Ohne Bitterkeit, ohne Selbstheroisierung und vollkommen uneitel erzählt Fred Wander von seinem Leben. »Ich bin unterwegs, mein Gepäck ist leicht«, lautet der letzte Satz dieser Lebenserinnerungen. Fred Wander schreibt ihn als fast Neunzigjähriger, gleichermaßen eine lange und fürwahr bewegte Lebensstrecke bilanzierend und einen Blick nach vorn werfend. Dieser Satz kann vielleicht als eine Art Lebensmotto Wanders gelesen werden: Er hat sich eine durch nichts zu erschütternde Neugier auf das Leben bewahrt, trotz aller Demütigungen, die er schon als jüdischer Junge im Wien der zwanziger Jahre erfahren mußte, trotz aller existentiellen Gefährdungen, denen er an den wechselnden Exilorten der Enddreißiger und schließlich in den Konzentrationslagern Buchenwald und Auschwitz ausgesetzt war. Er, der allen Grund zu Bitterkeit hätte, erzählt mit einer fast fröhlichen Leichtigkeit von den »kleinen Leuten«, bei denen er immer wieder Solidarität und Hilfe fand: etwa als er 1938 ohne Gepäck undohne Geld in Paris ankam, später auf den Stationen der Flucht durch Europa und in den Lagern. Er erzählt von den Nachkriegsjahren in Wien, von den Freunden, die er in der DDR und auf den Reisen als Schriftsteller fand, und von der Zeit seit 1983 wieder in Wien. Wander will weder als Held bewundert noch als Opfer bemitleidet werden, sondern sich und uns Zeugnis ablegen.
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Wer kennt diesen Mann außerhalb der Ex-DDR noch, fragt Rolf Michaelis. Dabei lebt Fred Wander heute noch - der Name ist das Pseudonym des Kommunisten Fritz Rosenblatt, der von den Nazis ins KZ verschleppt wurde, dieses überlebte und mit "Der siebente Brunnen" eine der bekanntesten Lagererzählungen geschrieben hat. In Wien lebt er also heute noch, hochbetagt, wohin er in den 80er Jahren, nach dem Tod seiner Frau Maxie Wander, aus der DDR zurückkehrte. In Wanders Erinnerungen, bedauert Michaelis, erfährt man leider außer den Inhalt einiger bewegender Briefe fast gar nichts über Maxie Wander, die mit ihrem Interview-Buch "Guten Morgen, du Schöne" ihrerseits die prüde DDR so verstört hatte. Um so mehr kehrt Wander in seinen Erinnerungen in die Haftzeit zurück, die er mit ihren Schrecken und auch um so intensiver empfundenen Freuden schildert. Das bestimmende Gefühl ist Zeit seines Lebens die Fremdheit geblieben, fasst Michaelis zusammen, das gilt wohl auch für die DDR, in der er nie so richtig heimisch wurde. Dem Verlag hätte es gut angestanden, kritisiert der Rezensent, einige Wiederholungen und leicht "predigerhafte Töne" im Text zu streichen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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