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Der Romancier Fred Wander vergegenwärtigt sich in seinem großen Erinnerungsbuch noch einmal die Ereignisse seines Jahrhunderts: Kindheit und Jugend im proletarischen Wien, die Wanderjahre in Frankreich, Deportation nach Auschwitz und Buchenwald, die Übersiedlung in die DDR und die wachsende Enttäuschung und Fremdheit, die Jahre mit Maxie Wander und das Wiedersehen mit Paris. Seine Erinnerungen sind das Buch eines Zeitzeugen, der seine Gegenwart mit dem Blick von unten sieht.

Produktbeschreibung
Der Romancier Fred Wander vergegenwärtigt sich in seinem großen Erinnerungsbuch noch einmal die Ereignisse seines Jahrhunderts: Kindheit und Jugend im proletarischen Wien, die Wanderjahre in Frankreich, Deportation nach Auschwitz und Buchenwald, die Übersiedlung in die DDR und die wachsende Enttäuschung und Fremdheit, die Jahre mit Maxie Wander und das Wiedersehen mit Paris. Seine Erinnerungen sind das Buch eines Zeitzeugen, der seine Gegenwart mit dem Blick von unten sieht.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.12.1996

Unterwegs mit leichtem Gepäck
Die Memoiren Fred Wanders Von Ulrich Weinzierl

Dies ist ein durchaus unvollkommenes Buch. Nonchalant mißachtet der Autor die Regeln, die perfekte "Erinnerungen" verbürgen. Er wiederholt sich, er springt auf der chronikalischen Ebene nach vorn und zurück, er kündigt an. Zudem zitiert er sich und andere ausgiebig, und statt des nüchternen Punkts am Satzende setzt er gern pathetische Rufzeichen. Dramaturgische Höhepunkte seiner Vita "verschenkt" er ebenso, wie er die Hölle mit lodernden Flammen zu beleuchten verschmäht. Offenbar will er kein überwältigendes Bild der Abgründe seiner Epoche malen, nicht einmal ein schmeichelhaftes Selbstporträt. Der Wiener Jude Fred Wander kennt sämtliche Arbeitslager im Vichy-Frankreich von innen, hat Auschwitz und Buchenwald überstanden und die ganze Familie, mit Ausnahme seines Bruders, in der Shoa verloren. Muß man darum den Titel seiner Rückschau, "Das gute Leben", ironisch deuten, als sarkastischen Ausdruck der Verbitterung? Keineswegs. Fred Wander meint es ernst.

Das "gute Leben", Freude und Genuß an einfachen Dingen, ist ihm erstmals in Paris begegnet, wo er auf den Boulevards und in Elendsquartieren kurz die Luft der Freiheit atmen durfte. Dorthin hatte es den jungen Emigranten Rosenblatt aus dem von antisemitischen Ausschreitungen brodelnden Wien des Jahres 1938 verschlagen. Als Wanderer durch Zeit und Welt hat er sich immer schon begriffen - ein "ahasverischer Typ", ein Mensch im ewigen Exil. Auf den Nullpunkt zurückgeworfen, fing er freilich stets von neuem an. Was er hingegen nicht aushielt, war die Atmosphäre im Nachkriegsösterreich, den nach knapper Schamfrist wieder an die Oberfläche drängenden gemütlichen Antisemitimus. Fred Wander fand zum Schreiben und schloß sich den Kommunisten an, den Kämpfern gegen den Faschismus.

Die Partei, die immer recht hatte, schickte ihn nach Leipzig an das frisch gegründete "Literatur-Institut Johannes R. Becher". Mit österreichischem Paß, an der Seite seiner zweiten Frau Maxie, übersiedelte Wander 1958 in der DDR. Zum Ideologiegläubigen nicht geboren und erzogen, entgingen ihm die düsteren Seiten des deutschen Realsozialismus keineswegs, schließlich wurde die Berliner Mauer im Garten seines Hauses errichtet. Daß er, der nach dem Abwürgen des Prager Frühlings aus der KPÖ ausgetreten war, trotzdem bis 1983 im SED-Staat bleiben sollte, beschäftigt ihn bis heute. Man war weder blind noch taub. Doch persönliche Bindungen, die Vorzüge der Nischengesellschaft und nicht zuletzt das Vertrauen auf die prinzipielle Richtigkeit der marxistischen Idee bewogen ihn zum Ausharren.

An privaten Schicksalsschlägen hat es Fred Wander selbst nach dem Naziterror nicht gemangelt. Seine kleine Tochter fiel einem Unfall zum Opfer, Maxie Wander starb früh und elend am Krebs, als sich der gewaltige Erfolg ihres Erstlingswerks "Guten Morgen du Schöne" eben abzuzeichnen begann. Endgültig gebrochen hat ihn dennoch nichts, der Funke Hoffnung wider alles vernünftige Hoffen wollte nicht erlöschen. Darum sind Fred Wanders Memoiren gerade auch in ihren formalen Mängeln ein schönes, ein zutiefst humanes Buch. Es erzählt auf bewegende Weise von Freundschaften und von Liebe, von den Irrtümern und Katastrophen einer Existenz. Indem es vor allem Fragen stellt, erhalten wir eine indirekte Antwort. Der Psychiater Viktor Frankl, gleichfalls ein Überlebender der Konzentrationslager, hat sie für sich in die Formel gefaßt: "Trotzdem ja zum Leben sagen". Aus dieser Quelle hat Fred Wander Kraft geschöpft, die ihn noch als alten Mann jung erscheinen läßt. Seine Bilanz schließt mit den Worten: "Ich bin unterwegs, mein Gepäck ist leicht."

Fred Wander: "Das gute Leben." Erinnerungen. Carl Hanser Verlag, München 1996. 368 S., geb., 39,80 DM.

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