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"Denn der alleredelst Sinn des Menschen ist das Gesicht." Das Wort Albrecht Dürers gibt diesen 19 Aufsätzen zur Kunst die Losung. Sie handeln in eindringlicher Prosa von Delacroix, Daumier, Manet (und Valery), Monet, Menzel, Liebermann, Corinth, Redon, Vuillard, Giacometti und Beckmann und fügen sich zu Fazit, Postualt und Bekenntnis, wie sie schon der einleitende Essay "Das Gesicht" formuliert: Gabe und Aufgabe des Sehens. Es gilt, schauend mit der Kunst umzugehen, "ohne Theorien und unbewußte Begrifflichkeiten" schauend einzudringen ins Bild. Nur so antwortet es dem Fragenden. Diesem Schauen…mehr

Produktbeschreibung
"Denn der alleredelst Sinn des Menschen ist das Gesicht." Das Wort Albrecht Dürers gibt diesen 19 Aufsätzen zur Kunst die Losung. Sie handeln in eindringlicher Prosa von Delacroix, Daumier, Manet (und Valery), Monet, Menzel, Liebermann, Corinth, Redon, Vuillard, Giacometti und Beckmann und fügen sich zu Fazit, Postualt und Bekenntnis, wie sie schon der einleitende Essay "Das Gesicht" formuliert: Gabe und Aufgabe des Sehens. Es gilt, schauend mit der Kunst umzugehen, "ohne Theorien und unbewußte Begrifflichkeiten" schauend einzudringen ins Bild. Nur so antwortet es dem Fragenden. Diesem Schauen muß das Museum dienen. "Die Probleme von Tod und Museum" aber stellt perspektivenreich die abschließende Arbeit dar: "Grab oder Schatzhaus. Ein Kapitel Museumsgeschichte."
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.12.1997

Augapfel, sei wachsam
Günter Busch setzt die Malerei ins Licht / Von Werner Schade

Bekenntnisse von der Art "ich denke, ich male" sind selten geworden. Man ist gewohnt zu lesen, daß es im Philosophen denkt, im Maler malt, im Zeichner zeichnet. Auf diese Weise wird umschrieben, was den Handelnden unbegreiflich ist. "Wie eine mächtige Zauberin nimmt dich die Malerei auf ihre Flügel", sagt der Maler Eugène Delacroix, selbst ein Zauberer im vorigen Jahrhundert; "alles geriet mir zu Zeichnungen, mit dem Stift, mit der Kohle", notiert Odilon Redon, der hervorragende französische Zeichner. An die Unbegreiflichkeit des Auges, nicht etwa an seine Unkontrolliertheit, wird hier erinnert. In den gleichen Zusammenhang gehört Max Beckmanns bekannter Satz: "Belastet - oder begnadet - mit einer furchtbaren vitalen Sinnlichkeit muß ich die Weisheit mit den Augen suchen."

Diese drei Zitate sind einer Aufsatzsammlung von Günter Busch entnommen, dem langjährigen Direktor der Bremer Kunsthalle. Sollte man den Faden nennen, der die in Länge und Bedeutung unterschiedlichen Beiträge des Buches verbindet, so wäre es das Streben nach Sicherheit, nach Authentizität. Der Verfasser schreibt außerdem in dem Bewußtsein, selbst Zeugnis über seine Zeit abzulegen. Er gehört zu einer Generation, die noch Max J. Friedländer erlebt hat und Paul Valéry.

Der wichtigste Aufsatz des Bandes ist Delacroix gewidmet. Sein ungewöhnliches Bild des Königs Rodrigo in Bremen wird in die Geschichte eines Faschingsvergnügens von 1833 im Hause Dumas eingebettet. Besäßen wir die Aufzeichnungen des Schriftstellers nicht, wäre das in Wasserfarben hingeschleuderte steile Bild, ein Pfeilerstück offenbar, schwer zu erklären. Mit Vergnügen folgen wir der Handlung, um dann von den früheren Reiterbildnissen, die Delacroix bewegt haben könnten, fasziniert zu werden. Hier schlägt der Bericht um in ein kunsthistorisches Panorama von bewunderungswürdigem Relief.

Das "geistesgeschichtliche Tableau", von dem Busch einmal spricht, ist nie Selbstzweck. Einmal verweilen wir auf dem Faschingsball bei Alexandre Dumas, vielleicht nur, um beiläufig zu erfahren, daß in der Rezeptionsgeschichte der Kunst die Begabungen geringeren Zuschnitts nicht selten den Vortritt vor den Originalgenies erhalten. Einmal befinden wir uns mit Vuillard in einem bestimmten Salon oder mit Menzel beim Hofvergnügen in Berlin. Im Ausstellungssaal der Baseler Kunsthalle werden wir Zeugen, wie der angesehene Baseler Museumsdirektor Georg Schmidt der vermeintlichen Überbewertung Max Beckmanns entgegentritt. Die Damen Berthe Morisot und Victorine Meurant, die Manet malte, die Camille-Léonie Doncieux an der Seite Monets, das Interieur der Schauspielerin Marthe Mellot prägen sich ein. Wem verdankten wir den Blick in Alexandre Lenoirs sentimentales Museum und seinen Garten mit seinen heiklen Ergänzungen, wer brachte uns mit dem verlöschenden Maler Bernt Grönvold zusammen, wer ist der malende Herr (Beckmann), der das Bekenntnis zu seiner Männlichkeit mit dem Motiv des Großen Fisches verbindet?

In souveräner Verknüpfung erscheint der Zeichner Giacometti in der Nachbarschaft des zeichnenden Delacroix. Das Beispiel von dessen Temperamalerei schwingt bis zu einem Bild ähnlicher Technik von der Hand Edouard Vuillards, einem Motiv übrigens, das Stadtlandschaften Beckmanns nahe kommt. Busch erklärt die schwerfällige Ölfarbentechnik des Autodidakten Adolph Menzel aus dessen Wasserfarbenerfahrung. Der Pastellmaler Liebermann - sicherlich von Menzels Farbkreiden nicht unberührt - gewinnt unbekannte Konturen. Bei Betrachtung des Zeichners Redon wird gleichsam im Vorbeigehen die Geschichte der bildmäßigen Stiftzeichnung in Schwarz aufgerollt. Manche Entdeckung überläßt der Verfasser dem Leser: Wie etwa in einer Art von geheimer Korrespondenz das Motiv der weitgeöffneten Augen bei Manet der von dem Porträtierten selbst verlangten Augenlosigkeit des Bildnisses Grönvolds von Lovis Corinth begegnet.

Das Buch vermittelt nicht nur Anstöße zum Augenerlebnis, es spürt in unspektakulären Bereichen nach den Antriebsenergien der Künstler. "Delacroix ist manchmal unbeholfen", sagt Baudelaire, "aber von Grund auf schöpferisch." Der Verfasser geht dem Schöpferischen im Werk seiner Helden nach, mit einer Behutsamkeit, die in der Kunstbetrachtung ihresgleichen sucht. Valéry erinnerte einmal an die Wahrscheinlichkeit, daß unsere unmittelbare Beobachtung ungenau ist: das Werk der Verfälschung, das unsere Augen begehen. "Beobachtung, das ist hauptsächlich ein Sich-Vorstellen dessen, was man mit Sicherheit zu sehen erwartet", heißt sein skeptischer Schluß. Diese Bedingtheit des Augenerlebnisses schwingt in unausgesprochener Weise überall in diesem Buch mit.

Die Auswahl umfaßt zwölf Maler und hat in ihrem Aufbau etwas unerwartet Strenges. Die meisten Beiträge sind Gelegenheitsarbeiten. Gerade das scheinbar Zufällige ihrer Anlage läßt die brennenden Grundfragen hervortreten. Der Titel der Sammlung "Das Gesicht" geht zwar auf Dürers Lob des Augensinnes zurück, aber er legt zugleich etwas von der Formulierung der Gesichter als "lichtspendender und lichtempfangender Erscheinungen" nahe, von denen Valéry in anderem Zusammenhang gesprochen hat. Es liegt etwas von diesem Leuchten über dem geschriebenen Wort des Verfassers.

Günter Busch: "Das Gesicht". Aufsätze zur Kunst. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1997. 383 S., 52 Abb., geb., 48,- DM.

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