An der "blutenden Grenze im Osten" wurde mit der Grenzmark Posen-Westpreußen 1922 eine Provinz gegründet, in welcher sich der reichsweite Raumdiskurs der Zwischenkriegszeit bündelte: Die Debatte um die Revision des Versailler Vertrages mit der Anspruchshaltung auf die Ostmark traf zusammen mit dem Bedrohungsszenario eines "Volkes ohne Raum". Die in der Forschung bisher selten gewürdigte Grenzmark wird in dieser Arbeit mit Hilfe des Begriffspaars Raumaneignung und Rauminterpretation erschlossen. Im Fokus steht dabei die Beziehung unterschiedlicher räumlicher Zuschreibungsebenen: Einerseits wurde die Grenzmark als Mahnmal gegen die Ungerechtigkeit von Versailles und Statthalter für die Vorgängerprovinzen gegründet. Andererseits bestand die Notwendigkeit, die Funktionalität und Sicherung der unmittelbaren Grenzprovinz zu gewährleisten. Daraus ergab sich eine grundlegende Divergenz zwischen der Grenzmark in ihrem ideell beanspruchten Raum und dem tatsächlichen gelebten und verwalteten Territorium der Provinz. Die Untersuchung der Aushandlungs-, Vermittlungs- und Gestaltungsprozesse der Grenzmark gibt Aufschluss darüber, inwiefern sich regionale Raumpraktiken und an zentrale Diskurse gekoppelte Raumimaginationen als vereinbar zeigten. Die Geschichte der Grenzmark Posen-Westpreußen zeigt, dass trotz der allgegenwärtigen Rhetorik der "Schandfrieden" und die "Verstümmelung" nicht als örtlich manifestierte Tatsachen gelten können. Vielmehr ergibt die Untersuchung eine Geschichte raumpolitischer Dualismen von Peripherie und Zentrum sowie staatlichem Territorium und nationalem Raum und bereichert das Bild der deutschen Zwischenkriegszeit um eine außergewöhnliche regionale Facette.