Produktdetails
- Bild und Text
- Verlag: Brill Fink / Wilhelm Fink Verlag
- Artikelnr. des Verlages: 1882639
- 1998
- Seitenzahl: 197
- Deutsch
- Gewicht: 371g
- ISBN-13: 9783770530458
- ISBN-10: 3770530454
- Artikelnr.: 25394415
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Baraschs Wissen hat Eleganz", schreibt Martin Scherer in seiner kurzen Besprechung. Von den "Pantokratorbildern" byzantinischer Prägung bis zum "leidenden Christus" nehme er in seine "Studien zur Darstellung des Unsichtbaren" auf, was den Menschen des Mittelalters und der Renaissance einfiel, wenn sie sich ein Bild machen wollten. Wichtig dabei ist allerdings, so betont Scherer, nicht nur die Erfahrungswelt des "inneren Menschen" und die Symbolsprache der Kunst, sondern auch die "soziale Funktion des Gottesbildes".
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.06.1999Was wär ein Gott, der nur von außen stieße?
Moshe Barasch untersucht die Imagination der Inkarnation
Moshe Barasch, Kunsthistoriker an der Hebrew University in Jerusalem, legt einen Aufsatzband mit zehn Beiträgen vor, die den Versuchen gewidmet sind, das Unsichtbare auf eine bildliche Vorstellung zu bringen. Sie umspannen den Zeitraum von den Christusdarstellungen der römischen Katakomben bis zu Rembrandt und umkreisen das Thema unter wechselnden Perspektiven. In seinem ersten Beitrag kontrastiert Barasch den byzantinischen Pantokrator aus Cefalù (1148) mit Eindruckblättern des Schmerzensmanns aus der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts: Sucht der Betrachter den Gesichtsausdruck des erhöhten Christus auf dem Apsismosaik in dem Normannendom zu deuten, wird er eigentümlich irritiert, weil er sich jeder Festlegung entzieht.
Barasch findet dafür die einfache Erklärung, daß es sich bei den byzantinischen Darstellungen des Pantokrators, des Allherrschers, um den Versuch handelt, ihn als den Jenseitigen und ganz anderen darzustellen. Um so mehr fällt dem Besucher der Martorana in Palermo (1143) auf, daß dort der Pantokrator und der Normannenkönig Roger II. (1102 bis 1154) dieselben Gesichtszüge tragen. Erinnert er sich weiterhin an die Darstellung Kaiser Ottos II. (973 bis 983) in dem aus der Reichenau stammenden Aachener Evangeliar, kommt er der Lösung näher: Hier sitzt der Kaiser in der Majestas Christi, während er in seiner Rechten den Reichsapfel hält, die Linke wie Christus öffnet und die kauernde Erde seinen Thron trägt. In dem Kapitel über die "Ikonographie der Theokratie" erläutert Barasch, wie nach der in beiden Darstellungen zum Zuge kommenden byzantinischen Ideologie der irdische Herrscher sein Urbild repräsentiert: den himmlischen König.
Von den beiden frühchristlichen Grundtypen der Christusdarstellung, dem Schutz verheißenden Guten Hirten und dem selbst über den Tod gebietenden Weltenherrscher, hält sich im Zusammenhang mit dem theokratischen Reichsgedanken der zweite bis ins Hochmittelalter. Demgegenüber dient die spätmittelalterliche Darstellung des leidenden Christus, die man kaum von der Vorstellung von der Imitatio Christi trennen kann, der Überwindung der Distanz zwischen dem himmlischen Erlösergott und dem irdischen Menschen. Die doppelte Sicht Christi als des Herrschers und des leidenden Erlösers läßt sich freilich bereits in den beiden unterschiedlichen Christusdarstellungen auf den Münzen Kaiser Justinians II. (zwischen 685 und 695 und zwischen 705 und 711) nachweisen: Der Pantokrator ist eben kein anderer als der leidende Erlöser. Dabei dienten, wie Barasch ausführt, die Löwenmähne des hellenistischen Herrscherbildes und die tragische Maske als differenzierende Vorbilder.
Generell sollte man die Bedeutung der byzantinischen Kunst als Hüterin des antiken Erbes nicht gering schätzen: Sie hat dessen Stilformen bis an die Grenze der Neuzeit bewahrt. Unterschiedliche Frömmigkeitstypen, diesmal zum einen in Gestalt der protestantischen Wortfrömmigkeit, die den Nachdruck auf das innere Erlebnis setzt, und zum anderen in der des transzendentalen Realismus des nachtridentinischen Katholizismus, findet Barasch dann in Rembrandts Evangelisten Matthäus mit dem Engel (1661) im Louvre und in Caravaggios demselben Thema gewidmetem Bild (1602). Dessen erste, ins Berliner Kaiser-Friedrich-Museum gelangte Fassung ist 1945 verbrannt, während die zweite noch heute ihren ursprünglichen Platz in der Kirche der Auftraggeber S. Luigi dei Francesi in Rom einnimmt.
Daß hinter solchen Bildern eine mit Leon Battista Alberti einsetzende und über Leonardo da Vinci und Francesco Bocchi bis zu dem Mailänder G. P. Lomazzo (1584) führende lebhafte kunsttheoretische Diskussion über die Bedeutung und Erzielung des Ausdrucks steht, zeigen zwei diesem Thema gewidmete Einzelstudien. Zur Kunst und Kultur der Renaissance gehörte auch die Vorstellung von einem Traumland, einem paradiesischen Utopia. Dafür bot vor allem der Garten als ein Stück geordneter Natur das Vorbild.
Daneben spielte jedoch auch die Darstellung des aus Trümmern treibenden frischen Grüns eine Rolle. Das wird augenfällig, wenn man etwa die Illustration des Traumlandes in der Hypnerotomachia Polifilii (Venedig 1499) betrachtet. Unschwer erkennt man die paradiesischen Züge des Rosengartens, in dem die Madonna mit dem Jesusknaben sitzt, etwa beim Meister von Flémalle in Berlin; man könnte auch auf Francesco Botticinis "Anbetung des Kindes" von 1845 oder Hans Memlings "Maria im Rosenhag" von 1480 verweisen. Ich erinnere mich daran, daß ich vor einiger Zeit zusammen mit einem Freund rätselnd vor der Neapolitaner Transfiguration von Giovanni Bellini (zwischen 1475 und 1480) stand und wir uns über die Bedeutung des recht ländlichen Zaunes stritten, der einen felsigen Pfad begrenzt, der unterhalb der erdigen Felsplatte mit der Doppelgruppe der drei verklärten und der drei irdischen Gestalten von links nach rechts ansteigt. Moshe Barasch deutet auch ihn als einen symbolischen Hinweis auf den Paradiesgarten: In der Transfiguration bricht die himmlische Welt in die irdische ein.
Eine kunsthistorische Arbeit erfüllt ihren Zweck, wenn sie ihren Leser Probleme erkennen und gleichzeitig damit die behandelten Werke besser verstehen lehrt. Wer sich Baraschs Aufsätzen anvertraut und bereits über gewisse Grundkenntnisse der abendländischen Kunstgeschichte verfügt, wird reich belohnt.
OTTO KAISER
Moshe Barasch: "Das Gottesbild". Studien zur Darstellung des Unsichtbaren. Bild und Text. Wilhelm Fink Verlag, München 1998. 197 S., 63 Abb., br., 68,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Moshe Barasch untersucht die Imagination der Inkarnation
Moshe Barasch, Kunsthistoriker an der Hebrew University in Jerusalem, legt einen Aufsatzband mit zehn Beiträgen vor, die den Versuchen gewidmet sind, das Unsichtbare auf eine bildliche Vorstellung zu bringen. Sie umspannen den Zeitraum von den Christusdarstellungen der römischen Katakomben bis zu Rembrandt und umkreisen das Thema unter wechselnden Perspektiven. In seinem ersten Beitrag kontrastiert Barasch den byzantinischen Pantokrator aus Cefalù (1148) mit Eindruckblättern des Schmerzensmanns aus der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts: Sucht der Betrachter den Gesichtsausdruck des erhöhten Christus auf dem Apsismosaik in dem Normannendom zu deuten, wird er eigentümlich irritiert, weil er sich jeder Festlegung entzieht.
Barasch findet dafür die einfache Erklärung, daß es sich bei den byzantinischen Darstellungen des Pantokrators, des Allherrschers, um den Versuch handelt, ihn als den Jenseitigen und ganz anderen darzustellen. Um so mehr fällt dem Besucher der Martorana in Palermo (1143) auf, daß dort der Pantokrator und der Normannenkönig Roger II. (1102 bis 1154) dieselben Gesichtszüge tragen. Erinnert er sich weiterhin an die Darstellung Kaiser Ottos II. (973 bis 983) in dem aus der Reichenau stammenden Aachener Evangeliar, kommt er der Lösung näher: Hier sitzt der Kaiser in der Majestas Christi, während er in seiner Rechten den Reichsapfel hält, die Linke wie Christus öffnet und die kauernde Erde seinen Thron trägt. In dem Kapitel über die "Ikonographie der Theokratie" erläutert Barasch, wie nach der in beiden Darstellungen zum Zuge kommenden byzantinischen Ideologie der irdische Herrscher sein Urbild repräsentiert: den himmlischen König.
Von den beiden frühchristlichen Grundtypen der Christusdarstellung, dem Schutz verheißenden Guten Hirten und dem selbst über den Tod gebietenden Weltenherrscher, hält sich im Zusammenhang mit dem theokratischen Reichsgedanken der zweite bis ins Hochmittelalter. Demgegenüber dient die spätmittelalterliche Darstellung des leidenden Christus, die man kaum von der Vorstellung von der Imitatio Christi trennen kann, der Überwindung der Distanz zwischen dem himmlischen Erlösergott und dem irdischen Menschen. Die doppelte Sicht Christi als des Herrschers und des leidenden Erlösers läßt sich freilich bereits in den beiden unterschiedlichen Christusdarstellungen auf den Münzen Kaiser Justinians II. (zwischen 685 und 695 und zwischen 705 und 711) nachweisen: Der Pantokrator ist eben kein anderer als der leidende Erlöser. Dabei dienten, wie Barasch ausführt, die Löwenmähne des hellenistischen Herrscherbildes und die tragische Maske als differenzierende Vorbilder.
Generell sollte man die Bedeutung der byzantinischen Kunst als Hüterin des antiken Erbes nicht gering schätzen: Sie hat dessen Stilformen bis an die Grenze der Neuzeit bewahrt. Unterschiedliche Frömmigkeitstypen, diesmal zum einen in Gestalt der protestantischen Wortfrömmigkeit, die den Nachdruck auf das innere Erlebnis setzt, und zum anderen in der des transzendentalen Realismus des nachtridentinischen Katholizismus, findet Barasch dann in Rembrandts Evangelisten Matthäus mit dem Engel (1661) im Louvre und in Caravaggios demselben Thema gewidmetem Bild (1602). Dessen erste, ins Berliner Kaiser-Friedrich-Museum gelangte Fassung ist 1945 verbrannt, während die zweite noch heute ihren ursprünglichen Platz in der Kirche der Auftraggeber S. Luigi dei Francesi in Rom einnimmt.
Daß hinter solchen Bildern eine mit Leon Battista Alberti einsetzende und über Leonardo da Vinci und Francesco Bocchi bis zu dem Mailänder G. P. Lomazzo (1584) führende lebhafte kunsttheoretische Diskussion über die Bedeutung und Erzielung des Ausdrucks steht, zeigen zwei diesem Thema gewidmete Einzelstudien. Zur Kunst und Kultur der Renaissance gehörte auch die Vorstellung von einem Traumland, einem paradiesischen Utopia. Dafür bot vor allem der Garten als ein Stück geordneter Natur das Vorbild.
Daneben spielte jedoch auch die Darstellung des aus Trümmern treibenden frischen Grüns eine Rolle. Das wird augenfällig, wenn man etwa die Illustration des Traumlandes in der Hypnerotomachia Polifilii (Venedig 1499) betrachtet. Unschwer erkennt man die paradiesischen Züge des Rosengartens, in dem die Madonna mit dem Jesusknaben sitzt, etwa beim Meister von Flémalle in Berlin; man könnte auch auf Francesco Botticinis "Anbetung des Kindes" von 1845 oder Hans Memlings "Maria im Rosenhag" von 1480 verweisen. Ich erinnere mich daran, daß ich vor einiger Zeit zusammen mit einem Freund rätselnd vor der Neapolitaner Transfiguration von Giovanni Bellini (zwischen 1475 und 1480) stand und wir uns über die Bedeutung des recht ländlichen Zaunes stritten, der einen felsigen Pfad begrenzt, der unterhalb der erdigen Felsplatte mit der Doppelgruppe der drei verklärten und der drei irdischen Gestalten von links nach rechts ansteigt. Moshe Barasch deutet auch ihn als einen symbolischen Hinweis auf den Paradiesgarten: In der Transfiguration bricht die himmlische Welt in die irdische ein.
Eine kunsthistorische Arbeit erfüllt ihren Zweck, wenn sie ihren Leser Probleme erkennen und gleichzeitig damit die behandelten Werke besser verstehen lehrt. Wer sich Baraschs Aufsätzen anvertraut und bereits über gewisse Grundkenntnisse der abendländischen Kunstgeschichte verfügt, wird reich belohnt.
OTTO KAISER
Moshe Barasch: "Das Gottesbild". Studien zur Darstellung des Unsichtbaren. Bild und Text. Wilhelm Fink Verlag, München 1998. 197 S., 63 Abb., br., 68,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main