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Vogelzug ist eines der faszinierendsten Schauspiele der Natur. Woher wissen wir, von wo die Vögel kommen und wohin sie ziehen? Wie schaffen sie ihre oftmals über Tausende von Kilometern reichende Reise über Meere und Wüsten? Wie kann ein junger Vogel, der erstmals und ohne seine Eltern nachts zieht, wissen, wann und wohin er zu fliegen hat? Wie orientieren sie sich? In welcher Höhe fliegen sie? Wie beeinflusst Wetter den Vogelzug? Warum ziehen sie überhaupt? "Das große Buch vom Vogelzug" gibt hierauf Antworten, zeigt die vielfältigen Ausprägungen von Vogelzug, beschäftigt sich aber auch mit…mehr

Produktbeschreibung
Vogelzug ist eines der faszinierendsten Schauspiele der Natur. Woher wissen wir, von wo die Vögel kommen und wohin sie ziehen? Wie schaffen sie ihre oftmals über Tausende von Kilometern reichende Reise über Meere und Wüsten? Wie kann ein junger Vogel, der erstmals und ohne seine Eltern nachts zieht, wissen, wann und wohin er zu fliegen hat? Wie orientieren sie sich? In welcher Höhe fliegen sie? Wie beeinflusst Wetter den Vogelzug? Warum ziehen sie überhaupt? "Das große Buch vom Vogelzug" gibt hierauf Antworten, zeigt die vielfältigen Ausprägungen von Vogelzug, beschäftigt sich aber auch mit dem Rückgang von Zugvögeln und ihrem Schutz. Außerdem werden die Auswirkungen der Klimaerwärmung auf den Vogelzug und die Rolle der Zugvögel als Überträger von Infektionskrankheiten beleuchtet.
Autorenporträt
Prof. Dr. Franz Bairlein promovierte an der Universität Konstanz und am heutigen Max-Planck-Institut für Ornithologie Radolfzell über die Rastplatzökologie von Zugvögeln und ist seit 1990 Direktor des Instituts für Vogelforschung "Vogelwarte Helgoland" in Wilhelmshaven. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Vogelzugforschung. Seit 2015 ist er Mitarbeiter bei der Zeitschrift Der Falke-Journal für Vogelbeobachter. www.falke-journal.de
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Kai Spanke macht sich schlau über den Vogelzug mit Franz Bairleins Monografie für Spezialisten und Liebhaber. Über die Wanderleistungen von Küstenseeschwalbe und Gartengrasmücke, olfaktorische Bedingungen und Herausforderungen wie Klimawandel und Jagd kann keiner so wissensreich und "angenehm sachlich" berichten wie der Zoologe Bairlein, versichert Spanke. Fotos, Grafiken und Karten steigern das Lesevergnügen, das nicht ganz optimale Lektorat eher nicht, meint er.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.05.2022

Der Blick zu den Sternen weist den Weg

Auch über dem Mount Everest lässt sich bequem navigieren: Franz Bairlein erklärt alle wichtigen Facetten des Vogelzugs und seiner Erforschung.

Im Februar 2007 statteten Forscher eine weibliche Pfuhlschnepfe an der Küste Neuseelands mit einem Sender aus. Wenig später, am 17. März, begab sich der Vogel auf Reisen und flog nonstop 10 270 Kilometer ans Gelbe Meer. Der Trip dauerte eine Woche. Am 1. Mai brach E7, so der Name des Tiers, abermals auf und legte in viereinhalb Tagen eine Strecke von 6510 Kilometern ins Brutgebiet nach Alaska zurück. Ohne Rast, versteht sich. Wie die Schnepfe dort ihre Zeit verbrachte, ob sie Nachwuchs gezeugt und großgezogen hat, ist nicht bekannt. Allerdings verließ sie am 30. August das Yukon-Delta und flog 11 690 Kilometer ohne Unterbrechung in 197 Stunden zurück nach Neuseeland.

Diese Leistung erschien so außergewöhnlich, dass sie nicht nur unter Wissenschaftlern diskutiert, sondern auch in der Tagespresse vermeldet wurde. Vor zwei Jahren hat eine männliche Pfuhlschnepfe dann nachgelegt: 12 200 Kilometer ohne Pause in 224 Stunden. Dank technischer Verfahren wie der Radio- und Satellitentelemetrie gewinnen wir immer genauere Einblicke in avifaunistische Routinen. Während noch Mitte des neunzehnten Jahrhunderts die schon in der Antike geäußerte Meinung vorherrschte, Schwalben würden Winterschlaf halten, sind die absurdesten Mythen mittlerweile ad acta gelegt, denn heute gehören Vögel zu den am besten erforschten Tieren überhaupt.

Insofern sollte es nicht verwundern, dass laufend Rekorde bekannt gegeben werden. Die Küstenseeschwalbe etwa wiegt gerade einmal zwischen 85 und 125 Gramm, hat jedoch die längsten Wanderstrecken aller Zugvögel. Sie brütet in der Arktis und überwintert auf der Südhalbkugel am Rand der Packeiszone. Jährlich legt sie bis zu 90 000 Kilometer zurück. Steinschmätzer, die von Alaska aus ins östliche Afrika ziehen, bewältigen mit 14 000 Kilometern den weitesten Zugweg aller Singvögel. Wie das funktionieren kann, woher eine Gartengrasmücke weiß, wann sie wohin fliegen muss, welche Nahrung sie am besten fressen sollte, um ein Fettpolster anzulegen, welche Bedeutung der Rast, ökologischen Barrieren und physiologischen Anpassungen zukommt - all das beschreibt der Zoologe Franz Bairlein in seiner Monographie über den Vogelzug.

Nun gibt es bereits einige hervorragende Abhandlungen zum Thema, etwa von Thomas Alerstam oder Bairleins Doktorvater Peter Berthold. Nimmt man wissenschaftliche Publikationen hinzu, kommt schnell eine kleine Spezialbibliothek zusammen. Was ließe sich also ergänzen? Bairlein, der von 1990 bis 2019 Direktor des Instituts für Vogelforschung "Vogelwarte Helgoland" in Wilhelmshaven war, befasst sich im Gegensatz zu seinen Kollegen ausführlich mit dem Zug in Deutschland. Das erscheint begründet, denn 55 Prozent der mehr als 500 bei uns nachgewiesenen Arten unternehmen regelmäßige Wanderungen. Der Autor stellt ausgewählte Spezies vor und erläutert deren jeweiliges Streckennetz.

Dabei ist etwa zu lernen, dass die Mönchsgrasmücke ein besonders komplexes Zugverhalten hat: Von München über Halle an der Saale bis nach Rostock verläuft eine Linie, die den Bestand in westlich und östliche ziehende Vögel trennt. Zugleich überwintern einige Individuen inzwischen auf den Britischen Inseln, andere fliegen direkt Richtung Süden. Wer mit der Materie nicht vertraut ist, für den wird der Abschnitt eine wahre Fundgrube sein. Jene Leser jedoch, die den von Bairlein 2014 mitherausgegebenen "Atlas des Vogelzugs" kennen, werden hier kaum auf Neues stoßen.

Streckenweise wirken die referierten Zahlen wie ein Ranking oder Best-of. Das schadet allerdings nicht, denn zum einen verdeutlichen sie, was Vögel leisten können, zum anderen erlauben sie Vergleiche: "So war eine in Nordrhein-Westfalen beringte Heckenbraunelle bereits 7 Tage später in Portugal erlegt worden, was eine mittlere Reisegeschwindigkeit von 293 km/Tag ausmacht, ein Fitis aus Finnland war 47 Tage später in S-Afrika (218 km/Tag) oder eine in Hessen beringte Rauchschwalbe nach 36 Tagen in Tansania (188 km/Tag)." Übrigens hat die Pfuhlschnepfe E7 den Weg von Alaska nach Neuseeland mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 59 Kilometer pro Stunde absolviert.

Neben so exakten Angaben weist die Ornithologie auch blinde Flecken auf: Insgesamt gibt es rund 10 000 Vogelarten, von denen mindestens vierzig Prozent Wanderungen unternehmen - auf allen Kontinenten, in alle Himmelsrichtungen, über Wüsten und Ozeane. Streifengänse überfliegen sogar den Himalaya in 9000 Meter Höhe. Gut erforscht ist der Zug von Nordamerika nach Mittel- und Südamerika sowie von der Paläarktis nach Afrika. Nur wenige Daten gibt es hingegen über den paläarktisch-asiatischen Zug, was laut Bairlein daran liegt, dass Vögel in den entsprechenden Ländern bis heute nicht systematisch beringt werden. Im Gegensatz zu Europa, wo dieses Verfahren seit 1899, als der Däne Hans Christian Mortensen die Beine von Staren und Haussperlingen mit Aluminiumringen versah, zu den wichtigsten Instrumenten zählt, um Wanderungen zu erfassen. Nachdem markierte Individuen während der kalten Jahreszeit in entlegenen Gegenden entdeckt wurden, konnte man Thesen wie jene, Vögel würden Winterschlaf halten, endgültig verabschieden.

Dass eine ganze Reihe von Arten zu einer bestimmten Zeit in eine bestimmte Richtung fliegt, kann an äußeren Faktoren liegen - man denke an Kälteeinbrüche oder akuten Nahrungsmangel -, es kann genetisch bestimmt sein, und es kann sich einer Kombination aus beidem verdanken. Verlassen Langstreckenzieher ihre Brutgebiete bei bestem Wetter und üppigem Nahrungsangebot, sind innere Faktoren der Auslöser. Dieses Programm vollzieht sich so präzise, dass manche Arten mit einer Standardabweichung von höchstens fünf Tagen ihre Endstation erreichen. Selbst als Nestling gefangene und fortan eingesperrte Vögel entwickeln zu genau der Zeit, da sie im Freiland eigentlich unterwegs wären, eine sogenannte Zugunruhe: Sie hocken auf der Sitzstange oder am Boden und schlagen mit den Flügeln. Dabei orientieren sie sich stets in Richtung ihres potentiellen Ziels, und zwar so lange, wie die Reise normalerweise dauern würde.

Die Zugunruhe scheint ein sehr altes Merkmal zu sein, schließlich ist sie bei afrikanischen Schwarzkehlchen heute noch nachzuweisen, obwohl sich diese vor mindestens einer Million Jahren von ihren nördlichen Verwandten getrennt haben und mittlerweile Standvögel sind. Während die zeitliche Steuerung des Zugs über eine innere Uhr läuft, orientieren sich Vögel im Raum, indem sie den Sonnenstand, den Sternenhimmel und das Magnetfeld der Erde als Kompass heranziehen. Einige Arten, zum Beispiel die Heringsmöwe, navigieren auch mithilfe von Gerüchen. Setzt man ihren olfaktorischen Nerv außer Kraft, finden sie nicht mehr ans Ziel.

Der Vogelzug war immer riskant, und die Herausforderungen wachsen: Etliche Arten kehren aufgrund des Klimawandels früher in die Brutgebiete zurück und verpassen trotzdem die Zeit des besten Beuteangebots, weil Insekten ebenfalls auf die gestiegenen Temperaturen reagieren - und oft schon da sind, bevor der Vogelnachwuchs schlüpft. Als Folge haben etwa die Brutbestände des Trauerschnäppers in den Niederlanden rasant abgenommen. Hinzu kommt die Verfolgung durch den Menschen. Bairlein zitiert eine Studie des Verbands Birdlife International, in der es heißt, jährlich würden im Mittelmeerraum 11 bis 36 Millionen Zugvögel illegal getötet. Nicht zu vergessen die legale Jagd, die keine Rücksicht auf in Europa gefährdete Arten wie die Turteltaube nimmt. Deren deutsche Brutbestände sind von 1992 bis 2016 um 85 Prozent eingebrochen. Insgesamt machen europäische Jäger jedes Jahr 53 Millionen Vögeln den Garaus. Hier wird der sonst angenehm sachliche Autor einmal und aus gutem Grund energisch: "Diese unsäglichen Verfolgungen von Zugvögeln, gleichgültig ob illegal oder legal, gerade im Mittelmeerraum, aber auch anderswo, müssen eingestellt werden."

Wenn ein ausgewiesener Kenner wie Franz Bairlein eine Abhandlung über sein Spezialgebiet vorlegt, kann inhaltlich kaum etwas schiefgehen. Passagen, die der Autor zuvor schon an anderer Stelle gebracht hat, werden nur Kollegen und Hobbyornithologen auffallen. Die reiche Bebilderung mit zum Teil exzellenten Fotografien, vielen Grafiken und Karten steigert das Vergnügen der Lektüre. Ja, die Flüchtigkeitsfehler zeigen, dass das Lektorat gründlicher hätte ausfallen müssen; ja, manche Aufnahmen sind so verpixelt, dass sie besser nicht gedruckt worden wären. Und dennoch, wer sich über den Vogelzug auf den aktuellen Stand bringen will, kommt an diesem Buch nicht vorbei. KAI SPANKE

Franz Bairlein: "Das große Buch vom Vogelzug". Eine umfassende Gesamtdarstellung.

Aula Verlag, Wiebelsheim 2022. 368 S., Abb., geb., 49,95 Euro.

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