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Während die meisten Facebook-User noch mit Freund-Werden, »Liken« und Kommentieren beschäftigt sind, ist es an der Zeit, auch die Konsequenzen unserer informationsübersättigten Lebensweise zu betrachten. Warum machen wir so fleißig bei den sozialen Netzwerken mit? Und wie hängt unsere Fixierung auf Identität und Selbstmanagement mit der Fragmentierung und Datenflut in der Online-Kultur zusammen?Mit seinen Studien zu Suchmaschinen, Online-Videos, Blogging, digitalem Radio, Medienaktivismus und WikiLeaks dringt Lovink in neue Theoriefelder vor und formuliert eine klare Botschaft: Wir müssen…mehr

Produktbeschreibung
Während die meisten Facebook-User noch mit Freund-Werden, »Liken« und Kommentieren beschäftigt sind, ist es an der Zeit, auch die Konsequenzen unserer informationsübersättigten Lebensweise zu betrachten. Warum machen wir so fleißig bei den sozialen Netzwerken mit? Und wie hängt unsere Fixierung auf Identität und Selbstmanagement mit der Fragmentierung und Datenflut in der Online-Kultur zusammen?Mit seinen Studien zu Suchmaschinen, Online-Videos, Blogging, digitalem Radio, Medienaktivismus und WikiLeaks dringt Lovink in neue Theoriefelder vor und formuliert eine klare Botschaft: Wir müssen unsere kritischen Fähigkeiten nutzen und auf das technologische Design und Arbeitsfeld Einfluss nehmen, sonst werden wir in der digitalen Wolke verschwinden.
Autorenporträt
Lovink, GeertGeert Lovink, niederländischer Medientheoretiker, Internetaktivist und Netzkritiker, ist Leiter des Institute of Network Cultures an der Hochschule von Amsterdam (networkcultures.org) und Professor für Medientheorie an der European Graduate School. Er gilt als einer der Begründer der Netzkritik. Projekte, an denen er beteiligt war, befassten sich unter anderem mit der dominanten Rolle von Suchmaschinen in unserem Alltag, mit Social-Media-Monopolen und ihren Alternativen und einer kritischen Inblicknahme der Produktion und Distribution von Online-Videos. Geert Lovink hat zahlreiche Bücher zu Kritik und Kultur der Neuen Medien publiziert.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.10.2012

Stillstand mit Lichtgeschwindigkeit

Die Amerikaner sind an allem schuld, aber Google ist gar nicht so leicht an den Pranger zu stellen: Geert Lovink rechnet mit den Verheißungen und Wünschen ab, die sich an das Web 2.0 knüpften.

Das Web 2.0 ist vorbei. Und solange es bestand, ruhte es auf fixen Ideen. Gesellschaftliche Teilhabe, demokratische Mitbestimmung, technologiegestützte Selbstverwirklichung - es seien alles Märchen geblieben. Mit dieser Behauptung beginnt der niederländische Medienwissenschaftler Geert Lovink sein aktuelles Buch. Es schließt nahtlos an vorherige Bände seiner Internetkritik an. Das Web 2.0, dessen angebliche Besonderheiten sich derzeit in belanglose Selbstverständlichkeiten auflösen, so schreibt es der Autor diesmal überdeutlich, war eine Lüge. Das "datenfettsüchtige" und "zynische Unternehmen" Google sei auf dessen Idee gekommen. Im Jahr 2004, mit dem Gang an die Börse, hätten die Googler die Ideologie entworfen: Alles sollte verfügbar sein, jeder sollte mitmachen dürfen. Ein Jahr später schrieb der als Visionär gefeierte Tim O'Reilly dann das namensgebende Manifest des "Web 2.0".

Doch keiner der Wünsche wurde Wirklichkeit. Zwar wurden viele Barrieren der Teilhabe niedergerissen, entscheidungsrelevant sei das entstandene Geplapper aber nie geworden. Auch der "Prosumer", der Konsument, der zu jedem Produkt noch einmal sein Feedback an die Hersteller geben durfte, bekam nie das letzte Wort. Und das entstandene "24-Stunden-Nachrichtenspektakel" raubte noch dem Letzten die Nerven: Zwar waren plötzlich alle informiert, doch niemand dachte mehr nach. Die "digital Natives", so Lovink, litten heute an einer "gebrochenen Selbstwahrnehmung", weil sie glauben, sich mit Hilfe technischer Spielereien die Welt untertan gemacht zu haben. Dabei seien sie stattdessen ausschließlich mit der Pflege ihrer omnipräsenten Profile beschäftigt. Das Internet als anonymer Zufluchtsort gebe es seit dem politischen Ansinnen, überall Terroristen und Kinderschänder finden zu wollen, nicht mehr.

Schuld an der Misere sind laut Lovink die Amerikaner. Zum einen durch ihre radikalen Eingriffe in das Internet nach dem 11. September 2001 und zum anderen, weil die Software für die vielen Web-2.0-Dienste meistens von ihnen kam. Dadurch globalisierten sich die amerikanischen Verhaltensweisen: immer lächeln, immer stark sein, Probleme nur dem Therapeuten offenbaren. Das fruchtbare Zeitalter der Blogs fiel dem Aufstieg von Facebook und Twitter zum Opfer: Zwar machen heute alle mit, doch mehr als persönliche PR betreibe kaum noch jemand. Die Technologie hat sich als "merkwürdig unsichtbares Element im Alltag" integriert. Jeder erlebte Moment wird heute für die "soziale Wertschöpfung" genutzt und als Tweet, Instagram-Bild oder Facebook-Status festgehalten. Doch profitiert hat davon, so Lovink, vor allem Google. Das Unternehmen hat verstanden, aus dem digitalen Schleier, der sich über die Gesellschaft gelegt hat, Gewinn zu schöpfen. Es schuf eine "Technologie der Ausbeutung".

Lovinks Kritik ist deutlich. Aber sie ist mit Bedacht formuliert. Denn Argumente gegen Google seien nur schwer zu finden, gesteht Lovink. Schließlich zwingt das Unternehmen seine Dienste niemandem auf, die Konkurrenz ist immer nur einen Klick entfernt. Für Kritik daran fehle heute auch das Handwerkszeug. Sie beschränkt sich auf "journalistische Beobachtungen, Ideologiekritik und Diskursanalyse". Warum sich die bisherige "Review-Kultur", die Apps und Internetservices untersucht, auf Brauchbarkeits- und Funktionsanalysen beschränkt, ist für Lovink ein Rätsel. Ein weiteres liege darin, dass in den klassichen Orten der Kritik - auf Bühnen, in Zeitungen und Diskussionen - kaum über neuste Entwicklungen debattiert wird. Lovink stochert mit diesen Überlegungen im Nebel, doch die Suchbewegungen und auch die Unschärfen in der Argumentation sind aufschlussreich.

Anstatt in folgenden Kapiteln ein weiteres Mal über die Überforderung des Einzelnen durch Informationen zu klagen, geht es Lovink diesmal auch um die andere Seite dieser Medaille. Denn mit dem Wachstum der Datenspeicher ging die Schrumpfung der Zeitfenster einher, in denen die Signale im Internet in Informationen übersetzt und verarbeitet werden können. Die Lichtgeschwindigkeit, nach deren Limit sich die Informationsflüsse des Internets richten, führten zu "Reglosigkeit", schreibt Lovink. Weder bleibe jemandem die Zeit, zu reflektieren, noch sei Reflexion in der Struktur der Datenströme vorgesehen. Die Computer schreiben die Geschichte der Gesellschaft heute in Echtzeit - Erzählungen und Narrative seien dadurch verschwunden. Lovinks Überlegungen gehen an dieser Stelle weit, sie reichen bis hin zu Sloterdijks Appell zum asketischen Üben.

Die weiterführenden Analysen Lovinks, die mit einer reichhaltigen Werkschau zu Themen und Ideen anderer Autoren verbunden sind, reichen dagegen bis ins Waghalsige. Auf der Suche nach der Antwort auf die Frage, weshalb in Deutschland nie eine nennenswerte Blogkultur entstand, kommt er nach wenigen Gesprächen mit hiesigen Autoren zu dem Schluss, dass die Deutschen ihre Debatten lieber den Medienstars überlassen, weil sie politisch extreme Auswüchse des Mobs fürchteten. Die Deutschen seien sich einer "kulturellen Konnotation des ,hässlichen Deutschen'" bewusst, mutmaßt Lovink. Im Anschluss an diese holprige Diskussion ist Lovink allerdings begeistert von der "re:publica", einer inzwischen von Tausenden von Internetnutzern besuchten Konferenz in Berlin, die als Einzige das kulturelle Moment des Internets betone und absichtlich von den technologischen und finanziellen Aspekten der Internetkultur absehe.

Was nun vom Internet derzeit zu halten sei, weiß man auch nach der kurzweiligen und lehrreichen Lektüre der neuesten Lovink-Kritik kaum. Letztlich geht es dem Autor um den Schutz eines Kulturraums, den er aber doch, mit großer Sympathie für Joseph Weizenbaum, als "Müllhaufen" bezeichnet. Viele Widersprüche, dass die technische Dezentralisierung des Internets zu einer beispiellosen unternehmerischen Monopolisierung führte, dass das Mehr an "Signalen" im Internet gerade nicht zu mehr Information und Wissen, sondern zu Unsicherheit und Überforderung führt und dass es Nullen-und-Einsen-Rechner sind, die heute die Medienlandschaft revolutionieren - all dass kann Lovink nur nennen. Am Ende bleibt ihm einzig die Hoffnung, dass Google bald von den Usern als "uncool" behandelt und infolgedessen ignoriert wird. Das ist kühn. Auch Lovink hat mit seinem Buch eine große Lücke noch nicht geschlossen: Es gibt noch kein dem Gegenstand gerechtes Buch über das Internet der Gesellschaft.

STEFAN SCHULZ

Geert Lovink: Das halbwegs Soziale. Eine Kritik der Vernetzungskultur.

Aus dem Englischen von Andreas Kallfelz. Transcript Verlag, Bielefeld 2012. 240 S., br., 22,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Etwas zwiespältig scheint Felix Ekardt dieses Werk des Netzkritikers Geert Lovink. Seinen Anspruch, die diversen Stränge der theoretischen Auseinandersetzung mit der Internetkultur aufzugreifen und in einer innovativen Gesamttheorie zu integrieren, wird der niederländische Medientheoretiker nach Auffassung des Rezensenten nur zum Teil gerecht. In vielen Punkten stimmt er mit dem Autor überein, Punkte allerdings, die nicht unbedingt brandneu sind. Ekardt nennt hier etwa Einsicht, dass Ursachen und Wirkungen des Internets heute noch nicht empirisch erfasst und analysiert sind, oder auch den Umstand, dass das Internet die Demokratie sowohl beleben als auch zur Entpolitisierung beitragen kann. Fragen wie die, ob man Facebook wirklich ernst nehmen muss, bleiben zu seinem Bedauern außen vor. Insgesamt lässt sich das Buch nach Ansicht des Rezensenten als gute "Fundgrube" nutzen. Wirklich neue Ideen bietet es seines Erachtens allerdings nicht. Zudem scheint ihm das Buch nicht gut lesbar und eine systematische Argumentationen fehlt ihm auch.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Geert Lovinks Monographie [...] bietet Zugang zu einer desillusionierten Netzkritik, welche sich jenseits der ewiggleichen kulturpessimistischen und angsterfüllten Klagen über medienbedingte Transformationen der Kultur bewegt.« Petra Missomelius, MEDIENwissenschaft, 5 (2013) »Wie [...] müssen Instrumente beschaffen sein, die aufmerksames Denken und Auseinandersetzung fördern? Wie kann die Masse der Beiträge zu politischem Einfluss werden? Wann schlägt Onlinevernetzung in politische Aktivitäten um? Lovinks Buch ist eine Aufforderung, diese Fragen weiter zu diskutieren.« Jan Ole Arps, ak - analyse & kritik, 579/1 (2013) »Lovinks Kritik ist deutlich. Aber sie ist mit Bedacht formuliert.« Stefan Schulz, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.10.2012 »'Das halbwegs Soziale' untersucht verschiedenste Teilbereiche neuer Netzkultur weit jenseits des Abfeierns in einerseits prägnanten Essays und einer Grundstimmung der Kritik, deren Notwendigkeit einleuchtet.« DE BUG, 12 (2012) »Der holländische Medientheoretiker Geert Lovink reitet mit seinen Studien, Analysen und Berichten zur Vernetzungseuphorie zwar auch einige Attacken; es geht ihm aber nicht darum, das Internet zu verdammen oder gar abschaffen zu wollen. Vielmehr zeigt er die Konsequenzen auf, die entstehen, wenn wir das www nur nutzen, ohne hinter die Kulissen zu schauen, also Tun vor Denken stellen.« Jos Schnurer, www.socialnet.de, 28.11.2012 »Lovinks Kritik ist deutlich. Aber sie ist mit Bedacht formuliert.« Stefan Schulz, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.10.2012 Besprochen in: ZEITpresse, 3 (2012) WDR 3 Gutenbergs Welt, 16.09.2012, Ulrike Westhoff www.scoop.it, 26.09.2012, Andreas König www.fluter.de, 21.11.2012, Krystian Woznicki Deutschlandradio Kultur, Radiofeuilleton, 08.01.2013, Philipp Albers taz, 12./13.01.2013, Felix Ekardt GMK-Newsletter, 1 (2013) IT, 12/1 (2013) c't, 2 (2013) www.satt.org, 2 (2013), Jörg Auberg http://blogs.tageswoche.ch, 26.03.2013, Roberto Simanowski iX, 5 (2013), Henning Behme Computer und Arbeit, 7-8 (2013)…mehr