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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.03.1997

Wenn der Staat mit der Wissenschaft anbandelt
Von der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zum Max-Planck-Institut: Ein wenig erforschtes Kapitel der Wissenschaftsgeschichte

Die Gründung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften im Januar 1911 war nicht nur eine bemerkenswerte kulturpolitische Aktion des Kaiserreichs, sondern stellte auch für die Wissenschaftsgeschichte einen wichtigen Markstein dar. Zum erstenmal wurde versucht, im Zusammenwirken von Staat, Wissenschaft und Wirtschaft Forschungsinstitute einzurichten, die sich mit den naturwissenschaftlichen und medizinischen Disziplinen befassen sollten.

Die Gesellschaft war rasch erfolgreich. Nach 1945 als Max-Planck-Gesellschaft fortgeführt und erneuert, besteht sie seit 1911 ununterbrochen. Neben die naturwissenschaftlich-medizinischen Institute traten zunehmend auch geisteswissenschaftliche. Die "zwei Kulturen" suchten in einer vernünftigen Symbiose neben und gemeinsam mit den Universitäten und Akademien eine fruchtbare Tätigkeit zu entfalten.

Die Max-Planck-Gesellschaft ist also nicht mehr ganz jung. Erstaunlicherweise ist ihre Geschichte keineswegs breit erforscht. Der Versuch einer zusammenfassenden Darstellung aus Anlaß des 75jährigen Bestehens - 1990 veröffentlicht - ist neben einigen wenigen spezielleren Untersuchungen eigentlich das einzige Unternehmen, das sich diesem Komplex insgesamt widmet. Offensichtlich besteht auf seiten der Max-Planck-Gesellschaft keine große Neigung, der eigenen Geschichte besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Allerdings ist ein solcher Versuch auch nicht einfach. Wie Bernhard vom Brocke zu Recht schreibt, konnte die Geschichte nur als allgemeine Geschichte der Institution, der Wissenschaftsorganisation und Wissenschaftspolitik geschrieben werden. Der "Ganzheitsaspekt" der Organisation stand 1990 im Vordergrund, Präsident, Senat, Generalverwaltung und Ministerialbürokratie bildeten den Hauptgegenstand. Es fehlte weitgehend an eingehenden Analysen einzelner Institute.

Im vorliegenden Band wird das zum Teil nachgeholt. Daß das nicht früher geschah, liegt schlicht an dem Umstand, daß es für Fachhistoriker außerordentlich schwierig ist, sich in die Probleme von naturwissenschaftlichen Instituten einzuarbeiten. Nur durch die Zusammenarbeit zwischen Historikern und speziellen Kennern einzelner Disziplinen der Geschichte der Naturwissenschaften, Medizin und Technik sind sinnvolle Resultate zu erzielen. In geistes- und sozialwissenschaftlichen Bereichen ist das entschieden einfacher.

Das nach sowjetischem Muster ausgerichtete Forschungs- und Wissenschaftssystem der DDR hatte innerhalb der so ungemein kopflastigen, fast ausufernden Akademie der Wissenschaften Institute und damit Personen gefördert, die sich der Theorie, Geschichte und Organisation der Wissenschaft, der Akademiegeschichte allgemein und ähnlichem widmeten. Natürlich gab es auch in den alten Ländern der Bundesrepublik Vertreter solcher Disziplingeschichten, aber sie blieben zumeist vereinzelt und verfolgten nur selten allgemeine, übergeordnete Problemstellungen.

Es ist den Herausgebern anzurechnen, daß sie Gelehrte aus den neuen und den alten Bundesländern zusammengeführt haben, die die seinerzeit nicht begonnene Analyse der Geschichte einzelner Kaiser-Wilhelm- oder Max-Planck-Institute vorantreiben sollten. Damit es nicht zu einer puren Addition von Institutsgeschichten komme, wurde, wie vom Brocke schreibt, ein "erkenntnisleitendes Thema" für den Band gewählt: das sogenannte "Harnack-Prinzip". Es unterstellt, daß die Gesellschaft von Anfang an bemüht war, um einen einzelnen Gelehrten herum ein wissenschaftliches Institut zu errichten. Jeweils nur dieser Gelehrte habe die wissenschaftliche Ausrichtung und die Forschungsansätze zu bestimmen gehabt. Allein darin hätten die Gründungsväter hinreichende Erfolgsaussichten erblickt.

Andere Gesichtspunkte, die den Herausgebern wichtig waren, sind Fragen des Standortes und die Bedeutung des jeweiligen Instituts für die Fortentwicklung einer Disziplin. Es sollten der oder die Geldgeber benannt und eine mögliche Typologie verwandter Institute erstellt werden. Es sollte also darauf geachtet werden, inwieweit es sich um industrienahe, staatsnahe oder reine von der Gesellschaft getragene Forschungsinstitute handelte. Selbstverständlich seien auch die innere Organisation, die Rolle des Instituts innerhalb der scientific community und die Forschungsleistungen in den Blick zu nehmen. Und es sollte darüber nachgedacht werden, ob die Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft als "nationale Akademie" angesprochen werden könne. Das ist gut durchdacht, sachgerecht und kommt dem Bande zugute, wenn auch nicht alle Autoren die Vorgaben berücksichtigten.

Neben vom Brockes Einführung enthält der Band 28 Untersuchungen. In einem ersten Teil werden Methodenfragen sowie die Quellenlage und die bisherige Geschichtsschreibung über die Gesellschaft dargestellt. Hier werden die Arbeitsgrundlagen der Gesellschaft selbst, aber auch die Forschungsbedingungen im Historischen Archiv Krupp sowie die in der DDR beschrieben. In einem Exkurs mit "Überlegungen zur Errichtung einer Forschungsstelle für Wissenschaftsgeschichte" wird der wohl nicht zu verwirklichenden Hoffnung Ausdruck gegeben, die Max-Planck-Gesellschaft könne zu einem solchen Schritt geneigt sein. Das hat sich inzwischen offensichtlich zerschlagen. Im zweiten Teil wird anhand verschiedener Beispiele erörtert, inwieweit das Harnack-Prinzip Realität oder Fiktion gewesen sei. Im Grunde gehört auch der dritte Teil hierher, der die persönlichen Einflüsse einzelner Zeitgenossen behandelt. Es stellt sich in beiden Fällen heraus, daß es zwar Beispiele für das Harnack-Prinzip gibt, daß aber auch einige Institute und Institutsdirektoren ganz anderen Überlegungen folgten. Verallgemeinernd läßt sich deshalb sagen, daß die Rolle einzelner Personen tatsächlich ausschlaggebend gewesen ist.

Im vierten Teil - es geht um "institutsübergreifende Fragestellungen" - werden unterschiedliche Beiträge versammelt, die den Gegenwartsbezug früherer Forschungen und methodische Ansätze möglicher Untersuchungsstrategien im Blick auf wissenschaftliche Institutionen erörtern. Eine abschließende Zusammenfassung sucht die vorhergegangenen Untersuchungen und besonders die Tragfähigkeit der persönlichkeitszentrierten Forschungsorganisation, wie sie im Harnack-Prinzip zum Ausdruck kommt, resümierend zu charakterisieren.

Alles in allem stellt der Band einen wichtigen Schritt zur Erforschung der deutschen Wissenschaftspraxis, der Wissenschaftsorganisation und Wissenschaftspolitik im zwanzigsten Jahrhundert zwischen Kaiserreich und Bundesrepublik dar. Zugleich wird deutlich, wieviel auf diesem Gebiet noch zu leisten ist und wie lohnend weitere Untersuchungen sein dürften. NOTKER HAMMERSTEIN

Bernhard vom Brocke, Hubert Laitko (Hrsg.): "Die Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft und ihre Institute". Studien zu ihrer Geschichte. Band I: Das Harnack-Prinzip. Walter de Gruyter, Berlin, New York 1996. XVI, 674 S., geb., 148,- DM.

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