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Thomas Brussig erzählt die schillernde Biographie des berühmten Schriftstellers Thomas Brussig - und schreibt nebenbei unsere Gegenwart um.
1991 erscheint in der DDR der erste Roman von Thomas Brussig. Auf einer Lesung lässt er sich zu einer pathetischen Rede hinreißen: Solange es nicht alle können, wird auch er keine Reise in den Westen unternehmen! Solange nicht jeder eines haben kann, wird auch er kein Telefon haben! Und, weil erst drei Versprechen magisch binden: Solange es verboten ist, will auch er niemals 'Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins' lesen! Das macht ihn schlagartig…mehr

Produktbeschreibung
Thomas Brussig erzählt die schillernde Biographie des berühmten Schriftstellers Thomas Brussig - und schreibt nebenbei unsere Gegenwart um.

1991 erscheint in der DDR der erste Roman von Thomas Brussig. Auf einer Lesung lässt er sich zu einer pathetischen Rede hinreißen: Solange es nicht alle können, wird auch er keine Reise in den Westen unternehmen! Solange nicht jeder eines haben kann, wird auch er kein Telefon haben! Und, weil erst drei Versprechen magisch binden: Solange es verboten ist, will auch er niemals 'Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins' lesen! Das macht ihn schlagartig berühmt. In den folgenden Jahren wird er, der eigentlich ein kleiner Feigling ist, für einen Dissidenten gehalten, er soll Olympiabotschafter für Berlin werden, knutscht im Harz unter Eiffeltürmen aus Holz, findet sich in eine Stasi-Affäre verwickelt und beeinflusst mit seinem Schreiben und seiner Guerilla-Statistik die öffentliche Meinung im Osten wie im Westen. Doch die DDR hält sich - bis heute.

Nach 'Helden wie wir' und 'Am kürzeren Ende der Sonnenallee' erzählt Thomas Brussig die abenteuerlich schillernde Biographie des berühmten Schriftstellers Thomas Brussig und schreibt nebenbei unsere Gegenwart um: Ein zutiefst komisches und wahnwitzig ernsthaftes Spiel über fünfzig Jahre Leben in der DDR.

»Ich habe Thomas Brussig gelesen. Hätte ich ein zweites Leben, würde ich seine Romane ins Englische übertragen. Nur um zweifelnden Amerikanern zu zeigen, wie unglaublich komisch deutsche Literatur sein kann.« (Jonathan Franzen)
Autorenporträt
Brussig, ThomasThomas Brussig,1964 in Berlin geboren, hatte 1995 seinen Durchbruch mit dem Roman 'Helden wie wir'. Es folgten u.a. 'Am kürzeren Ende der Sonnenallee' (1999), 'Wie es leuchtet' (2004) und das Musical 'Hinterm Horizont' (2011). Seine Werke wurden in 30 Sprachen übersetzt. Thomas Brussig ist der einzige lebende deutsche Schriftsteller, der sowohl mit seinem literarischen Werk als auch mit einem Kinofilm und einem Bühnenwerk ein Millionenpublikum erreichte. Zuletzt erschienen von ihm die Romane 'Das gibts in keinem Russenfilm' (2015) und 'Beste Absichten' (2017).Literaturpreise:u.a.:1999 Drehbuchpreis der Bundesregierung für "Sonnenallee" (mit Leander Haußmann) 2000 Hans-Fallada-Preis der Stadt Neumünster2005 Carl-Zuckmayer-Medaille
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension

Was wäre, wenn die DDR weiterbestanden hätte, wenigstens noch in den 90ern, wirtschaftlich erfolgreich gewesen wäre und sich dann "auf Augenhöhe" mit Westdeutschland vereinigt hätte? Thomas Brussig versetzt sich selbst in diese Zeit, als Schriftsteller Thomas Brussig, der nicht wirklich erfolgreich, aber auch nicht wirklich erfolglos ist, und ersinnt sich lauter kleine Anekdoten. Den Rezensenten Claus-Ulrich Bielefeld hat das nur sehr mäßig amüsiert. Lauter bekannte Namen tun unerwartete Dinge, aber sie bleiben doch Pappfiguren dabei. Für eine echte Satire ist das Buch nicht radikal genug. Und sprachlich ist Brussig auch nicht auf der Höhe, klagt der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.02.2015

Luftgitarre kontra Lachsack

Abgewendet wird die Wende: Bei Thomas Brussig prosperiert ein Schriftsteller namens Thomas Brussig in der modernen DDR. Sein größter Fan ist Apfelkuchen-Angela aus der Uckermark.

Der Affe denkt: Toll, Bananen. Dabei ist es egal, wie viele Gelbstücke vor ihm liegen. Der Mensch, der das Denken des Affen gar nicht Denken nennen will, unterscheidet sich von ihm durch eine prospektiv-nostalgische Hirnverknotung: ein ständig mitgeschlepptes "Was wäre wenn?", das einem jede Bananendichte vergällen kann, denn selbstredend stellt man sich nie eine weniger rosige Gegenwart vor. Thomas Brussig, der große Ostalgie-Humorist, ironisiert in seinem fröhlich kontrafaktischen und sich genretechnisch als Biographie tarnenden Buch diesen Dauerselbstbetrug in bewährter Ost-West-Manier und wieder einmal - hierin war Brussig immer ehrlich - zum guten Teil auf eigene Kosten. Dabei ist ein seltsamer Roman herausgekommen, verspielt, komisch, selbstreflexiv bis zur Schmerzgrenze, aber zugleich wie ein nicht fertiggebackener Kuchen auseinanderlaufend.

Die DDR wurde also nie abgewickelt, sondern wird sogar zum Vorreiter in Sachen Windenergienutzung. Der Held Thomas Brussig, der mit dem Autor manche Eckdaten teilt - so haben beide Brussigs die Romane "Wasserfarben" und "Helden wie wir" sowie ein Udo-Lindenberg-Musical geschrieben -, verdankt dieser Nichtwende ein Leben als Schriftsteller von Weltgeltung, denn im Sommer 1991 ist er durch Zufall in die Rolle des Dissidenten geplumpst. Zunächst erkennt der geschichtsblinde Protagonist den Berliner SED-Parteichef Günter Schabowski nicht, was als Heldentat gilt.

Wenig später gibt er, mitgerissen von Publikumsbegeisterung, bei einer Lesung im "Babylon" das gegen Schriftsteller-Privilegien gerichtete "babylonische Versprechen", den Westen erst zu besuchen, wenn dies sämtlichen DDR-Bürgern möglich sei. Ebenso verhalte es sich mit der Anschaffung eines Telefons und dem Lesen von Milan Kunderas Ost-West-Schmöker "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins". Von nun an kann der Held selbst mit einfallslosesten Buchplots (Hitler wurde Künstler, und der Zweite Weltkrieg fiel aus; Menschen müssen sich zwischen Unsterblichkeit und Sex entscheiden), die unter Titeln wie "Steil und geil" veröffentlicht werden, nichts mehr dagegen ausrichten, im Westen als Intellektueller gefeiert und mit Preisen zugeschmissen zu werden, während das DDR-Regime den Volkshelden ein wenig von der Stasi piesacken lässt: die Ai-Weiwei-Nummer eben.

Nachdem der neue DDR-Star durch zahlreiche Betten geturnt ist, lernt er seine erste große Liebe kennen, der er jedoch, sich durch sein Versprechen gebunden fühlend, nicht in den Westen folgt (es wird später, eines Kindes wegen, eine Aussöhnung geben, aber keine Wiedervereinigung). Prompt läuft ihm die nächste große Liebe über den Weg, eine Profi-Seilspringerin. An seichte Väter-Literatur erinnern die Passagen über die Zwillinge des Paares, die sich (nicht der beste Einfall) in dem Moment ankündigen, als die Zwillingstürme in New York kollabieren: "Ohne etwas daran zu finden, sprachen wir über Farbe, Geruch, Menge und Häufigkeit der Ausscheidungen."

Es überwiegen freilich die parodistischen Szenen einer zusammenspintisierten Gegen-Gegenwart: Sahra Wagenknecht ist darin Hauptansagerin der "Aktuellen Kamera" und verkündet die Aufhebung der Reisebeschränkungen, weil die DDR sich durch moderate Besteuerung der West-Jobs ihrer Bürger sanieren will. Petra Pau amtiert als Volksbildungsministerin der DDR, Oskar Lafontaine als bundesrepublikanischer Bundeskanzler und Egon Krenz als Staatschef der DDR. Gregor Gysi, der Anwalt des Helden, wird ihn beerben. Eine begeisterte Leserin bestürmt derweil den Roman-Brussig mit Apfelkuchen, eine Physikerin namens Angela. Ganz ohne Reiz sind solche "Was wäre wenn?"-Spiele nicht.

Natürlich stößt der Protagonist auch irgendwann auf den als völlig unglaubwürdig abgelehnten, "kontrafaktischen" Roman, der von einer Wiedervereinigung, von einem rechtsradikalen Terrortrio im Untergrund und von einem Ostmädchen als Bundeskanzlerin faselt. Überhaupt zielen zahlreiche Witze auf die Literaturszene: Ingo Schulze bekommt den Nobelpreis, Uwe Tellkamp schreibt den großen Ost-West-"Konsensschmöker" namens "Die Wand", Günter Grass vergeigt die aussichtsreiche Olympia-Bewerbung Berlins, und Maxim Biller ist der wichtigste West-Literat.

Viele Auftritte hat der S.-Fischer-Verleger Jörg Bong, denn in der Romanfiktion ist der Schelmen-Bestseller "Helden wie wir" bei Brussigs heutigem Verlag S. Fischer erschienen, nicht bei Volk und Welt: "Jörg Bong ist der fröhlichste, heiterste Mensch, dem ich je im Verlagswesen begegnet bin." Ähnlich lasch in Stil und Aussage sind übrigens die meisten Anrufungen realer Personen des Kulturlebens von Edgar Reitz bis Richard David Precht. Ohne Biss und echten Zusammenhang plätschert die Handlung vor sich hin, sammeln sich Plattitüden über das Leben und die Literatur an.

Spätestens an der Stelle, an der Witze über Christa Wolf gerissen werden, wirkt es, als sei hier ein Kabarettist auf seiner erfolgreichsten Nummer hängengeblieben. Freilich nimmt der Autor auf diesen Eindruck selbstreflexiv Bezug, wenn sein Alter Ego zur Erkenntnis vordringt: "Ohne die Reibung mit dem SED-Staat bin ich als Schriftsteller undenkbar." Der Witz des Buches besteht darin, dass die DDR nach chinesischem Muster auch ohne Wende und Wiedervereinigung im totalen Kapitalismus ankommt, was zugleich bedeutet, dass auch in der Romanwirklichkeit das Dissidenten-Ticket immer mehr an Wert verliert: "Ich mußte nun zur Kenntnis nehmen, wie abgemeldet ich war" - "mußte" mit "ß", denn die Rechtschreibreform hat es auch nicht gegeben.

Als trauriger, bloß noch reflexhaft agierender Kämpfer gegen Windmühlen (auf Holz-Eiffeltürme gesetzte Windräder entlang der innerdeutschen Grenze) endet unser Don Quijote. Er muss einsehen, dass die Bevölkerung auf Freiheit keinen Wert mehr legt, wenn die Kasse stimmt. Eine romantragende Einsicht wird daraus freilich nicht, auch wenn noch milde Scherze über die neue Ökonomie hinzukommen, in der man etwa durch Lachsack-Handy-Apps reich wird.

Letzteres ist vielmehr wieder ein Scherz auf eigene Kosten, denn Lacher verkauft auch (der echte) Thomas Brussig. Es sind einige tiefsatte darunter: Wolfgang Thierse mit Eiresten im Bart als selbstverliebter Verleger des "Bombastus"-Verlags, doch dominieren klar die Gags der Marke "Banane": Der Bruder des Protagonisten etwa verwirklicht seinen Traum, "Neil Young zu ,Rockin' in the Free World' auf der Luftgitarre zu begleiten". Ein anderes Mal wird vom dummen Ossi Katzentrockenfutter in die Kaffeemühle gefüllt. So kommt man nicht um das Fazit herum, dass diese recht banal erzählte, kunterbunt Schmunzel-Einfälle zusammenkleisternde Romanfarce trotz manch gelungener Infragestellung des begangenen Wegs über weite Strecken keineswegs steil und geil wirkt, sondern nur lahm und zahm.

OLIVER JUNGEN

Thomas Brussig: "Das gibts in keinem Russenfilm".

Roman.

S. Fischer Verlag,

Frankfurt am Main 2015. 384 S., geb., 19,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Das Ganze liest sich richtig gut weg. Brussig lügt eben intelligent, er kann das: bösartig sein. Und er schätzt das Absurde. Anja Maier taz 20150328