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Eine Seuche in einer amerikanischen Kleinstadt rafft die Menschen dahin. Nur Jacob Hansen stellt sich dagegen, wohlwissend, dass sein eigenes Lebensglück dabei auf dem Spiel steht. Er geht durch eine Hölle, in deren Flammen seine Schuld und Unschuld geprüft werden.
«Absolut unvergesslich.» (Brigitte) In einer amerikanischen Kleinstadt bricht eine Seuche aus. Jacob Hansen, Sheriff, Leichenbestatter und Pastor, muss hilflos zusehen, wie die Bewohner seine Warnungen vor der Krankheit in den Wind schlagern und alle Quarantänemassnahmen missachten. Die Zahl der Toten wächst dramatisch, von der…mehr

Produktbeschreibung
Eine Seuche in einer amerikanischen Kleinstadt rafft die Menschen dahin. Nur Jacob Hansen stellt sich dagegen, wohlwissend, dass sein eigenes Lebensglück dabei auf dem Spiel steht. Er geht durch eine Hölle, in deren Flammen seine Schuld und Unschuld geprüft werden.
«Absolut unvergesslich.» (Brigitte)
In einer amerikanischen Kleinstadt bricht eine Seuche aus. Jacob Hansen, Sheriff, Leichenbestatter und Pastor, muss hilflos zusehen, wie die Bewohner seine Warnungen vor der Krankheit in den Wind schlagern und alle Quarantänemassnahmen missachten. Die Zahl der Toten wächst dramatisch, von der friedlichen Dorfidylle ist nichts mehr zu spüren. Panik bricht aus. Und Jacob Hansen muss sich entscheiden: zwisdchen der Verantwortung für die Gemeinschaft und der Rettung seines privaten Lebensglücks.
«Ein Roman, der die Phantasie des Lesers wie mit heißen Nadeln traktiert.» (Die Weltwoche)

Autorenporträt
Stewart O¿Nan wurde 1961 in Pittsburgh/Pennsylvania geboren und wuchs in Boston auf. Bevor er Schriftsteller wurde, arbeitete er als Flugzeugingenieur und studierte an der Cornell University Literaturwissenschaft. Für seinen Erstlingsroman 'Engel im Schnee' erhielt er 1993 den William-Faulkner-Preis. Er veröffentlichte zahlreiche von der Kritik gefeierte Romane, darunter 'Emily, allein' und 'Die Chance', und eroberte sich eine große Leserschaft. Stewart O¿Nan lebt in Pittsburgh. 
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.10.2001

Wo der Wind von Unheil kündet
Bei Stewart O'Nan führt kein Weg aus der Apokalypse / Von Rose-Maria Gropp

Jacob Hansen ist Sheriff, Leichenbestatter und Prediger des Städtchens Friendship. Gewissenhaft will er jedes dieser Ämter versehen. Delikat ist ihre Vereinigung auf eine Person auch in ruhigen Zeiten; denn das sind Aufgaben, die von ihrer Natur her im Widerstreit liegen: Der vom weltlichen Gesetz im Namen von Recht und Ordnung zum Töten Ermächtigte kann nicht Gottes Gebote unbedingt einhalten. Und das Grauen eines schlimmen Todes, das Antlitz und Leib mit den Schrecken des Sterbens zeichnet, kann nicht in die Schönheit der Leiche verwandelt werden, die ausgeblutet, hergerichtet und mit Rouge auf den Wangen zu Gott heimgeleitet sein will: ganz so nämlich, wie Jacob seine Toten dem Herrn übergeben will, nachdem er sich "um sie gekümmert" hat.

Friendship in Wisconsin ist ein geschäftiges Nest fern der Hauptstadt Madison, eine kleine Zeit wohl nach dem amerikanischen Bürgerkrieg. Über Friendship brütet gerade der Sommer, den Jacob eigentlich mag. Jacob lebt da mit Marta, seiner schönen schmalhüftigen Frau, und Amelia, die noch ein Baby ist. Als die Hitze ihrem Höhepunkt entgegenschwelt, wird er zu einem toten Soldaten gerufen, an der Grenze zu Old Meyers Weideland, und auf dem Weg zurück mit dem Verstorbenen nach Friendship findet er in einem Feld Lydia Flynn, die ganz von Sinnen ist und Kleider aus der Großstadt anhat. Er bringt sie beide, den toten Soldaten und die noch lebende Frau, zum Doktor in die Stadt. So hat Jacob die Seuche in die Stadt gebracht - Jacob, der Sheriff, der Leichenbestatter. Hätte er sie liegenlassen sollen? Liegenlassen können? Liegenlassen dürfen? Und hat er sich später um den toten Soldaten nicht - gegen die Anweisungen des Doc - kümmern müssen, wie es sein Amt als Leichenbestatter erfordert? Und Marta und das Baby hat er doch auch nicht weggehen lassen können, damit wenigstens sie in Sicherheit wären. Auch wenn es die Diphtherie ist und es gegen die Diphtherie noch keine Arznei gibt. Und näher rückt das große Feuer aus der Ferne, entfacht schon, vorerst nur durch Gerüchte nach Friendship getragen. Heiß ist es - Vorhölle.

Am Ende, am furchtbaren Ende ist Jacob in nichts schuldig geworden; denn keine seiner Handlungen hätte er anders tun können - aus innerem Antrieb nicht und nicht aus äußeren Notwendigkeiten. Wer könnte Jacob richten? Denn die anderen Handelnden - die, die er nicht schützen kann vor Seuche und Feuer; die, die flüchten trotz des Verbots; die, die sich selbst und ihre Nächsten entleiben im Angesicht der Katastrophe - sind genauso Marionetten der Schöpfung, die nur den Gott, der nicht antwortet, kennt. Es war der aufgeklärte Doc, der lange zögerte, die Quarantäne über das Städtchen zu verhängen. Und der Sektenführer Chase draußen in seinem herrschaftlichen Haus, zu dessen Gefolge Lydia Flynn gehört hatte, gibt seiner Gemeinde ein eigenes Gesetz. Der über allen waltet, ist ein Deus absconditus, der, der sich verbirgt, der fürchterlichste von allen.

Das Wort "atembenehmend" kommt in diesem Roman einmal zu seinem vollen Sinn: Stewart O'Nan treibt seine Geschichte, treibt deren notgepeitschte Mitspieler und treibt die Leser vor sich her in die Hyperventilation. Die Gesichtsmaske, die Jacob fortan benutzen soll, wenn er sich um die Todgeweihten und um die Toten kümmert, das Tuch, das er sich endlich vor Mund und Nase zieht, wenn auch das alles verzehrende Feuer mit seiner Glut da ist, sind rührende Metaphern der Ausweglosigkeit im höllischen Desaster.

O'Nan ist der verborgene Chronist, der dieses Exempel auf die Apokalypse mit bestechender Kaltblütigkeit aufzeichnet. Kein einziger Satz ist in diesem Buch zuviel. Seine sprachmächtige Kargheit schreibt es an die Grenze des Erträglichen heran, vielleicht darüber hinaus. O'Nan wählt einen genialen literarischen Trick für sein Erzählen: "Diese sonnigen, trägen Tage gefallen dir", heißt es ganz am Anfang im Buch. Bei diesem "du" bleibt es. Dieses "du" schreibt die - in jedem Wortsinn unerhörte - Rede des Jacob Hansen an, des tragischen Protagonisten im Niedergang von Friendship. Das "du" ist, in einem, die Rede über ihn und seine eigene Rede mit sich selbst.

Dieses "du" gestattet es O'Nan, die Beherrschung seiner Kunst des Nachhinein auszuspielen, die gnadenlose Macht der Nachträglichkeit, die den Schauer der Erwartung weit überbietet: Kann doch Jacob nicht alle Erinnerung zur rechten Zeit denken, die ihn an "den Krieg" fesselt, nicht alles Handeln gleichzeitig bedenken. So gerät das "du" des Buches unterderhand zu einem Ich, das um sich selbst in seinem Tun nicht weiß, nicht wissen kann. Das Gefährliche, Lauernde an diesem Erzählen ist, daß der Leser in eine Identifikation hineingezogen wird, die keinen Halt mehr im Text findet. Das lakonische "du" ist die Subversion der Vorstellung vom intakten Individuum; ist doch die Distanzierung, die das Ich eines - gestehenden - Sprechers oder Schreibers immer noch erlaubt, suspendiert in der unauflösbaren Spaltung des Jacob.

Atembenehmend ist die Evokation von Bildern der Natur, die an ein animistisches Weltbild heranreicht. "Das Feuer kommt ganz plötzlich", heißt es gegen Ende, "es treibt einen Fuchs vor sich her. Sein Fell fängt an zu brennen, er strauchelt, und das Feuer holt ihn ein." O'Nan, jeder psychologischen Introspektion abhold, produziert ein handelndes nichtmenschliches Außen wie schon in seinem ersten Roman "Engel im Schnee". Jacob ist ein Wahlverwandter des Glenn aus "Engel im Schnee". Glenn ist nicht in der Lage, den basalen Ansprüchen des Alltags zu genügen. Auch er scheitert an der Fürsorge für seine Frau und die kleine Tochter - genau hundert Jahre später als Jacob. Aber während Glenn den Weg des Einfältigen, des Idioten der Gemeinschaft wählt, geht Jacob den aufrechten Gang des für die Gruppe Verantwortlichen. Was im "Engel im Schnee" gerade noch ironisch konterkariert wird, also abgefangen durch ein erzählendes Ich, bleibt in "Das Glück der anderen" ohne befreienden Kommentar, der eine wie auch immer verdüsterte Zukunft eröffnet. Auch die wohlfeilen Wahrheiten der Popmusik, die im "Engel im Schnee" immer wieder trösten, sind ersetzt durch die Worte der Bibel, vor denen Jacob nicht kapituliert wie Glenn am Ende vor dem siebten Psalm.

Es ist, als bohre O'Nan nicht nur tiefer in den Wunden Amerikas, sondern vor allem in der menschlichen Kondition, die simplen Gemütern schreckliche Prüfungen auferlegt. An die Stelle der deprimierend genauen Schilderung der Beschränktheit einer amerikanischen Kleinstadt im heutigen Nirgendwo ist die Klaustrophobie der Kaffs aus den amerikanischen Western-Filmen getreten, in denen Fetzen der Lokalzeitung über die verlassene Hauptstraße getrieben werden, während das Unheil in die Stadt vordringt: Aus ihr führen nur der Telegraph und die Eisenbahn heraus. Im Zweifel auch diese beiden nicht. Der erlösende Showdown bleibt aus.

O'Nan spielt hoch: Er sättigt seinen Text mit wiederkehrenden Motiven, die unterschwellig bleiben - ein Trick, der von der gothic novel des neunzehnten Jahrhunderts bis zu seinem Zeitgenossen Stephen King trägt, dem O'Nan den Roman "Die Speed Queen" gewidmet hat. Jacob hat seit "dem Krieg", der niemals näher bezeichnet wird, eine starke Abneigung gegen Pferde. Er benutzt ein Fahrrad oder auf den Schienen der Eisenbahn eine Draisine, während die anderen noch Pferde vor ihre Wagen spannen oder sie reiten. Das Trauma, das die Pferde in Jacob wachrufen, ist eines der härtesten Motive des Romans. Es verbindet sich in Anspielungen mit dem des Pferdes als eines Tiers, das der Apokalypse zugehört, und es führt endlich hin zum schrecklichsten Geheimnis des Jacob Hansen.

Gleichzeitig verankert O'Nan "A Prayer for the Dying", wie der Romantitel im Original lautet, präzise in historischen Fakten. So siedelten in Wisconsin viele Deutsche und Skandinavier. Im "Krieg" hat Jacob in Kentucky gekämpft. Kentucky blieb bei der Union, hat sich aber dann - jedes alte Konversationslexikon weiß das - "der Gleichberechtigung der Neger" widersetzt. Abends lesen sich Jacob und Marta gegenseitig aus "Onkel Toms Hütte" vor. Selbst seine Lektüre verrät, daß Jacob nicht eins mit sich selbst ist, daß er zu jenen gehört, die nicht wissen, was sie tun.

Stewart O'Nans Kunstfertigkeit ist nicht eigentlich die eines filmischen Erzählens. Seine Bildgewalt würde jeden Film aus der Kurve schleudern. In den Standbildern des Buches wird es ohrenbetäubend still um den Leser, der innehalten muß bei der Vorstellung des Unvorstellbaren: O'Nan erzählt fotografisch. Seine Widmung dankt Michael Lesy und dessen "Wisconsin Death Trip", der als Reportage mit Fotografien der Toten den Untergang einer amerikanischen Kleinstadt im neunzehnten Jahrhundert festhält. Aber davon schreibt sich ein Buch wie dieses nicht. So etwas schreibt sich nur aus einer phänomenalen Imagination heraus, einer Gabe zur Evokation, die in einfache Sätze, in die einsame Zwiesprache eines Mannes, der zwischen weltlichem und göttlichem Gesetz taumelt, bannen kann, was Tod heißt und was Sterben heißt.

Stewart O'Nan hat ein furchtbar kraftvolles Buch geschrieben. Es ist selbst wie das Läuten der Totenglocke, die Cyril Lemke bedient, der älter als Doc, doch im Innern ein kleiner Junge ist: ein Glockenschlag für einen Mann, zwei für eine Frau. Jacob, der sich am Ende nicht mehr ordentlich um alle Toten kümmern kann, verzeiht dem erschöpften Cyril, daß er einmal das Läuten verschläft. Jeder Gedanke an ein Reden gegen den Tod, wie ihn die literarische Tradition kennt, verbietet sich hier. Eine Befriedung, eine Bewältigung seines Schreckens findet nicht statt. Ein neuzeitlicher Hiob ist Jacob nicht; keine Erlösung scheint vorgesehen für ihn, den Prediger aus eigener Berufung, wenn die Finsternis da ist. O'Nans Buch dringt vor ins Herz der Einbildungskraft. Denn es besteht auf einer Wirklichkeit, die vorstellbar ist.

Stewart O'Nan: "Das Glück der anderen". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Thomas Gunkel. Rowohlt Verlag, Reinbek 2001. 220 S., geb., 39,90 DM.

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Ein kluges Buch über den Sieg der Instinkte gegen Vernunft und Moral: Der Mensch ist nicht zum Helden geboren. Der Spiegel