Fünf Menschen auf der Suche nach Wahrheit und Trost.
Katharina Hagenas Roman entführt uns zu den Polarlichtern in der atemberaubenden Weite Kanadas. Er erzählt von Menschen, die etwas verloren haben - die Liebe, eine Freundin, die Mutter oder sich selbst. Da ist die Botanikerin Daphne Holt, die in der kanadischen Wildnis nach einer Freundin sucht und auf ein Geheimnis stößt. Da ist der Musiker in seinem Hausboot, der den letzten Willen seiner Frau erfüllt und auf dem zugefrorenen See das Nordlicht erwartet. Der zwölfjährige Richard sieht überall mögliche Wege zum Planeten Tschu, auf dem er seine Mutter und seine Schwester vermutet. Und da ist die verwirrte Dame, in deren Kopf sich die weiße Leere schon ganz ausgebreitet hat. Schließlich erfindet die Erzählerin ihre eigene Geschichte, einen Thriller über die Verbrechen einer skrupellosen Ölfirma, bei dem sie selbst in Lebensgefahr gerät. Ein bewegendes, fesselndes Buch, das in magischen Bildern von der rettenden Macht der Fantasie erzählt.
Katharina Hagenas Roman entführt uns zu den Polarlichtern in der atemberaubenden Weite Kanadas. Er erzählt von Menschen, die etwas verloren haben - die Liebe, eine Freundin, die Mutter oder sich selbst. Da ist die Botanikerin Daphne Holt, die in der kanadischen Wildnis nach einer Freundin sucht und auf ein Geheimnis stößt. Da ist der Musiker in seinem Hausboot, der den letzten Willen seiner Frau erfüllt und auf dem zugefrorenen See das Nordlicht erwartet. Der zwölfjährige Richard sieht überall mögliche Wege zum Planeten Tschu, auf dem er seine Mutter und seine Schwester vermutet. Und da ist die verwirrte Dame, in deren Kopf sich die weiße Leere schon ganz ausgebreitet hat. Schließlich erfindet die Erzählerin ihre eigene Geschichte, einen Thriller über die Verbrechen einer skrupellosen Ölfirma, bei dem sie selbst in Lebensgefahr gerät. Ein bewegendes, fesselndes Buch, das in magischen Bildern von der rettenden Macht der Fantasie erzählt.
»Ein kunstvoller Roman.« Brigitte Wir
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.11.2016Wer aufhört zu erzählen, ist tot
„Das Geräusch des Lichts“, der neue Roman von Katharina Hagena, beginnt im Wartezimmer
eines Nervenarztes. Am Ende aber sind die meisten Figuren auf dem Weg zum Nordlicht
VON FRANZISKA WOLFFHEIM
Es ist schon erstaunlich, wie ein unscheinbares Gewächs plötzlich zu einer Art Romanheld werden kann. Ein zartes, nur wenige Zentimeter hoch wachsendes Geflecht, das sich weiträumig ausbreitet. Moos? Ja, Moos. Die Wissenschaft der Moose, erfahren wir, heißt Bryologie, und eine der Hauptfiguren des Romans ist Bryologin. Dieses grüne Polster durchzieht leitmotivisch das neue Buch von Katharina Hagena. Auch der Roman „Das Geräusch des Lichts“ ist ein dichtes, weitverzweigtes Geflecht, überaus filigran und beziehungsreich, ein Motivteppich, über den man als Leser äußerst vorsichtig gehen muss, damit einem keiner der vielen Handlungsfäden entgeht.
Alles beginnt in einem Wartezimmer. Es ist das Wartezimmer eines Nervenarztes, an der Wand hängen Fotos von Kanada, auch ein Nachthimmel mit Nordlichtern ist zu sehen. Die Menschen, die hier warten, sind sehr verschieden, auch ihr Nervositätspegel ist unterschiedlich hoch. Eine der Wartenden denkt sich Geschichten zu den Patienten aus, die sie beobachtet. Das Erzählen als Ablenkungsmanöver, denn der Befund, auf den sie seit Wochen wartet, beunruhigt sie. Also muss sie immer weitererzählen: „Wer aufhört zu erzählen, ist tot.“ Die bekannte Rettungsstrategie der Scheherazade. Die Frau fabuliert am Ende auch über ihr eigenes Leben, wie sie in Kanada in die üblen Machenschaften einer Ölfirma hineingezogen wird. Vor allem aber taucht sie tief ein in die fiktiven Geschichten ihrer Mitpatienten. Geschichten, die traurig, anrührend, bedrohlich und manchmal auch komisch sind.
Da ist ein Vater, Mitte dreißig, mit seinem Sohn, an einer Hand trägt er zwei Eheringe. Eine alte Frau, die so nervös ist, dass man ihre Anspannung förmlich hören kann, ein hochfrequentes Geräusch. Ein Mann mit Zopf, der in das Wartezimmer hineinkracht und ebenso schnell wieder verschwindet. Und eine junge Frau, die sich erschrocken in sich selbst verkriecht.
Die anrührendste Geschichte hat mit dem ungleichen Vater-Sohn-Paar zu tun. Die Mutter des Jungen, die unter Depressionen litt, hat sich das Leben genommen und ihre Tochter mitgenommen. Warum hat sie Richard, den Sohn, alleingelassen? Richard weiß es nicht. Er stellt sich vor, Mutter und Schwester seien gar nicht tot, sondern unterwegs zu dem fernen Planeten Tschu. Da er vermutet, dass sie einen unterirdischen Geheimgang nahmen, untersucht er alle Gullys in seiner Umgebung. Auch später, auf einer längeren Reise mit dem Vater, meint er überall Spuren der Verschollenen zu finden – bis in die abgelegene kanadische Stadt Yellowknife, wo man das Nordlicht besonders gut sieht. Was Vater und Sohn eint, ist das Gefühl, auf den jeweils anderen aufpassen zu müssen. Richards Vater macht sich Sorgen, weil der Sohn ganz und gar in seine Fantasiewelten abtaucht. Richard hasst es, wenn er mitkriegt, wie sein Vater, der schon einmal einen Burn-out hatte, aus Kummer heult. „Ich finde, er soll sich lieber zusammenreißen und mir beim Suchen helfen.“ Jeder denkt, der andere sei nicht ganz normal. Aber was ist schon normal, wenn die Familie plötzlich um die Hälfte dezimiert ist? Diese Geschichte ist das Herzstück des Romans, und Hagena gelingt eine wunderbare Balance von Traurigkeit und Humor. Die Macht der Fantasie, mit der Richard den fernen Planeten Tschu beschwört, wird für den Jungen zur Überlebensstrategie.
Auch Daphne Holt, Moos-Forscherin, zieht es nach Kanada. Die zurückhaltende Botanikerin sucht nach ihrer Kollegin Thekla Kern, die dort als Zoologin ein Forschungsjahr macht. Holt hat länger nichts ihr gehört und macht sich Sorgen. Auch sie landet in Yellowknife und später in einer abgelegenen Lodge, um das Nordlicht zu sehen. Von einer verwirrten alten Frau bekommt Holt Briefe ausgehändigt, in denen von Thekla Kern die Rede ist. Aber sonst keine Spur von der Kollegin. Als wenig später ihr Zimmer verwüstet wird, tritt sie Hals über Kopf die Rückreise an. In Hamburg lässt sie sich zu einem Nervenarzt überweisen, da sie unter Schwindelattacken leidet. Auf eine Nachricht von Thekla Kern wartet sie vergeblich. Aber sie entdeckt die Kollegin plötzlich unter ihrem Mikroskop, als sie ein Moospräparat untersucht: eine kleine Gestalt, die auf einem Moosblatt sitzt und an ihrem Haar nestelt. Die Zoologin als lebende Miniatur – eine der vielen fantastischen Transformationen, wie wir sie mehrfach im Roman erleben. An manchen Stellen übertreibt es Hagena allerdings mit ihrer Liebe zur Bryologie, und das klingt dann doch etwas gespreizt: „Daphne schaute aus dem Flugzeugfenster hinunter auf das große, leere Land. Sie fühlte sich wie ein Wimperntierchen, das man aus seiner Moosblattwanne gekippt hatte.“
Eines der großen Themen des Romans ist das Warten. Katharina Hagena buchstabiert es in all seinen Spielarten, von quälend (allzu häufig) bis erwartungsfroh (eher selten). Es gibt das Warten auf einen Befund. Auf ein Lebenszeichen. Auf eine Entschuldigung. Auf irgendetwas, von dem man nicht weiß, was es ist, ein diffuses Lebensgefühl, das Daphnes Jugend begleitet hat. Oder das Warten auf das Nordlicht. Auch der Musiker, der seine Frau verloren hat und zwischenzeitlich in Kanada auf einem dottergelben Hausboot lebt, wartet darauf. Hagena entwickelt auf ein paar Seiten des Romans sogar eine charmant-abgedrehte Grammatik des Wartens, optisch abgesetzt, in der sie zum Beispiel die verschiedenen Wartephasen dekliniert. Der fünfte Fall ist dann nicht der Ablativ, sondern der „Abgrundtiv“, sozusagen die höchste Stufe des Leidens. Immer wieder gibt es solche unerwarteten Cuts im Erzählfluss, auch Bilder von Hydranten oder Kaugummiautomaten, die im Buch abgedruckt sind, gehören dazu – ein bewusst gesetzter Kontrapunkt zu der eher dunklen Grundierung des Romans, in dem Tod und Verlust eine zentrale Rolle spielen.
Ähnlich verhält es sich mit den vielfältigen Geräuschen, mit denen Katharina Hagena kunstvoll jongliert – ein sinnliches Netzwerk, das den düsteren Sound der Wartezimmer-Geschichten ein wenig abmildert. Es wimmelt im Buch nur so von Klängen, Tönen und Lauten, und wir erfahren als Leser erstaunliche Dinge: Wie klingt zum Beispiel Winnipeg, der Name der kanadischen Stadt? Vielleicht wie eine afrikanische Nuss? Oder eher wie eine besonders kälteresistente Meerschweinchenart? So geht es weiter, bis zu Ottawa und Yellowknife. Jedes Wort weckt mit seinem Klang die skurrilsten Bedeutungs-Assoziationen. Fulminant ist schließlich Hagenas ausladender Klangteppich, mit dem sie das Nordlicht beschreibt.
Katharina Hagenas dritter Roman ist wieder voller Zeichen, Querverweise und Symbole, ein Katz-und-Maus-Spiel, in dem es vor Fährten und Geheimgängen nur so wimmelt. Ein ausgeklügeltes, selbstreferentielles System, das stellenweise aber überladen und manchmal sprachlich manieriert ist. Ob die Verwirrung im Kopf, die man als Leser gelegentlich spürt, auch einen Klang hat? Katharina Hagena könnte jetzt weit ausholen. Und bestimmt einen wunderbaren Soundtrack dazu liefern.
Richard vermutet seine
Mutter und seine Schwester auf
dem fernen Planeten Tschu
In der Grammatik dieses Romans
ist der fünfte Fall der Abgrundtiv,
die höchste Stufe des Leidens
Erzählen als Ablenkungsmanöver – Katharina Hagena.
Foto: Ulrich Baumgarten
Katharina Hagena:
Das Geräusch des Lichts. Roman. Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 2016.
272 Seiten, 20 Euro.
E-Book 17,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
„Das Geräusch des Lichts“, der neue Roman von Katharina Hagena, beginnt im Wartezimmer
eines Nervenarztes. Am Ende aber sind die meisten Figuren auf dem Weg zum Nordlicht
VON FRANZISKA WOLFFHEIM
Es ist schon erstaunlich, wie ein unscheinbares Gewächs plötzlich zu einer Art Romanheld werden kann. Ein zartes, nur wenige Zentimeter hoch wachsendes Geflecht, das sich weiträumig ausbreitet. Moos? Ja, Moos. Die Wissenschaft der Moose, erfahren wir, heißt Bryologie, und eine der Hauptfiguren des Romans ist Bryologin. Dieses grüne Polster durchzieht leitmotivisch das neue Buch von Katharina Hagena. Auch der Roman „Das Geräusch des Lichts“ ist ein dichtes, weitverzweigtes Geflecht, überaus filigran und beziehungsreich, ein Motivteppich, über den man als Leser äußerst vorsichtig gehen muss, damit einem keiner der vielen Handlungsfäden entgeht.
Alles beginnt in einem Wartezimmer. Es ist das Wartezimmer eines Nervenarztes, an der Wand hängen Fotos von Kanada, auch ein Nachthimmel mit Nordlichtern ist zu sehen. Die Menschen, die hier warten, sind sehr verschieden, auch ihr Nervositätspegel ist unterschiedlich hoch. Eine der Wartenden denkt sich Geschichten zu den Patienten aus, die sie beobachtet. Das Erzählen als Ablenkungsmanöver, denn der Befund, auf den sie seit Wochen wartet, beunruhigt sie. Also muss sie immer weitererzählen: „Wer aufhört zu erzählen, ist tot.“ Die bekannte Rettungsstrategie der Scheherazade. Die Frau fabuliert am Ende auch über ihr eigenes Leben, wie sie in Kanada in die üblen Machenschaften einer Ölfirma hineingezogen wird. Vor allem aber taucht sie tief ein in die fiktiven Geschichten ihrer Mitpatienten. Geschichten, die traurig, anrührend, bedrohlich und manchmal auch komisch sind.
Da ist ein Vater, Mitte dreißig, mit seinem Sohn, an einer Hand trägt er zwei Eheringe. Eine alte Frau, die so nervös ist, dass man ihre Anspannung förmlich hören kann, ein hochfrequentes Geräusch. Ein Mann mit Zopf, der in das Wartezimmer hineinkracht und ebenso schnell wieder verschwindet. Und eine junge Frau, die sich erschrocken in sich selbst verkriecht.
Die anrührendste Geschichte hat mit dem ungleichen Vater-Sohn-Paar zu tun. Die Mutter des Jungen, die unter Depressionen litt, hat sich das Leben genommen und ihre Tochter mitgenommen. Warum hat sie Richard, den Sohn, alleingelassen? Richard weiß es nicht. Er stellt sich vor, Mutter und Schwester seien gar nicht tot, sondern unterwegs zu dem fernen Planeten Tschu. Da er vermutet, dass sie einen unterirdischen Geheimgang nahmen, untersucht er alle Gullys in seiner Umgebung. Auch später, auf einer längeren Reise mit dem Vater, meint er überall Spuren der Verschollenen zu finden – bis in die abgelegene kanadische Stadt Yellowknife, wo man das Nordlicht besonders gut sieht. Was Vater und Sohn eint, ist das Gefühl, auf den jeweils anderen aufpassen zu müssen. Richards Vater macht sich Sorgen, weil der Sohn ganz und gar in seine Fantasiewelten abtaucht. Richard hasst es, wenn er mitkriegt, wie sein Vater, der schon einmal einen Burn-out hatte, aus Kummer heult. „Ich finde, er soll sich lieber zusammenreißen und mir beim Suchen helfen.“ Jeder denkt, der andere sei nicht ganz normal. Aber was ist schon normal, wenn die Familie plötzlich um die Hälfte dezimiert ist? Diese Geschichte ist das Herzstück des Romans, und Hagena gelingt eine wunderbare Balance von Traurigkeit und Humor. Die Macht der Fantasie, mit der Richard den fernen Planeten Tschu beschwört, wird für den Jungen zur Überlebensstrategie.
Auch Daphne Holt, Moos-Forscherin, zieht es nach Kanada. Die zurückhaltende Botanikerin sucht nach ihrer Kollegin Thekla Kern, die dort als Zoologin ein Forschungsjahr macht. Holt hat länger nichts ihr gehört und macht sich Sorgen. Auch sie landet in Yellowknife und später in einer abgelegenen Lodge, um das Nordlicht zu sehen. Von einer verwirrten alten Frau bekommt Holt Briefe ausgehändigt, in denen von Thekla Kern die Rede ist. Aber sonst keine Spur von der Kollegin. Als wenig später ihr Zimmer verwüstet wird, tritt sie Hals über Kopf die Rückreise an. In Hamburg lässt sie sich zu einem Nervenarzt überweisen, da sie unter Schwindelattacken leidet. Auf eine Nachricht von Thekla Kern wartet sie vergeblich. Aber sie entdeckt die Kollegin plötzlich unter ihrem Mikroskop, als sie ein Moospräparat untersucht: eine kleine Gestalt, die auf einem Moosblatt sitzt und an ihrem Haar nestelt. Die Zoologin als lebende Miniatur – eine der vielen fantastischen Transformationen, wie wir sie mehrfach im Roman erleben. An manchen Stellen übertreibt es Hagena allerdings mit ihrer Liebe zur Bryologie, und das klingt dann doch etwas gespreizt: „Daphne schaute aus dem Flugzeugfenster hinunter auf das große, leere Land. Sie fühlte sich wie ein Wimperntierchen, das man aus seiner Moosblattwanne gekippt hatte.“
Eines der großen Themen des Romans ist das Warten. Katharina Hagena buchstabiert es in all seinen Spielarten, von quälend (allzu häufig) bis erwartungsfroh (eher selten). Es gibt das Warten auf einen Befund. Auf ein Lebenszeichen. Auf eine Entschuldigung. Auf irgendetwas, von dem man nicht weiß, was es ist, ein diffuses Lebensgefühl, das Daphnes Jugend begleitet hat. Oder das Warten auf das Nordlicht. Auch der Musiker, der seine Frau verloren hat und zwischenzeitlich in Kanada auf einem dottergelben Hausboot lebt, wartet darauf. Hagena entwickelt auf ein paar Seiten des Romans sogar eine charmant-abgedrehte Grammatik des Wartens, optisch abgesetzt, in der sie zum Beispiel die verschiedenen Wartephasen dekliniert. Der fünfte Fall ist dann nicht der Ablativ, sondern der „Abgrundtiv“, sozusagen die höchste Stufe des Leidens. Immer wieder gibt es solche unerwarteten Cuts im Erzählfluss, auch Bilder von Hydranten oder Kaugummiautomaten, die im Buch abgedruckt sind, gehören dazu – ein bewusst gesetzter Kontrapunkt zu der eher dunklen Grundierung des Romans, in dem Tod und Verlust eine zentrale Rolle spielen.
Ähnlich verhält es sich mit den vielfältigen Geräuschen, mit denen Katharina Hagena kunstvoll jongliert – ein sinnliches Netzwerk, das den düsteren Sound der Wartezimmer-Geschichten ein wenig abmildert. Es wimmelt im Buch nur so von Klängen, Tönen und Lauten, und wir erfahren als Leser erstaunliche Dinge: Wie klingt zum Beispiel Winnipeg, der Name der kanadischen Stadt? Vielleicht wie eine afrikanische Nuss? Oder eher wie eine besonders kälteresistente Meerschweinchenart? So geht es weiter, bis zu Ottawa und Yellowknife. Jedes Wort weckt mit seinem Klang die skurrilsten Bedeutungs-Assoziationen. Fulminant ist schließlich Hagenas ausladender Klangteppich, mit dem sie das Nordlicht beschreibt.
Katharina Hagenas dritter Roman ist wieder voller Zeichen, Querverweise und Symbole, ein Katz-und-Maus-Spiel, in dem es vor Fährten und Geheimgängen nur so wimmelt. Ein ausgeklügeltes, selbstreferentielles System, das stellenweise aber überladen und manchmal sprachlich manieriert ist. Ob die Verwirrung im Kopf, die man als Leser gelegentlich spürt, auch einen Klang hat? Katharina Hagena könnte jetzt weit ausholen. Und bestimmt einen wunderbaren Soundtrack dazu liefern.
Richard vermutet seine
Mutter und seine Schwester auf
dem fernen Planeten Tschu
In der Grammatik dieses Romans
ist der fünfte Fall der Abgrundtiv,
die höchste Stufe des Leidens
Erzählen als Ablenkungsmanöver – Katharina Hagena.
Foto: Ulrich Baumgarten
Katharina Hagena:
Das Geräusch des Lichts. Roman. Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 2016.
272 Seiten, 20 Euro.
E-Book 17,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de