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Krieg ist das absolut Böse. Was aber treibt Männer seit Jahrtausenden dazu, dennoch voller Begeisterung in den Krieg zu ziehen - und Frauen, ihnen zu applaudieren? Das Gefährliche am Krieg ist nicht, daß er das Böse ist. Das Gefährliche ist seine Doppeldeutigkeit. Krieg weckt die Bestie und das Beste im Mann. Er verbindet Altruismus und Opferbereitschaft mit hemmungsloser Aggression. Er entfesselt die Gewalt und grenzt sie zugleich ein. Wer Krieg verstehen will, muß die positiven Gefühle begreifen, die ihn antreiben und tief zurück in die Menschheitsgeschichte reichen. Sie knüpfen an das…mehr

Produktbeschreibung
Krieg ist das absolut Böse. Was aber treibt Männer seit Jahrtausenden dazu, dennoch voller Begeisterung in den Krieg zu ziehen - und Frauen, ihnen zu applaudieren? Das Gefährliche am Krieg ist nicht, daß er das Böse ist. Das Gefährliche ist seine Doppeldeutigkeit. Krieg weckt die Bestie und das Beste im Mann. Er verbindet Altruismus und Opferbereitschaft mit hemmungsloser Aggression. Er entfesselt die Gewalt und grenzt sie zugleich ein. Wer Krieg verstehen will, muß die positiven Gefühle begreifen, die ihn antreiben und tief zurück in die Menschheitsgeschichte reichen. Sie knüpfen an das 'Urtrauma' der Menschheit an: nicht Jäger, sondern Gejagte zu sein. Krieg ist die Re-Inszenierung dieser 'Ur-Szene': Die ältesten Mythen der Menschheitsgeschichte erzählen von Heldentaten der Krieger, aber auch vom Menschenopfer, mit dem das Raubtier beschwichtigt werden sollte. Cora Stephan untersucht die Bürgersoldaten der griechischen Polis und die Kriegereliten der mittelalterlichen Ritter, den Dreißigjährigen Krieg und den Ersten Weltkrieg. Sie setzt sich mit Clausewitz und den Folgen auseinander, mit den Regeln des Krieges und seiner 'Kultur': vom Krieg als Spiel bis zum Krieg aus Leidenschaft.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.11.1998

Männer führen Kriege
Cora Stephan verschreibt den Deutschen einen Geschlechtervertrag / Von Dorion Weickmann

Wo der Zeitgeist pulsiert, ist die Frankfurter Publizistin Cora Stephan zur Stelle. Ob sie den "Betroffenheitskult" geißelt oder die rüden Manieren der Bundesbürger ("Neue deutsche Etikette"), stets spiegeln ihre Bücher die Befindlichkeit der Republik. Diesmal ist es die Diskussion um Kriseneinsätze der Bundeswehr, die Cora Stephan auf den Plan gerufen hat. Ihre Publikation über das "Handwerk des Krieges" liegt um so mehr im Trend, als die alte Männerdomäne der Militärgeschichte seit neuestem von Frauen aufgesucht wird, Ute Frevert etwa und Regina Schulte.

Wer Stephans Kommentare während des Golfkriegs in Erinnerung hat, ahnt, worauf sie hinauswill. Die "außenpolitische Abstinenz" der Bundesrepublik war ihr schon im Januar 1991 ebenso zuwider wie die Ächtung bewaffneter Auseinandersetzungen, die wir, so Stephan, "mit dem kollektiven Schuldanerkenntnis" für beide Weltkriege vollzogen hätten. Auf der Basis dieser kruden Geschichtsphilosophie fordert Stephan nun mehr militärisches Verantwortungsbewußtsein hierzulande. Unterdessen muß der meinungsfreudigen Autorin entgangen sein, daß ihr Präzedenzfall, die Operation "Desert Storm", selbst unter amerikanischen Völkerrechtlern umstritten ist.

Für Cora Stephan ist der Krieg eine menschheitsgeschichtliche Universalie. In der Anthropologie folgt sie Barbara Ehrenreich. Krieg, erklärt Stephan, entstehe an der "Schnittstelle von Biologie und Kultur" und begründe einen "Geschlechtervertrag". Das Trauma der Urhorde, nicht Jäger, sondern Beute der Tiere zu sein, werde im Konfliktfall neu inszeniert. Die Männer opferten sich für die Gesellschaft. Dafür erhielten sie Macht und Prestige.

Wie der "Geschlechtervertrag" beschaffen sein soll, wie die "endemische Gewalt", die der Waffengang angeblich kanalisiert, das läßt die Autorin offen. Statt die Begriffe zu klären, spekuliert Cora Stephan lieber mit biologistischen Anleihen über das Verhalten des homo bellicosus. Darüber treten die Unterschiede zwischen einzelnen sozialen Formationen oder den Entwicklungsstufen der westlichen Zivilisation in den Hintergrund. Inwiefern etwa die Motive der Soldaten anno 1914 von jenen der griechischen Hopliten abwichen, die "für Heimat und Land und für die Kinder" - also für höchst moralische Prinzipien - ins Feld zogen, erfährt der Leser nicht. Die Vorstellung, der Gefreite vor Verdun habe nur abstrakte Ideen verteidigt und allein aus nationalistischen Erwägungen seinen Kopf hingehalten, greift zu kurz.

Eine weitere These ist vertraut aus der militärgeschichtlichen Literatur: Solange die Kombattanten einander als ebenbürtig betrachten, auf dem Schlachtfeld klare Regeln gelten und Zivilisten aus dem Gefecht herausgehalten werden, können Kriege in geordneten Bahnen verlaufen. Sobald jedoch eine Partei die Abmachungen unterläuft, droht hemmungslose Eskalation. Wenn die eigene Existenz auf dem Spiel steht und der Feind nur noch als Bestie gilt, geht der Komment vollends verloren.

Der rituelle Schlagabtausch zwischen den griechischen Phalangen und die mittelalterlichen Ritterkämpfe scheinen diesen Befund zu stützen, obwohl sie keineswegs so gemäßigt verliefen, wie Stephan meint. Mit den Infanteristen beispielsweise kannte die feudale Kriegerkaste kein Erbarmen, wie Wilhelm Britos Beschreibung der Schlacht von Bouvines (1214) bezeugt. Grundsätzlich aber trafen im Mittelalter Elitetruppen aufeinander, die ein Waffenmonopol besaßen. Das Ziel war nicht, den Gegner auszulöschen, sondern ihn ehrenhaft zu besiegen, möglichst ohne daß die Bevölkerung in den Strudel der Bataille geriet. Wer allerdings unrechtmäßig das Schwert führte, seien es Partisanen, Frauen oder aufständische Bauern, wurde niedergemacht.

Mit dem Volksheer der napoleonischen Ära rückte der Krieg aller gegen alle näher. Der Gedanke vom "absoluten Krieg" war geboren, lange bevor im August 1914 das Inferno über den Kontinent hereinbrach. Der Kriegsschuldproblematik wird Cora Stephan allerdings nicht gerecht. Offenbar möchte sie die Leser partout von allen pazifistischen Skrupeln befreien, was ihren Blick für Fakten trübt. So führt schon der Hinweis, daß die Staaten der Neuzeit in der Lage sein mußten, ihr Territorium präventiv zu sichern, in die Irre. Von einem Präventivschlag kann 1914 gar keine Rede sein, und nichts spricht dafür, daß die Ententemächte für 1916/17 einen Angriff planten. Die Reichsregierung war sich dessen im übrigen wohl bewußt.

Das Berliner Vabanquespiel in der Julikrise 1914, angetrieben von der "Zwangsvorstellung" (Joachim Radkau) einer alliierten Einkreisung, muß zumindest als "fahrlässige Herbeiführung" (Imanuel Geiss) des Weltkriegs bewertet werden. Daß die Paragraphen 227 bis 230 des Versailler Vertrages den Deutschen, wie Cora Stephan behauptet, die "Legitimität, also das ius ad bellum" abgesprochen hätten, ist blanker Unsinn. Wo kein kodifiziertes Recht zur Kriegsauslösung vorliegt, gibt es nichts abzuerkennen. Die Pariser Kommission, die das Friedensabkommen vorbereitete, stellt denn auch fest, daß ein "Aggressionskrieg nicht als Verstoß gegen geltendes Recht angesehen werden" könne. Die inkriminierten Passagen beziehen sich auf glatte Brüche des Völkerrechts wie den Einmarsch ins neutrale Belgien und den Einsatz von Gaswaffen.

Die Auflagen des Versailler Vertrages waren gewiß eine schwere Hypothek für die Weimarer Republik. Wer indes so sehr auf die Negativeffekte moralischer Verdikte pocht wie Cora Stephan, sollte nicht vergessen, daß die Friedensschlüsse von Brest-Litowsk und Bukarest ebenfalls nicht gerade rücksichtsvoll ausgefallen waren. Überaus leichtfertig wirkt auch die Schlußdiagnose der Autorin: Die deutsche Schuldübernahme für die Jahrhundertkatastrophen von 1914 und 1939 unterstelle stillschweigend, daß "die Gesetze der Mäßigung . . . in den Kriegen der Moderne sowieso nichts mehr zu suchen" hätten, "zwischen Krieg und Kriegsverbrechen" gebe "es also keinerlei Unterschied". Für diese abseitige Einschätzung ist ihr freilich nur ein einziger Beleg eingefallen, ein Zitat der Bremer Sozialwissenschaftlerin Sibylle Tönnies.

"Das Handwerk des Krieges" bietet viele Angriffsflächen, die hinter einer blendenden rhetorischen Fassade verschwinden. Sicherlich müssen wir die außenpolitische Rolle unseres Gemeinwesens überdenken. Das entscheidende Argument hierfür liefert jedoch nicht die Kriegsschuldthematik, sondern die Befreiung von Hitlers verbrecherischem Regime, die Stephan außen vor läßt. Jenseits deutscher Belange sind die Instrumente der internationalen Konfliktregelung dringend reformbedürftig. Überlegungen dieser Art, die über den kleindeutschen Horizont hinausweisen würden, hat Cora Stephan leider ausgeklammert.

Cora Stephan: "Das Handwerk des Krieges". Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 1998. 316 S., geb., 38,- DM.

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