälde übertrifft. Wie in einem Film laufen die entscheidensten Stationen und Ereignisse im Leben des Salvador Dali - vom Dasein im Mutterleibbis zur "Entdeckung Amerikas" , von der Landschaft Kataloniens bis zur Pariser Gesellschaft in der Hoch-Zeit des Surrealismus - mit verblüffender visueller Deutlichkeit vor dem Auge des Lesers ab.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.04.2004

Scheiße auf dem Kopf der Eule
Sorgt in Bürgerkreisen für Geheule: Zu seinem hundertsten Geburtstag wurden Dalis Memoiren neu aufgelegt
Er war ehrgeizig, egoistisch, eitel, aggressiv und größenwahnsinnig. Als Kind stößt er einen Freund von der Brücke. Er zerbeißt vor Wut eine lebendige Fledermaus (sechzig Jahre vor Ozzy Osborne), rasiert sich die Achselhaare bis es blutet, fliegt von der Kunstakademie in Madrid, hält öffentliche Vorträge über Kunst und die spanische Politik mit einem Stangenbrot auf dem Kopf. „Der einzige Unterschied zu den Surrealisten und mir besteht darin, dass ich Surrealist bin”, sagte Salvador Dali im Jahr 1940 zu einer Gruppe von Journalisten, als er gerade als gefeierter Künstler aus New York nach Paris zurückkehrte. Damit düpierte er die Wortführer der surrealistischen Bewegung, seine Freunde André Breton und Paul Eluard, aber Provokation um jeden Preis war sein Lebensprogramm.
Am 11. Mai wäre Salvador Dali, der als Maler, Drehbuchautor, Objektkünstler, Möbeldesigner, Modemacher und Romanautor gleichermaßen erfolgreich war, einhundert Jahre alt geworden. Nicht nur in Barcelona und seiner Geburtsstadt Figueras finden derzeit zahlreiche Ausstellungen und Veranstaltungen zu seinen Ehren statt. Anlässlich des Dali-Jahres hat der Schirmer und Mosel Verlag die deutsche Übersetzung seiner Memoiren neu aufgelegt, die 1942 zum ersten Mal unter dem Titel „The Secret Life of Salvador Dali” in New York erschienen sind. „Man muss bis zu Benvenuto Cellinis Lebensbeschreibung ins Cinquecento zurückgehen, um in der Weltliteratur eine ähnlich ausführliche, plastische und selbstbewusste Autobiographie eines bildenden Künstlers zu finden”, schreibt Ralf Schiebler zu Recht in seinem klugen Nachwort. Dalis Erinnerungen sind aufregend, selbst wenn man sich an diesem Klassiker der Posterkultur, seinen tausendfach reproduzierten weichen Uhren satt gesehen haben mag.
Als die Memoiren erscheinen, ist Dali 37 Jahre alt und auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Hinter der medienwirksamen Erfolgsgeschichte des Multitalents steht jedoch der einsame Leidensweg eines pathologischen Exzentrikers. 1904 wird er im katalonischen Figueras als Sohn eines angesehenen Notars in wohlhabende Verhältnisse hineingeboren. Aber von klein auf rebelliert er zwanghaft gegen seine intakte Umgebung. Er schreit, schlägt, randaliert, oder er sitzt auf dem Dach seines Elternhauses im Königskostüm mit Hermelin und Krone in einem Waschzuber und zeichnet. Dali lebte nach dem Lustprinzip. Erst in den Intellektuellenzirkeln, die er ab 1921 an der Madrider Kunstakademie kennen lernt, bringen ihm seine Ticks und Macken und seine dandyhafte Erscheinung Respekt und den Ruf eines Genies ein.
Der Dichter Garcia Lorca ist begeistert von seinen Gemälden, 1926 führt ihn Juan Miró in die Pariser Surrealistenkreise ein, 1929 feiert Dali mit seinem Drehbuch zu „Un chien andalou” seinen internationalen Durchbruch als surrealistischer Künstler. Anerkennung und Freunde bewahren ihn nicht vor psychischen Zusammenbrüchen. Im Sommer 1930 in Port Lligat , „Le Jeu lugubre” steht kurz vor der Vollendung, wird er von hysterischen Lachanfällen überwältigt, sobald er ansetzt, etwas zu sagen. „Wenn ihr sehen könntet, was ich mir vorstelle,” entschuldigt er sich bei Magritte, „dann würdet ihr alle sogar noch mehr lachen als ich.” Dali sieht eine kleine Eule, darauf ein Häufchen Scheiße.
Dalis Autobiographie ist durchdrungen von Halluzinationen, Visionen, Träumen und Schockelementen. Stil und Aufbau des Textes entsprechen den künstlerischen Gestaltungsprinzipien, die er 1930 für seine Gemälde unter dem Titel „La femme visible” beschrieben hat. Dali möchte doppelte Vorstellungsbilder herstellen, das heißt auf den ersten Blick die Illusion eines Gegenstandes erzeugen, der auf den zweiten Blick ein ganz anderer ist. Also überblendet er, wie in seinem berühmten Gemälde „Die Metamorphose des Narziss”, dessen Körper bei näherem Hinsehen aus Eiern und Knochen zusammengesetzt ist, auch seine Lebensgeschichte mit gelehrten Topoi aus der Kunstgeschichte: Als Neunjähriger täuscht er die katalanischen Bauern mit naturgetreu gemalten Kirschen wie Apelles die Vögel mit seinen Trauben.
Was seine politischen Einstellungen betrifft, hält er sich bedeckt. Obwohl Dali während des ersten Weltkrieges im Auftrag kommunistischer Kleinrevolutionäre als Redner und Plakatmaler agierte, erfährt man nichts über seine Haltung zum Spanischen Bürgerkrieg oder zur Machtergreifung Francos. Dali interessiert sich nicht für Politik, sondern für den Katholizismus. Ende der Dreißiger Jahre blüht der erklärte „Monarchist” in der Hautevolee der Pariser Gesellschaft auf. Für Elsa Schiaparellis Atelier an der Place Vendôme entwirft er Kleider und Hüte, er ist befreundet mit Coco Chanel und besucht die Salons von Malermuse Sert, Comtesse de Polignac sowie der Vicomtesse de Noailles. Die Beschreibung seiner Umgebung gleicht einem farbenprächtigen Metaphernfeuerwerk: „Die Pariser Gesellschaft vermischte sich hemmungslos, und den bordeauxfarbenen Wolken am Horizont Frankreichs entstieg bereits das Gespenst der Niederlage von 1940 in jenem katastrophalen Bittersüß, wie es für das volkstümlich realistische, rosig klebrige Zahnfleisch Fernandels typisch war, welches wiederum so atemberaubend mit der rassigen, gespenstischen Blässe der russischen Prinzessin Natalie Paley . . . kontrastierte.”
„Dauernd fragt man mich: Was bedeutet das? Was bedeutet das?” Unter diesem Zwang sollte man Dalis Erinnerungen nicht lesen, sondern im Vergnügen an der Introspektion eines Künstlers, der von sich behauptete, er sei die repräsentativste Verkörperung Europas nach dem Kriege.
CLAUDIA LANFRANCONI
SALVADOR DALI: Das geheime Leben des Salvador Dali. Übersetzung und Nachwort von Ralf Schiebler. Schirmer und Mosel Verlag, München 2004. 503 Seiten, 24,80 Euro.
Wo hört „Gradiva” auf, wo beginnt Gala?
Foto: Schirmer/Mosel
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