Produktdetails
- Verlag: Herbig
- Seitenzahl: 319
- Deutsch
- Abmessung: 220mm
- Gewicht: 516g
- ISBN-13: 9783776622010
- ISBN-10: 3776622016
- Artikelnr.: 25130797
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.05.2001Elf Nummernkonten sollt ihr sein
Unsere Werbebanden: Norbert Weiss sieht das Geschäft um den Fußball mit einem lachenden Auge
Mit ihren immensen Kosten - etwa für Einsätze der Polizei bei Spielen oder für Senderechte - zeigt sich die Fußballindustrie als Wirtschaftszweig von großer gesellschaftlicher Bedeutung. Heute müssen für einen Weltklassespieler um die hundert Millionen Mark auf dem Transfermarkt bezahlt werden, die Kosten für die Übertragung der Weltmeisterschaftsspiele 2006 sollen laut Vorvertrag zwischen den öffentlich-rechtlichen Sendern und der Kirch-Gruppe bis zu fünfhundert Millionen Mark betragen.
Selbst ein so aktuelles Werk wie das vorliegende droht da von der Dynamik des Marktes überrollt zu werden. "Das goldene Tor" erzählt den Werdegang des Profifußballs von einer einträglichen Showbranche zum globalen Medientheater, dessen Spielgeld alle bekannten Dimensionen sprengt. Innerhalb von etwa dreißig Jahren, so zeigt Weiss, haben sich Lizenzen und Werbeeinnahmen und mit ihnen die Spielergehälter bis zum Zweihundertfachen vermehrt. Damit steht der Fußball an der Spitze aller Boombranchen unserer nicht gerade trägen Ökonomie. Weiss, der selbst Berufserfahrung als Geschäftsmann für Sportmarketing in der Schweiz sammeln konnte, schildert mit einer Mischung aus Bewunderung und Ekel, wie sich der beliebte Sport zur unerschöpflichen Geldquelle für die Beteiligten entwickeln konnte.
Die Macher dieses Booms, angefangen mit dem professionell geführten Club Bayern München in den siebziger Jahren unter Wilhelm Neudecker und Robert Schwan, entwickelten Konzepte, über immer verfeinerte Methoden der Werbung im Stadion, auf Trikots, übers Fernsehen, über Merchandising - also vereinsgefärbte Konsumartikel - und schließlich über den Börsengang den Jahresetat eines europäischen Spitzenclubs auf rund eine Viertelmilliarde Mark aufzublähen, obwohl sich am Spiel, seiner Häufigkeit und seinen Regeln kaum etwas geändert hat. Schritt für Schritt folgt das Buch diesen Erweiterungen der Kapitalisierung von Männerbeinen und zeigt historisch, wie es bis zur derzeitigen Geldschwemme und medialen Dauerausbeutung durch Werbung, Ratespiele, Pay-TV kommen konnte.
Immer wieder kehren in der verästelten Beschreibung der Fußballindustrie dieselben Namen wieder: Sepp Blatter und weiland Hermann Neuberger auf der Ebene des Weltverbandes Fifa, in Deutschland die federführenden Funktionäre und Vereinspräsidenten Straub, Holzhäuser, Beckenbauer, Mayer-Vorfelder, Niebaum, die allesamt planmäßig ihren Sport zu einer Geldmaschine ausgebaut haben, ohne seinen vermeintlich volkstümlich-bodenständigen Charakter aufzugeben. In diesem Spagat zwischen staatstragendem Freizeitvergnügen und knallhartem Geschäft um Lizenzen, Handgelder, Spielergehälter und Sponsoren liegt das Geheimnis des ökonomischen Erfolges, wie Weiss an einer Fülle von Anekdoten und detaillierten Unternehmensgeschichten beschreibt.
Besonders erhellend sind Weiss' Erzählungen von der planmäßigen Ausweitung des Fußballmarktes nach Amerika beziehungsweise Fernost durch die Vergabe zweier Weltmeisterschaften und die Installierung neuer Fußball-Ligen. Gekoppelt mit solchen Anschubfinanzierungen ist das Interesse der Sportartikelindustrie an den Konsumenten dieser reichen Länder. Obwohl man dergleichen schon wußte, stellt Weiss die Intrigen innerhalb der Fifa um Spitzenposten und die Vergabe von Weltmeisterschaften durch überforderte Funktionäre in einem systematischen Zusammenhang. Deutlich wird, daß beim Siegeszug dieses Sports nichts dem Zufall überlassen bleibt.
Allein wie Weiss das vernetzte Firmenkonzept der deutschen Schuhpioniere Adidas, also der Dassler-Dynastie aus dem fränkischen Herzogenaurach, umreißt, macht die Lektüre lohnend: Mit deutscher Nachkriegszähigkeit, wie sie auch die Adi Dassler eng verbundenen Teams des Trainers Sepp Herberger auszeichnete, wob der Schuster ein Netz aus vertrauten Funktionären und Spitzensportlern, die nach ihrer Karriere fugenlos in den Firmenvertrieb übergingen. Mit einer Mischung aus Produktqualität und sozialer Schmierseife entwickelte sich aus einer Schusterwerkstatt ein Weltkonzern und globaler Markenführer. Andere Produzenten versuchten lange, diese Methode nachzuahmen; umgekehrt entstand erst im Milieu von Altfußballern als Firmenrepräsentanten die rein ökonomische Ausrichtung der Fußballindustrie.
Ein gewisser Nachteil des Buches: Weiss verfaßt seine kenntnisreiche Analyse gerne in einem wissenden und witzelnden Ton des Insiders, der es Außenstehenden schwermacht, die Stränge der Handlung zu verfolgen und die verwickelte Personenführung zu begreifen. Wer nicht als regelmäßiger Konsument der Sportpresse ein gutes Gedächtnis für die skurrilen Machenschaften halbseidener Geschäftsleute bis zurück zum Bundesligaskandal der siebziger Jahre mitbringt, wird Schwierigkeiten haben, den Kurzcharakterisierungen des Offenbacher Südfrüchtehändlers Horst Gregorio Canellas oder des Torhüters Manfred Manglitz zu folgen. Immerhin ist es überaus lehrreich und stellenweise witzig, damals schon alten Bekannten des Geschäfts, etwa Erich Ribbeck oder Uli Hoeneß, zu begegnen. Die Firmenzentrale des bezahlten Fußballgeschäfts in Deutschland reduziert sich dabei auf einige Dutzend Fädenzieher.
Doch statt eines kalauernden, atemlosen Insiderreports wäre mitunter ein nüchterner Geschäftsbericht angemessener gewesen, zumal die ökonomischen Bilanzen für sich selbst sprechen. Denn ob die Macher des Fußballbooms mit ihren genialen Firmenkonzepten, die freilich den Sport immer weiter an den Rand eines bunten Showgeschäfts drängen, Bewunderung oder Verachtung verdienen, läßt auch Weiss sehr zu Recht in der Schwebe. Wirtschaftlich haben sie, die oft als Spieler ihre Laufbahn begannen, triumphiert und für die Beteiligten bis hinunter zum Masseur Traumgagen herausgeholt. Doch ob ihr Produkt diesen Triumph auch im Zeitalter des Bezahlfernsehens und seiner Abschottung gegenüber der Allgemeinheit unbeschadet überleben wird, ist noch ungewiß.
DIRK SCHÜMER
Norbert Weiss: "Das goldene Tor". Wirtschaftsmacht Fußball. Wirtschaftsverlag Langen Müller/Herbig, München 2000. 319 S., geb., 39,90 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Unsere Werbebanden: Norbert Weiss sieht das Geschäft um den Fußball mit einem lachenden Auge
Mit ihren immensen Kosten - etwa für Einsätze der Polizei bei Spielen oder für Senderechte - zeigt sich die Fußballindustrie als Wirtschaftszweig von großer gesellschaftlicher Bedeutung. Heute müssen für einen Weltklassespieler um die hundert Millionen Mark auf dem Transfermarkt bezahlt werden, die Kosten für die Übertragung der Weltmeisterschaftsspiele 2006 sollen laut Vorvertrag zwischen den öffentlich-rechtlichen Sendern und der Kirch-Gruppe bis zu fünfhundert Millionen Mark betragen.
Selbst ein so aktuelles Werk wie das vorliegende droht da von der Dynamik des Marktes überrollt zu werden. "Das goldene Tor" erzählt den Werdegang des Profifußballs von einer einträglichen Showbranche zum globalen Medientheater, dessen Spielgeld alle bekannten Dimensionen sprengt. Innerhalb von etwa dreißig Jahren, so zeigt Weiss, haben sich Lizenzen und Werbeeinnahmen und mit ihnen die Spielergehälter bis zum Zweihundertfachen vermehrt. Damit steht der Fußball an der Spitze aller Boombranchen unserer nicht gerade trägen Ökonomie. Weiss, der selbst Berufserfahrung als Geschäftsmann für Sportmarketing in der Schweiz sammeln konnte, schildert mit einer Mischung aus Bewunderung und Ekel, wie sich der beliebte Sport zur unerschöpflichen Geldquelle für die Beteiligten entwickeln konnte.
Die Macher dieses Booms, angefangen mit dem professionell geführten Club Bayern München in den siebziger Jahren unter Wilhelm Neudecker und Robert Schwan, entwickelten Konzepte, über immer verfeinerte Methoden der Werbung im Stadion, auf Trikots, übers Fernsehen, über Merchandising - also vereinsgefärbte Konsumartikel - und schließlich über den Börsengang den Jahresetat eines europäischen Spitzenclubs auf rund eine Viertelmilliarde Mark aufzublähen, obwohl sich am Spiel, seiner Häufigkeit und seinen Regeln kaum etwas geändert hat. Schritt für Schritt folgt das Buch diesen Erweiterungen der Kapitalisierung von Männerbeinen und zeigt historisch, wie es bis zur derzeitigen Geldschwemme und medialen Dauerausbeutung durch Werbung, Ratespiele, Pay-TV kommen konnte.
Immer wieder kehren in der verästelten Beschreibung der Fußballindustrie dieselben Namen wieder: Sepp Blatter und weiland Hermann Neuberger auf der Ebene des Weltverbandes Fifa, in Deutschland die federführenden Funktionäre und Vereinspräsidenten Straub, Holzhäuser, Beckenbauer, Mayer-Vorfelder, Niebaum, die allesamt planmäßig ihren Sport zu einer Geldmaschine ausgebaut haben, ohne seinen vermeintlich volkstümlich-bodenständigen Charakter aufzugeben. In diesem Spagat zwischen staatstragendem Freizeitvergnügen und knallhartem Geschäft um Lizenzen, Handgelder, Spielergehälter und Sponsoren liegt das Geheimnis des ökonomischen Erfolges, wie Weiss an einer Fülle von Anekdoten und detaillierten Unternehmensgeschichten beschreibt.
Besonders erhellend sind Weiss' Erzählungen von der planmäßigen Ausweitung des Fußballmarktes nach Amerika beziehungsweise Fernost durch die Vergabe zweier Weltmeisterschaften und die Installierung neuer Fußball-Ligen. Gekoppelt mit solchen Anschubfinanzierungen ist das Interesse der Sportartikelindustrie an den Konsumenten dieser reichen Länder. Obwohl man dergleichen schon wußte, stellt Weiss die Intrigen innerhalb der Fifa um Spitzenposten und die Vergabe von Weltmeisterschaften durch überforderte Funktionäre in einem systematischen Zusammenhang. Deutlich wird, daß beim Siegeszug dieses Sports nichts dem Zufall überlassen bleibt.
Allein wie Weiss das vernetzte Firmenkonzept der deutschen Schuhpioniere Adidas, also der Dassler-Dynastie aus dem fränkischen Herzogenaurach, umreißt, macht die Lektüre lohnend: Mit deutscher Nachkriegszähigkeit, wie sie auch die Adi Dassler eng verbundenen Teams des Trainers Sepp Herberger auszeichnete, wob der Schuster ein Netz aus vertrauten Funktionären und Spitzensportlern, die nach ihrer Karriere fugenlos in den Firmenvertrieb übergingen. Mit einer Mischung aus Produktqualität und sozialer Schmierseife entwickelte sich aus einer Schusterwerkstatt ein Weltkonzern und globaler Markenführer. Andere Produzenten versuchten lange, diese Methode nachzuahmen; umgekehrt entstand erst im Milieu von Altfußballern als Firmenrepräsentanten die rein ökonomische Ausrichtung der Fußballindustrie.
Ein gewisser Nachteil des Buches: Weiss verfaßt seine kenntnisreiche Analyse gerne in einem wissenden und witzelnden Ton des Insiders, der es Außenstehenden schwermacht, die Stränge der Handlung zu verfolgen und die verwickelte Personenführung zu begreifen. Wer nicht als regelmäßiger Konsument der Sportpresse ein gutes Gedächtnis für die skurrilen Machenschaften halbseidener Geschäftsleute bis zurück zum Bundesligaskandal der siebziger Jahre mitbringt, wird Schwierigkeiten haben, den Kurzcharakterisierungen des Offenbacher Südfrüchtehändlers Horst Gregorio Canellas oder des Torhüters Manfred Manglitz zu folgen. Immerhin ist es überaus lehrreich und stellenweise witzig, damals schon alten Bekannten des Geschäfts, etwa Erich Ribbeck oder Uli Hoeneß, zu begegnen. Die Firmenzentrale des bezahlten Fußballgeschäfts in Deutschland reduziert sich dabei auf einige Dutzend Fädenzieher.
Doch statt eines kalauernden, atemlosen Insiderreports wäre mitunter ein nüchterner Geschäftsbericht angemessener gewesen, zumal die ökonomischen Bilanzen für sich selbst sprechen. Denn ob die Macher des Fußballbooms mit ihren genialen Firmenkonzepten, die freilich den Sport immer weiter an den Rand eines bunten Showgeschäfts drängen, Bewunderung oder Verachtung verdienen, läßt auch Weiss sehr zu Recht in der Schwebe. Wirtschaftlich haben sie, die oft als Spieler ihre Laufbahn begannen, triumphiert und für die Beteiligten bis hinunter zum Masseur Traumgagen herausgeholt. Doch ob ihr Produkt diesen Triumph auch im Zeitalter des Bezahlfernsehens und seiner Abschottung gegenüber der Allgemeinheit unbeschadet überleben wird, ist noch ungewiß.
DIRK SCHÜMER
Norbert Weiss: "Das goldene Tor". Wirtschaftsmacht Fußball. Wirtschaftsverlag Langen Müller/Herbig, München 2000. 319 S., geb., 39,90 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Im Großen und Ganzen scheint Dirk Schümer dieses Buch durchaus mit Gewinn gelesen zu haben, doch hätte er sich insgesamt eine nüchternere Art der Schilderung gewünscht. Weiss neige bisweilen zum "kalauernden" Ton eines Insiders, was es nach Schümer nicht immer leicht macht, den Verwicklungen zu folgen. Denn Weiss hat hier, wie der Leser erfährt, detailliert aufgezeigt, wie es zum unglaublichem ökonomischen Boom der Fußballbranche kommen konnte und vor allem, welche Personen dabei die Drahtzieher und Hauptprofiteure sind. Und so begegnet der Leser nach Schümer immer wieder denselben Namen, wie etwa Beckenbauer, Meyer-Vorfelder, Hermann Neuberger u.a. und erfährt beispielsweise, wie es die Firma Adidas durch Beschäftigung alternder Sportler gelungen ist, ihre Repräsentanz zu stärken. All dies findet Schümer überaus lesenswert, allerdings räumt er ein, dass bestimmte Namen - besonders wenn es um die siebziger Jahre geht - nur regelmäßigen Lesern der einschlägigen Sport-Presse geläufig sein dürften.
© Perlentaucher Medien GmbH
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