Der Rechtsstaat, den Hegel in den Grundlinien der Philosophie des Rechtes entwickelt, ist zwar als der Versuch zu verstehen, die in einem Ethos verwurzelte griechische Freiheit mit der universellen Freiheit der Französischen Revolution zu versöhnen, aber in unserer Zeit hat sich herausgestellt, daß die Versöhnung auf halbem Wege stecken geblieben ist. Hegel introduziert die bürgerliche Gesellschaft als den institutionellen Mechanismus, der den traditionell bestimmten Ethos dazu zwingt sich immer wieder aufs neue (unter dem Druck der subjektiven Freiheit) zu erneuern. Der multikulturellen Gesellschaft wird innerhalb seiner Konzeption jedoch kein Platz eingeräumt. Die multikulturellen Verhältnisse überläßt er der Weltgeschichte, d.h. den Beziehungen zwischen den verschiedenen Staaten. Dieses Buch beabsichtigt, die Institutionen des Hegelschen Rechtsstaates derart zu aktualisieren, daß sie das reflexive Verhältnis zu der eigenen Tradition und deshalb auch eine Offenheit für andere Traditionen ermöglichen. Diese Aktualisierung wird mit Hilfe der Phänomenologie des Geistes vollzogen. Denn in diesem Werk werden nicht nur die historischen Bildungsprozesse thematisiert, die die Entwicklung der Institutionen des Rechtsstaates voraussetzen, sondern auch diejenigen Bildungsprozesse, die die explizite Einsicht in die eigene Art und in die Historizität dieser Institutionen zum Resultat hat. Das "Gesetz der multikulturellen Gesellschaft" legt die Bedingungen fest, denen die Institutionen einer Gesellschaft entsprechen müssen, in der jede Bürger individuell die genannten historischen Bildungsprozesse nachvollziehen kann. Aus diesem Grunde formuliert das "Gesetz der multikulturellen Gesellschaft" die Möglichkeitsbedingungen jeder multikulturellen Gesellschaft, in der Menschenrechte und Demokratie verwirklicht sind.