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Meine Großmutter hieß Fatma. Meine an dere Großmutter hieß ebenfalls Fatma und mindestens fünf meiner Cousinen. Sie alle lebten noch immer in diesem kleinen Dorf in Anatolien. Meine erste Erinnerung daran lag lange zurück: Es war dunkel und roch nach Qualm, mein Vater öffnete die Autotüre und trug mich ins Haus. Großmutter Fatma empfing uns und nahm mich auf den Arm. Am Hals roch sie nach saurem Joghurt. Nun lag Fatma im Sterben, und wir waren überstürzt aus Deutschland nach Anatolien gekommen, um Großmutter noch einmal zu sehen. Sie war seltsam vertraut und doch fremd für mich. Was sollte ich…mehr

Produktbeschreibung
Meine Großmutter hieß Fatma. Meine an dere Großmutter hieß ebenfalls Fatma und mindestens fünf meiner Cousinen. Sie alle lebten noch immer in diesem kleinen Dorf in Anatolien. Meine erste Erinnerung daran lag lange zurück: Es war dunkel und roch nach Qualm, mein Vater öffnete die Autotüre und trug mich ins Haus. Großmutter Fatma empfing uns und nahm mich auf den Arm. Am Hals roch sie nach saurem Joghurt. Nun lag Fatma im Sterben, und wir waren überstürzt aus Deutschland nach Anatolien gekommen, um Großmutter noch einmal zu sehen. Sie war seltsam vertraut und doch fremd für mich. Was sollte ich bei ihr, was wußte sie schon von mir? Nur langsam begriff ich, daß sie viele Antworten auf mein Leben kannte und auch den Schlüssel zu dem dunkelsten Kapitel unserer Familie in der Hand hielt.
Autorenporträt
Dilek Güngör wurde 1972 in Schwäbisch Gmünd als Tochter türkischer Einwanderer geboren. Nach ihrem Übersetzerstudium arbeitete sie bis 2003 als Journalistin bei der Berliner Zeitung, für die sie weiterhin eine wöchentliche Kolumne über die Ereignisse in ihrer deutsch-türkischen Familie schreibt. 2004 erschienen einige davon in Buchform unter dem Titel "Unter uns". Dilek Güngör lebt in Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.05.2007

Das Geheimnis der Pumphosen
Dilek Güngör präsentiert ihren Debütroman im Literaturhaus
Sollte Dilek Güngör mit ihrem Erstling das Ziel verfolgt haben, bloß in keine Schublade zu passen, ist ihr das gelungen. Einerseits geht es in dem Roman um die Stärke der einfachen Frauen in Anatolien – hört sich arg nach typisch westlichem Romantisieren „ursprünglicher” Lebensformen an. Es wird aber auch die zerstörerische Kraft brutaler Familienfehden thematisiert – also doch Kritik der islamischen Kultur samt der Gefahr, simple Vorurteile zu bedienen? Wahrscheinlich wird man dem Debüt der jungen Deutsch-Türkin am ehesten gerecht mit der Feststellung: „Das Geheimnis meiner türkischen Großmutter” ist einfach ein sehr schönes Buch geworden. Es erzählt von der Berührung zweier einander fremder Welten, von Abschieden und Lebenslügen. Außerdem sollte man unbedingt die hinreißende Alte Fatma in ihrer geblümten Pluderhose kennenlernen.
Zeitungsleser, die ihren Tag in der Hauptstadt mit Lektüre der Berliner Zeitung beginnen, ist Dilek Güngör keine Unbekannte. Die Kolumne der 34-Jährigen über das Abenteuer, in einer türkischen Familie zu leben, fand eine wachsende Fangemeinde. Die Glossen über heimlich rauchende Mütter, Schwestern, die vom bösen Blick getroffen werden, kamen an – „schon nach zwei Kolumnen möchte man unbedingt mit Tante Hatice Kichererbsen essen”, jubilierte die taz. Nach einer Sammlung der Zeitungstexte („Unter uns”) ist nun beim Piper-Verlag Dilek Güngörs erster Roman erschienen. Die Protagonistin Zeynep ist Tochter türkischer Einwanderer und Journalistin wie Dilek Güngör – trotzdem birgt die „Geschichte meiner türkischen Großmutter” allenfalls hier und da autobiographische Anklänge, sagt die Autorin. Sie wuchs in Schwäbisch Gmünd als Tochter von Einwanderern auf, und ihrem Tonfall meint man eine leise Mischung aus Schwäbeln und Berlinern anzuhören. „Ich wollte das so haben, weil es echter ist”: Das sagt sie oft als Antwort auf Fragen nach dem Plot des unterhaltsamen Romans, und lebensecht lesen sich die gut 200 Seiten auch. Angefangen vom Desinteresse der mit Liebeskummer beschäftigten Heldin, Anteil an der Krankheit ihrer entfernten fremden Großmutter Fatma („Am Hals roch sie nach saurem Joghurt”) zu nehmen, über die deutsch-türkischen Spannungen beim Eintreffen der reichen Verwandtschaft im anatolischen Dorf bis zur Erkenntnis der natürlich total überlegenen Berliner Journalistin, dass ihre Cousinen in den Pumphosen nicht so rückständig sind, wie sie annahm. „Zeynep denkt, wir Frauen im Dorf wissen nichts über Sex.”
Dass Dilek Güngör Themen wie machohaftes Männergehabe, folgsame Ehefrauen, Blutrache in die Handlung einbettet, anstatt sie mit aufgeregt erhobenem Zeigefinger zu problematisieren, macht die Stärke des Buchs aus. Damit kommen gesellschaftliche Defizite mindestens so eindringlich ins Blickfeld wie in einem engagierten Sachbuch – und man hat nebenbei noch eine gute Geschichte gelesen, die die Autorin nach eigenem Beteuern ganz unbefangen in einem halben Jahr heruntergeschrieben hat. Sie habe nach einem Studienjahr in England („Race and ethnic studies”) einfach keine Lust mehr auf die alte Arbeit als Reporterin, die kleine Form der Glosse gehabt. Also fing sie an, etwas Längeres zu schreiben, „ohne genaue Idee – ich habe beim Schreiben immer gedacht, so planlos verfasst man doch keinen Roman!” Es ist dann doch einer geworden. Und Dilek Güngör erwartet ihr erstes Kind; was im Fall der Romanheldin Zeynep eine Riesenerleichterung wäre für Großmutter Fatma, immer hoch besorgt um den Nachwuchs der Enkelin: „Sie wird schon noch gebären, nicht wahr, mein kluges Mädchen?” (Lesung mit Schauspielerin Maria Schrader heute, 20 Uhr, Literaturhaus.) ANNE GOEBEL
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