Das Theater der Spätantike ist in den Schriften der Kirchenväter immer wieder thematisiert und in seinen Verfallserscheinungen beschrieben worden. In der kritischen Darstellung des Theaters durch Johannes Chrysostomus geht es weniger um die konkreten Inhalte des Bühnengeschehens als um deren Rezeption durch die Zuschauer. Der hohe Stellenwert der sinnlichen Wahrnehmung, vor allem die Wirkung des (lustvollen) Schauens, wird nicht nur für das Profantheater konstatiert, sondern auch bei der Gestaltung eines geistigen Theaters berücksichtigt. Die von Johannes Chrysostomus intendierte Prägung des öffentlichen Lebens durch den Entwurf einer Alternative zum weltlichen Schauspiel setzt die Bestimmung des Verhältnisses von Schauen und Handeln, von Ästhetik und Moral voraus. Dabei sind vor allem wirkungsästhetische Aspekte von Bedeutung, welche der Theaterkritik zu Grunde liegen und gleichzeitig die hohen Anforderungen an die Akteure im geistigen Theater erklären. Die ästhetische Dimensionund die Kriterien der moralischen Bewertung beider Formen des Theaters unterscheiden sich jedoch so grundlegend, dass die Diskrepanz zwischen der Strahlkraft chrysostomischer Ideale und der spätantiken Realität entsprechend schwer zu überbrücken ist.