Als Suzanne in Serges Haus in Montmartre kommt, um das Klavier seines Sohnes zu stimmen, bemerkt er sie zunächst gar nicht. Hat er nicht alles, wovon ergeträumt hat: Erfolg in seinem Beruf als Immobilienmakler, eine attraktive, viel jüngere Frau, zwei reizende Kinder? Dennoch beginnt er Suzanne zu folgen, sobald er sie zufällig wiedersieht, wartet Stunden im Regen vor ihrem Haus. Was verbindet ihn mit dieser Frau, die weder jung noch schön ist, ein ganz anderes Leben führt - und warum öffnet sie ihm ohne zu zögern dieTür? Bald treffen sich die beiden Liebenden an unmöglichen Orten, in leerstehenden Wohnungen; bald beginnen sie sich Dinge zu erzählen, von denen kein anderer weiß - bis Serge ein lange gehütetes Kindheitsgeheimnis aufdeckt, das sein Leben änderte. Um eine amour fou und versteckte, verleugnete Wahrheiten geht es in Véronique Olmis neuem Roman, um Musik und die Schlüsselpunkte, an denen ein Leben urplötzlich aus dem Takt gerät und der nächste Schritt, der richtige Tonüber alles entscheidet.
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Beinahe Kitsch und doch viel mehr entdeckt Jürgen Verdofsky in diesem zehnten Roman von Véronique Olmi. Es geht um eine kindliche Verstrickung in Schuld, die auch der erwachsene Mann nicht los wird, bis zwei Frauen mit ihrer Liebe für den Mann die Wahrheit dahinter freilegen. Dem Rezensenten fällt es nicht schwer, hinter viel Symbolik eine "feste" Dreiergeschichte zu erkennen, deren Plot sich zwar nicht gänzlich vom Konstrukt lösen kann, wie der Rezensent kritisiert, aber dennoch Lebenssattheit vermittelt. Insgesamt eine kunstvoll elegant erzählte Geschichte, fast wie im Kino, meint Verdofsky.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.08.2014Verstimmt
Véronique Olmis Roman vom
„Glück, wie es hätte sein können“
Véronique Olmi weiß, wie das geht, une pièce bien faite zu schreiben, Romane, die beim Lesen vorbeiperlen wie ein glitzernder Bach, dessen Strudel man erst einmal nicht ahnt. Solche Bücher stehen in Frankreich auf den Bestsellerlisten, sind wie ein Chanson, das Liedchen sein kann und Lebensdrama. Véronique Olmi macht alles richtig, auch mit „Das Glück, wie es hätte sein können“ um den Amour fou von Serge und Suzanne, dem, könnte es anders sein, kein Glück beschieden ist. Die Metaphorik wirkt als makelloser roter Faden, es beginnt mit dem Satz, als sich die Klavierstimmerin Suzanne an das erste Mal erinnert, da sie Serge begegnet ist: „Schon seltsam, wie ein Nichts ausreicht, damit ein Leben verstimmt wird, damit unser so einzigartiges, so kostbares Dasein seine Harmonie und seinen Wert einbüßt.“ Und gipfelt in Serges Reflexion: „Er hat sie gehört, und darauf kommt es an. Die. Richtige. Note.“
Suzanne, das ist eine Frau in den Vierzigern, zwar arm an weltlichen Gütern, aber reich an Weltwissen, das sie sicher durch ihr kleines Leben trägt. Serge, Anfang sechzig, hingegen schrammt an der Oberfläche seiner großspurigen Existenz entlang, beim groß verdienenden Immobilienmakler mit Haus am Montmartre passt alles, die dreißig Jahre jüngere Ehefrau bildschön, die Kinder wohlgeraten. Durch die flammende Liebe zur nicht-perfekten Suzanne wird er mit dem Familiengeheimnis konfrontiert, das ihn bis dato als Schuld drückte und am wirklichen Leben hinderte. Sein Verdrängungsmechanismus bricht zusammen. Er muss sich der Erkenntnis stellen, dass er ein Kuckuckskind ist.
Auf die Katastrophe folgt die Katharsis – mit dem bitteren Beigeschmack notwendigen Verzichts. Aber genau deshalb, weil Véronique Olmi alle Regeln der Dramaturgie beherrscht, die Puzzleteile eines scheinbar makellosen Daseins perfekt, immer richtig ordnet, empfindet man „Das Glück, wie es hätte sein können“ als jederzeit absehbare, deshalb schrecklich langweilige Kolportage.
EVA-ELISABETH FISCHER
Véronique Olmi: Das Glück, wie es hätte sein können. Roman. Aus dem Französischen von Claudia Steinitz. Verlag Antje Kunstmann, München 2014. 219 Seiten, 19,95 Euro. E-Book 15,99 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Véronique Olmis Roman vom
„Glück, wie es hätte sein können“
Véronique Olmi weiß, wie das geht, une pièce bien faite zu schreiben, Romane, die beim Lesen vorbeiperlen wie ein glitzernder Bach, dessen Strudel man erst einmal nicht ahnt. Solche Bücher stehen in Frankreich auf den Bestsellerlisten, sind wie ein Chanson, das Liedchen sein kann und Lebensdrama. Véronique Olmi macht alles richtig, auch mit „Das Glück, wie es hätte sein können“ um den Amour fou von Serge und Suzanne, dem, könnte es anders sein, kein Glück beschieden ist. Die Metaphorik wirkt als makelloser roter Faden, es beginnt mit dem Satz, als sich die Klavierstimmerin Suzanne an das erste Mal erinnert, da sie Serge begegnet ist: „Schon seltsam, wie ein Nichts ausreicht, damit ein Leben verstimmt wird, damit unser so einzigartiges, so kostbares Dasein seine Harmonie und seinen Wert einbüßt.“ Und gipfelt in Serges Reflexion: „Er hat sie gehört, und darauf kommt es an. Die. Richtige. Note.“
Suzanne, das ist eine Frau in den Vierzigern, zwar arm an weltlichen Gütern, aber reich an Weltwissen, das sie sicher durch ihr kleines Leben trägt. Serge, Anfang sechzig, hingegen schrammt an der Oberfläche seiner großspurigen Existenz entlang, beim groß verdienenden Immobilienmakler mit Haus am Montmartre passt alles, die dreißig Jahre jüngere Ehefrau bildschön, die Kinder wohlgeraten. Durch die flammende Liebe zur nicht-perfekten Suzanne wird er mit dem Familiengeheimnis konfrontiert, das ihn bis dato als Schuld drückte und am wirklichen Leben hinderte. Sein Verdrängungsmechanismus bricht zusammen. Er muss sich der Erkenntnis stellen, dass er ein Kuckuckskind ist.
Auf die Katastrophe folgt die Katharsis – mit dem bitteren Beigeschmack notwendigen Verzichts. Aber genau deshalb, weil Véronique Olmi alle Regeln der Dramaturgie beherrscht, die Puzzleteile eines scheinbar makellosen Daseins perfekt, immer richtig ordnet, empfindet man „Das Glück, wie es hätte sein können“ als jederzeit absehbare, deshalb schrecklich langweilige Kolportage.
EVA-ELISABETH FISCHER
Véronique Olmi: Das Glück, wie es hätte sein können. Roman. Aus dem Französischen von Claudia Steinitz. Verlag Antje Kunstmann, München 2014. 219 Seiten, 19,95 Euro. E-Book 15,99 Euro.
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