Ein südfranzösischer Landpfarrer macht am Ende des 19. Jahrhunderts in der Kirche von Rennes-le-Château eine ungeheure Entdeckung. Von einem Tag auf den anderen ist er reich und läßt die kleine Kirche aufwendig umbauen. Was hat er in dem hohlen Pfeiler gefunden? Ein Manuskript mit geheimen Offenbarungen? Oder gar den Schatz der Templer? Das Geheimnis von Rennes-le-Chateau hat zu einem der populärsten modernen Mythen geführt, der Autoren wie Umberto Eco und Dan Brown inspiriert hat. Dieser Mythos zieht eine Linie von den geheimen Nachkommen Jesu über die Dynastie der Merowinger, die Katharer, die Templer und die Rosenkreuzer bis hin zu der 1956 gegründeten "Bruderschaft vom Berg Zion", die bis heute ein geheimes Wissen um das wahre Christentum bewahren soll. Wie kam es zu diesem Mythos? Auf welche historischen Indizien stützen sich seine Verfechter? Und was hat es mit den Templern, Rosenkreuzern und anderen Geheimgesellschaften in Wirklichkeit auf sich? Diesen Fragen geht Alexandre Adler auf ebenso kurzweilige wie informative Weise nach.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.07.2009Handreichung für Gralssucher
Das Geheimnis der Templer, ein glänzender Thrillerstoff: Alexandre Adler mustert die vielen tollen Geschichten, entwirft aber auch seine eigene Fassung der historischen Begebenheiten.
Die Illuminaten sind zurück, als Pantoffelbomber, die in Ron Howards Blockbuster den letzten Rest von Sinn aus Dan Browns Romanvorlage heraussprengen. Bekanntlich ist der Protagonist in "Illuminati" derselbe wie in der bereits verfilmten Fortsetzung "Der Da Vinci Code": der Kunsthistoriker Robert Langdon. Vielleicht wird man mit diesem Namen dereinst die größte häretische Bewegung in Verbindung bringen, mit der das Christentum je zu tun hatte. Hunderte von Millionen Menschen haben sich schließlich inzwischen für die kecke These interessiert, Maria Magdalena sei nicht nur die Gattin Jesu gewesen, sondern auch die Mutter seiner Tochter. Der Templerorden, Leonardo da Vinci und die Geheimgesellschaften seien, so der blumig-esoterische Plot, Hüter des Geheimnisses der hierdurch begründeten und doch tatsächlich bis zur weiblichen Hauptfigur reichenden Dynastie gewesen.
Dan Brown schmückte nur aus, was zu guten Teilen der Hochstapler Pierre Plantard erdacht hat, der sich und seiner "Bruderschaft vom Berg Zion" in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit gefälschten Dokumenten eine bis zu den Merowingern zurückreichende Tradition zu verschaffen suchte. Behilflich war Plantard dabei ein talentierter Esoteriker namens Gérard de Sède. Er fügte der fiktiven Genealogie eine wichtige Zwischenstation hinzu, die Landpfarrei Rennes-le-Château bei Carcassonne, deren Pfarrer Bérenger Saunière Ende des 19. Jahrhunderts plötzlich zu erstaunlichem Reichtum gelangt war, was man nun mit dem mythischen Templerschatz erklärte.
Den Gipfel der Absurdität erreichte der Mythos mit den Journalisten Michael Baigent, Richard Leigh und Henry Lincoln, welche die Blutlinie 1982 in ihrem Bestseller "Der heilige Gral und seine Erben" bis zu Maria Magdalena zurückführten, wobei sie freizügig Verschwörungstheorien und eigensinnig interpretierte historische Quellen vermengten.
Die Geschichtswissenschaft hatte für diese Konstrukte nie mehr als ein Achselzucken übrig. Nun aber unternimmt es ein französischer Historiker in einem imposanten Buch, das selbst einem Thriller gleicht, die Mär zu dekonstruieren. Mit Alexandre Adler tritt allerdings weniger ein Annales-Historiker vor das Publikum als ein erfahrener Publizist. Das macht den besonderen Charakter des Buchs aus.
Adler präsentiert die obengenannte Variante der Erzählung in all ihrer Lächerlichkeit, zitiert auch die gängigen Erklärungen der "radikalen Skeptiker". Doch so leicht komme man dem Geheimnis um Rennes-le-Château nicht bei. Adler schätzt nämlich de Sède als "von Grund auf ehrlich" ein. Und warum fand Abbé Saunière so viel Protektion, nicht nur durch den Bischof von Carcassonne, sondern auch durch mehrere Päpste? Hat es also doch mit den sich im Süden Frankreichs niederlassenden Templern zu tun?
Nun knöpft sich Adler mit Verve noch einmal sämtliche Theorien vor. Vielem kann er durchaus etwas abgewinnen, der Ansicht etwa, dass in Nicolas Poussins berühmtem Hirtengemälde "Et in Arcadia ego" eine Landschaft bei Rennes-le-Château dargestellt ist oder dass es die erste Jüngerin ins französische Exil trieb. Klarer aber sind die Absagen, die der Historiker erteilt: Weder Leonardo da Vinci habe mit der Sache etwas zu tun, noch gebe es auch nur entfernte Hinweise auf eine Nachkommenschaft Jesu.
Was so entsteht, ist ein zahlreiche Orden und Geheimgesellschaften umspannendes Möglichkeitspanorama mit vielen Leerstellen, aber einer insgesamt hohen Wahrscheinlichkeit. Weil Adler es für seine Argumentation braucht, konstatiert er auch einmal flugs die uneheliche Herkunft des Sonnenkönigs, weicht damit freilich vom Stand der Forschung gehörig ab. Über verschiedene rekonstruierte Verbindungslinien stehen die Katharer, der späte Templerorden und noch die Freimaurer mit der von ihm nachgezeichneten Tradition in Verbindung.
Gibt es nun einen Schatz in Rennes-le-Château, und von wo stammt er? Die spekulativste Denkmöglichkeit ist es, dass es sich um den alten, über die Westgoten nach Gallien gelangten Tempelschatz von Jerusalem handeln könnte. Selbst damit aber wäre jedem Mysterium der Boden entzogen. Immer noch wahrscheinlicher wäre es ohnehin, dass die Templer hier Wertvolles hinterlegt haben, aber wohl kaum die gefundene Bundeslade, sondern möglicherweise den ihnen anvertrauten Schatz der Katharer. Wie das zudem mit einem mittelalterlichen Judenkönigreich in Narbonne zusammenhängt, mag man - es soll nicht alles verraten werden - in dem rasant durch die Geschichte eilenden Buch selbst nachlesen.
Von einer gewissen mythischen Überhöhung des Templerordens aber ist auch Adler nicht frei. Es mögen sich ja die späten Templer, wie Adler meint, mystischen Elementen muslimischer Herkunft geöffnet haben. Doch zur Generalerklärung für ein intellektualisiertes Rittertum im hohen Mittelalter und die gesamte Artusepik taugt das wohl nicht. Besonders problematisch ist, dass sich Adler an dieser Stelle auf Inquisitionsdokumente stützt und damit womöglich der Propaganda des französischen Königshauses unter Philipp IV. ins Netz geht, die eine solche Untat wie die Verbrennung des Großmeisters eines bedeutenden und aufopferungsvollen Ordens durch ungeheuerliche Vorwürfe zu legitimieren hatte. Zerrieben wurden die Templer schlicht im Machtkampf zwischen dem französischen König und dem Papst. Der Spannung dieses Buches aber nimmt dies nichts.
OLIVER JUNGEN
Alexandre Adler: "Das Geheimnis der Templer". Von den Rosenkreuzern bis Rennes-le-Château. Aus dem Französischen von Holger Fock und Sabine Müller. Verlag C. H. Beck, München 2009. 240 S., 1 Karte, geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das Geheimnis der Templer, ein glänzender Thrillerstoff: Alexandre Adler mustert die vielen tollen Geschichten, entwirft aber auch seine eigene Fassung der historischen Begebenheiten.
Die Illuminaten sind zurück, als Pantoffelbomber, die in Ron Howards Blockbuster den letzten Rest von Sinn aus Dan Browns Romanvorlage heraussprengen. Bekanntlich ist der Protagonist in "Illuminati" derselbe wie in der bereits verfilmten Fortsetzung "Der Da Vinci Code": der Kunsthistoriker Robert Langdon. Vielleicht wird man mit diesem Namen dereinst die größte häretische Bewegung in Verbindung bringen, mit der das Christentum je zu tun hatte. Hunderte von Millionen Menschen haben sich schließlich inzwischen für die kecke These interessiert, Maria Magdalena sei nicht nur die Gattin Jesu gewesen, sondern auch die Mutter seiner Tochter. Der Templerorden, Leonardo da Vinci und die Geheimgesellschaften seien, so der blumig-esoterische Plot, Hüter des Geheimnisses der hierdurch begründeten und doch tatsächlich bis zur weiblichen Hauptfigur reichenden Dynastie gewesen.
Dan Brown schmückte nur aus, was zu guten Teilen der Hochstapler Pierre Plantard erdacht hat, der sich und seiner "Bruderschaft vom Berg Zion" in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit gefälschten Dokumenten eine bis zu den Merowingern zurückreichende Tradition zu verschaffen suchte. Behilflich war Plantard dabei ein talentierter Esoteriker namens Gérard de Sède. Er fügte der fiktiven Genealogie eine wichtige Zwischenstation hinzu, die Landpfarrei Rennes-le-Château bei Carcassonne, deren Pfarrer Bérenger Saunière Ende des 19. Jahrhunderts plötzlich zu erstaunlichem Reichtum gelangt war, was man nun mit dem mythischen Templerschatz erklärte.
Den Gipfel der Absurdität erreichte der Mythos mit den Journalisten Michael Baigent, Richard Leigh und Henry Lincoln, welche die Blutlinie 1982 in ihrem Bestseller "Der heilige Gral und seine Erben" bis zu Maria Magdalena zurückführten, wobei sie freizügig Verschwörungstheorien und eigensinnig interpretierte historische Quellen vermengten.
Die Geschichtswissenschaft hatte für diese Konstrukte nie mehr als ein Achselzucken übrig. Nun aber unternimmt es ein französischer Historiker in einem imposanten Buch, das selbst einem Thriller gleicht, die Mär zu dekonstruieren. Mit Alexandre Adler tritt allerdings weniger ein Annales-Historiker vor das Publikum als ein erfahrener Publizist. Das macht den besonderen Charakter des Buchs aus.
Adler präsentiert die obengenannte Variante der Erzählung in all ihrer Lächerlichkeit, zitiert auch die gängigen Erklärungen der "radikalen Skeptiker". Doch so leicht komme man dem Geheimnis um Rennes-le-Château nicht bei. Adler schätzt nämlich de Sède als "von Grund auf ehrlich" ein. Und warum fand Abbé Saunière so viel Protektion, nicht nur durch den Bischof von Carcassonne, sondern auch durch mehrere Päpste? Hat es also doch mit den sich im Süden Frankreichs niederlassenden Templern zu tun?
Nun knöpft sich Adler mit Verve noch einmal sämtliche Theorien vor. Vielem kann er durchaus etwas abgewinnen, der Ansicht etwa, dass in Nicolas Poussins berühmtem Hirtengemälde "Et in Arcadia ego" eine Landschaft bei Rennes-le-Château dargestellt ist oder dass es die erste Jüngerin ins französische Exil trieb. Klarer aber sind die Absagen, die der Historiker erteilt: Weder Leonardo da Vinci habe mit der Sache etwas zu tun, noch gebe es auch nur entfernte Hinweise auf eine Nachkommenschaft Jesu.
Was so entsteht, ist ein zahlreiche Orden und Geheimgesellschaften umspannendes Möglichkeitspanorama mit vielen Leerstellen, aber einer insgesamt hohen Wahrscheinlichkeit. Weil Adler es für seine Argumentation braucht, konstatiert er auch einmal flugs die uneheliche Herkunft des Sonnenkönigs, weicht damit freilich vom Stand der Forschung gehörig ab. Über verschiedene rekonstruierte Verbindungslinien stehen die Katharer, der späte Templerorden und noch die Freimaurer mit der von ihm nachgezeichneten Tradition in Verbindung.
Gibt es nun einen Schatz in Rennes-le-Château, und von wo stammt er? Die spekulativste Denkmöglichkeit ist es, dass es sich um den alten, über die Westgoten nach Gallien gelangten Tempelschatz von Jerusalem handeln könnte. Selbst damit aber wäre jedem Mysterium der Boden entzogen. Immer noch wahrscheinlicher wäre es ohnehin, dass die Templer hier Wertvolles hinterlegt haben, aber wohl kaum die gefundene Bundeslade, sondern möglicherweise den ihnen anvertrauten Schatz der Katharer. Wie das zudem mit einem mittelalterlichen Judenkönigreich in Narbonne zusammenhängt, mag man - es soll nicht alles verraten werden - in dem rasant durch die Geschichte eilenden Buch selbst nachlesen.
Von einer gewissen mythischen Überhöhung des Templerordens aber ist auch Adler nicht frei. Es mögen sich ja die späten Templer, wie Adler meint, mystischen Elementen muslimischer Herkunft geöffnet haben. Doch zur Generalerklärung für ein intellektualisiertes Rittertum im hohen Mittelalter und die gesamte Artusepik taugt das wohl nicht. Besonders problematisch ist, dass sich Adler an dieser Stelle auf Inquisitionsdokumente stützt und damit womöglich der Propaganda des französischen Königshauses unter Philipp IV. ins Netz geht, die eine solche Untat wie die Verbrennung des Großmeisters eines bedeutenden und aufopferungsvollen Ordens durch ungeheuerliche Vorwürfe zu legitimieren hatte. Zerrieben wurden die Templer schlicht im Machtkampf zwischen dem französischen König und dem Papst. Der Spannung dieses Buches aber nimmt dies nichts.
OLIVER JUNGEN
Alexandre Adler: "Das Geheimnis der Templer". Von den Rosenkreuzern bis Rennes-le-Château. Aus dem Französischen von Holger Fock und Sabine Müller. Verlag C. H. Beck, München 2009. 240 S., 1 Karte, geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Der fiktiven Genealogie der Templer auf der Spur, hat dieses "imposante" und "spannende" Buch von Alexandre Adler dem Rezensenten in vielem die Augen geöffnet. Anders als den diversen Hobbygenealogen, scheint Jungen dem erfahrenen Publizisten Adler zu trauen, wenn es darum geht, existierende Theorien zu bewerten und ein Möglichkeitspanorama zum Thema zu entwerfen, dem Jungen, trotz vieler Leerstellen, "hohe Wahrscheinlichkeit" attestiert. Wenn der Autor durchaus auch seinen eigenen "Templer-Mythos" pflegt, wie er uns warnend mitteilt, so weiß der Rezensent am Ende doch immerhin, dass weder Leonardo da Vinci noch Jesus bei den Templern eine Rolle gespielt haben.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
"Ein imposantes Buch, das einem Thriller gleicht."
Oliver Jungen, Frankfurter Allgemeine Zeitung, November 2014
Oliver Jungen, Frankfurter Allgemeine Zeitung, November 2014