Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.04.2010Neuronale Basteleien
Das Gehirn sei ein Unfall der Natur, heißt es im Titel eines betont gutgelaunten und locker gehaltenen Einführungsbuches des Neurowissenschaftlers David J. Linden. Keinen Supercomputer haben wir im Kopf, sondern eine Behelfslösung auf allen Ebenen: Von Hirnarealen über Schaltkreise und Zellen bis zu Molekülen eine "unelegante und ineffiziente Materialsammlung", die "nichtsdestotrotz überraschend gut funktioniert". Linden verwendet den Vergleich mit den zusammenmontierten Aggregaten, um die evolutionär unterschiedlichen Entstehungszusammenhänge und Funktionen von Hirnregionen zu veranschaulichen. Überall stecken Anachronismen und Umwege, und überhaupt gleicht die umweltbedingte Ausformung der Gehirnentwicklung eher einer chaotischen Materialverschwendung: Unter den Neuronen herrscht ein Kampf ums Überleben. Weswegen Forschung, so Linden, sich aktuell eher für das kreative, aber auch an Rückwegen und Sackgassen reiche Hin und Her als für die Ordnung in der Dynamik der Hirnentwicklung interessiert. Liegt es nicht nahe, am ohnehin nur Montierten auch selbst zu basteln? Mit dem Bild vom zusammengeschraubten, womöglich geradezu behelfsmäßig organisierten Hirn kommt die von Linden vertretene Grundlagenforschung einem Trend entgegen, der in den handfesten Bereichen der Neuroforschung - in der Medizin und den an diese angeschlossenen Engineering-Abteilungen - als zukunftsträchtig gilt und unter dem Stichwort "Enhancement" für Kontroversen sorgt. (David J. Linden: "Das Gehirn - ein Unfall der Natur". Und warum es dennoch funktioniert. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2010. 316 S., geb., 19,95 [Euro].) pgg
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Das Gehirn sei ein Unfall der Natur, heißt es im Titel eines betont gutgelaunten und locker gehaltenen Einführungsbuches des Neurowissenschaftlers David J. Linden. Keinen Supercomputer haben wir im Kopf, sondern eine Behelfslösung auf allen Ebenen: Von Hirnarealen über Schaltkreise und Zellen bis zu Molekülen eine "unelegante und ineffiziente Materialsammlung", die "nichtsdestotrotz überraschend gut funktioniert". Linden verwendet den Vergleich mit den zusammenmontierten Aggregaten, um die evolutionär unterschiedlichen Entstehungszusammenhänge und Funktionen von Hirnregionen zu veranschaulichen. Überall stecken Anachronismen und Umwege, und überhaupt gleicht die umweltbedingte Ausformung der Gehirnentwicklung eher einer chaotischen Materialverschwendung: Unter den Neuronen herrscht ein Kampf ums Überleben. Weswegen Forschung, so Linden, sich aktuell eher für das kreative, aber auch an Rückwegen und Sackgassen reiche Hin und Her als für die Ordnung in der Dynamik der Hirnentwicklung interessiert. Liegt es nicht nahe, am ohnehin nur Montierten auch selbst zu basteln? Mit dem Bild vom zusammengeschraubten, womöglich geradezu behelfsmäßig organisierten Hirn kommt die von Linden vertretene Grundlagenforschung einem Trend entgegen, der in den handfesten Bereichen der Neuroforschung - in der Medizin und den an diese angeschlossenen Engineering-Abteilungen - als zukunftsträchtig gilt und unter dem Stichwort "Enhancement" für Kontroversen sorgt. (David J. Linden: "Das Gehirn - ein Unfall der Natur". Und warum es dennoch funktioniert. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2010. 316 S., geb., 19,95 [Euro].) pgg
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