Die sechzehnjährige Edmée muss nach dem Tod des Vaters Brüssel verlassen und zu ihren Verwandten in die flämische Provinz ziehen. Schnell stellt sich heraus, dass das Mädchen aus der Stadt andere Vorstellungen vom Leben hat als die konservativen Familienangehörigen. Edmée ist dominant, verwöhnt und sich ihrer Wirkung auf Männer sehr bewusst. Gleich zwei ihrer Cousins erliegen ihren Reizen und glauben, sie gehöre ihnen allein. Das führt zu Unmut unter den Männern der Familie. Als Edmée sich für einen der Cousins entscheidet, kann sie nicht ahnen, welche brutalen Folgen diese Entscheidung nach sich zieht.
Ein Beziehungsdrama in den nebelverhangenen Ebenen Flanderns. Ein Mädchen, das zur Frau heranreift und dabei Grenzen überschreitet - mit verhängnisvollen Folgen.
Ein Beziehungsdrama in den nebelverhangenen Ebenen Flanderns. Ein Mädchen, das zur Frau heranreift und dabei Grenzen überschreitet - mit verhängnisvollen Folgen.
»Simenon lesen, das ist zum einen eine Erinnerung an die frühen Lesesüchte. Als Bücher noch eine Droge waren. Und Simenon lesen ist, als sähe man dem Leben direkt ins Auge.
« Thomas Andre Hamburger Abendblatt 20181123
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.03.2009Ein paar Krähen bloß und das Kratzen der Schlittschuhe
Hier ist nichts schicksalhaft, alles erscheint ganz natürlich: Georges Simenons Roman „Das Haus am Kanal” handelt von einem Kindsmord in der flämischen Provinz. Jetzt ist daraus ein abgründiges Krimi-Hörspiel geworden
Morde finden meist im Verborgenen statt. Vielleicht kommt ihnen deswegen die akustische Darstellung so entgegen: Auch im Hörspiel schließlich sieht man nichts. Dafür aber hört man umso mehr. Wo die Krimiserie im Vorabendprogramm oder der jugendfreie Kinospielfilm in der entscheidenden Sekunde einen Schnitt setzt und das Spritzen des Blutes also dem Zuschauer entzogen wird, da kann das Kriminalhörspiel voll draufhalten. Ein paar Geräusche genügen, um die Fantasie des Hörers anzustacheln und ihm Schauer über den Rücken zu jagen, die jedem Horror-Schocker zur Ehre gereichen.
So auch in einer Szene des vom WDR produzierten und soeben als Hörbuch erschienenen Simenon-Hörspiels „Das Haus am Kanal”: Da gehen zwei durch den Wald, Fred und Marie, Cousin und Cousine. Er versucht sich an ihr zu vergehen, wird dabei aber von einem kleinen Kind gestört. Störrisch ist dieses Kind, es will sich einfach nicht das Versprechen abringen lassen, den Vorfall zu vergessen. Da bringt Fred es um. Zu hören ist nur das Scharren der Füße auf dem Waldboden, das hysterische Lachen Maries und ein paar gestrichene und geschlagene Metallsaiten. Sie verleihen der Situation etwas Märchenhaft-Unwirkliches, die unheimliche Ahnung des nahen Todes. Schlichte Mittel sind das, aber sie funktionieren.
Schließlich funktioniert ja auch Georges Simenons Romanfabrik mit so einfachen wie effektiven Mitteln. Eine Handvoll Figuren, eine dunkler Trieb oder auch bloß eine Dummheit, schlechtes Wetter und viel zu viel Calvados, schon ist das Drama perfekt. Simenons Geschichten ist sind nie urban. Auch wenn sie in Paris spielen, spielen sie meist doch nur im abgezirkelten Bereich eines Viertel oder auch bloß einer Straße. Die Umgebung ist immer überschaubar; deswegen auch fühlt man sich in seinen Geschichten so schnell heimisch.
Viele seiner besten Romane spielen dann auch gleich im Mikrokosmos des Dorfes, in „Das Gasthaus im Elsaß” ist das so, in „Maigret und der Treidler der ,Providence‘” oder im meisterhaften, leider vergriffenen „Der Neger”. Auch das „Haus am Kanal” spielt in der Provinz. In der Provinz-Provinz geradezu, so fernab liegt dieses Haus, ein großer Hof eigentlich. Überdies sprechen die Leute Flämisch. Marie spricht es nicht, und doch weiß sie sich mit den Verwandten, die das sechzehnjährige Mädchen nach dem Tod seiner Eltern aufnehmen, zu arrangieren. Nur Fred, ein Nichtsnutz, der das Geld mit leichter Hand verjubelt, steigt ihr anfangs nach. Sie aber wehrt sich, und weiß ihn schließlich in die Schranken zu weisen. Seinen jüngeren Bruder Joop hat sie da schon längst um den Finger gewickelt.
Der Roman entstand im Jahr 1933. Man hört keine Autos, bloß das Schuppern der Eisenbahn und die rumpelnden Kutschen. Größtenteils spielt die Geschichte im Winter, und es scheint, als würden nicht nur Krimis, sondern auch Winterlandschaften sich ideal fürs Hörspiel eignen: Ein paar Krähen bloß, das Kratzen der Schlittschuhe auf dem Eis, ein weiter, offener Klangraum, schon meint man, selbst den Schnee fallen zu hören, sieht – wir befinden uns immerhin in Flandern – winterliche Landschaften Pieter Brueghels vor dem inneren Auge aufziehen.
Unschuldige Bilder sind das, und natürlich gibt sich Simenon mit so etwas nicht zufrieden. Er ist so wenig Mann des stillen Glücks wie des stillen Unglücks. Zwar wird gemächlich getrunken und reichlich „Schinkenomelette mit Kalbfleisch und Mayonnaise” gegessen, in seinen Geschichten aber treibt der Belgier die Handlung doch immer wieder zu einer klaren Lösung, einem Endpunkt, einer Katastrophe.
So auch im „Haus am Kanal”: Auch hier spielt ein Akkordeon immer wieder melancholische Weisen, entwickelt sich die Handlung erst als ordentliches Tableau; der Kindsmord und vor allem die Eifersucht unter den Brüdern aber wendet die Geschichte ins Abgründige.
Uwe Schareck hat das mit ruhiger Hand inszeniert, Katharina Schüttler als Marie, Serdar Somuncu als Fred und Christian Friedel als Joop bilden ein stimmiges Sprecherensemble und auch das Akkordeonspiel Elmar Wiesenmüllers fügt sich gut ins Gesamtbild ein. Nichts wirkt in diesem Roman, in diesem Hörspiel aufgesetzt oder „schicksalhaft”, alles scheint ganz natürlich. Und als Joop am Ende gefragt wird, warum er die Marie erdrosselt habe, da erwidert er, als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt: „Warum? Was hätten Sie denn getan?” TOBIAS LEHMKUHL
Georges Simenon
Das Haus am Kanal
Sprecher: Katharina Schüttler, Serdar Somuncu, Christian Friedel, Regie: Uwe Schareck. Der Audio Verlag, Berlin 2009. 1 CD, 54 Minuten, 14,95 Euro.
Man hört keine Autos, bloß das Schuppern der Eisenbahn und die rumpelnden Kutschen
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Hier ist nichts schicksalhaft, alles erscheint ganz natürlich: Georges Simenons Roman „Das Haus am Kanal” handelt von einem Kindsmord in der flämischen Provinz. Jetzt ist daraus ein abgründiges Krimi-Hörspiel geworden
Morde finden meist im Verborgenen statt. Vielleicht kommt ihnen deswegen die akustische Darstellung so entgegen: Auch im Hörspiel schließlich sieht man nichts. Dafür aber hört man umso mehr. Wo die Krimiserie im Vorabendprogramm oder der jugendfreie Kinospielfilm in der entscheidenden Sekunde einen Schnitt setzt und das Spritzen des Blutes also dem Zuschauer entzogen wird, da kann das Kriminalhörspiel voll draufhalten. Ein paar Geräusche genügen, um die Fantasie des Hörers anzustacheln und ihm Schauer über den Rücken zu jagen, die jedem Horror-Schocker zur Ehre gereichen.
So auch in einer Szene des vom WDR produzierten und soeben als Hörbuch erschienenen Simenon-Hörspiels „Das Haus am Kanal”: Da gehen zwei durch den Wald, Fred und Marie, Cousin und Cousine. Er versucht sich an ihr zu vergehen, wird dabei aber von einem kleinen Kind gestört. Störrisch ist dieses Kind, es will sich einfach nicht das Versprechen abringen lassen, den Vorfall zu vergessen. Da bringt Fred es um. Zu hören ist nur das Scharren der Füße auf dem Waldboden, das hysterische Lachen Maries und ein paar gestrichene und geschlagene Metallsaiten. Sie verleihen der Situation etwas Märchenhaft-Unwirkliches, die unheimliche Ahnung des nahen Todes. Schlichte Mittel sind das, aber sie funktionieren.
Schließlich funktioniert ja auch Georges Simenons Romanfabrik mit so einfachen wie effektiven Mitteln. Eine Handvoll Figuren, eine dunkler Trieb oder auch bloß eine Dummheit, schlechtes Wetter und viel zu viel Calvados, schon ist das Drama perfekt. Simenons Geschichten ist sind nie urban. Auch wenn sie in Paris spielen, spielen sie meist doch nur im abgezirkelten Bereich eines Viertel oder auch bloß einer Straße. Die Umgebung ist immer überschaubar; deswegen auch fühlt man sich in seinen Geschichten so schnell heimisch.
Viele seiner besten Romane spielen dann auch gleich im Mikrokosmos des Dorfes, in „Das Gasthaus im Elsaß” ist das so, in „Maigret und der Treidler der ,Providence‘” oder im meisterhaften, leider vergriffenen „Der Neger”. Auch das „Haus am Kanal” spielt in der Provinz. In der Provinz-Provinz geradezu, so fernab liegt dieses Haus, ein großer Hof eigentlich. Überdies sprechen die Leute Flämisch. Marie spricht es nicht, und doch weiß sie sich mit den Verwandten, die das sechzehnjährige Mädchen nach dem Tod seiner Eltern aufnehmen, zu arrangieren. Nur Fred, ein Nichtsnutz, der das Geld mit leichter Hand verjubelt, steigt ihr anfangs nach. Sie aber wehrt sich, und weiß ihn schließlich in die Schranken zu weisen. Seinen jüngeren Bruder Joop hat sie da schon längst um den Finger gewickelt.
Der Roman entstand im Jahr 1933. Man hört keine Autos, bloß das Schuppern der Eisenbahn und die rumpelnden Kutschen. Größtenteils spielt die Geschichte im Winter, und es scheint, als würden nicht nur Krimis, sondern auch Winterlandschaften sich ideal fürs Hörspiel eignen: Ein paar Krähen bloß, das Kratzen der Schlittschuhe auf dem Eis, ein weiter, offener Klangraum, schon meint man, selbst den Schnee fallen zu hören, sieht – wir befinden uns immerhin in Flandern – winterliche Landschaften Pieter Brueghels vor dem inneren Auge aufziehen.
Unschuldige Bilder sind das, und natürlich gibt sich Simenon mit so etwas nicht zufrieden. Er ist so wenig Mann des stillen Glücks wie des stillen Unglücks. Zwar wird gemächlich getrunken und reichlich „Schinkenomelette mit Kalbfleisch und Mayonnaise” gegessen, in seinen Geschichten aber treibt der Belgier die Handlung doch immer wieder zu einer klaren Lösung, einem Endpunkt, einer Katastrophe.
So auch im „Haus am Kanal”: Auch hier spielt ein Akkordeon immer wieder melancholische Weisen, entwickelt sich die Handlung erst als ordentliches Tableau; der Kindsmord und vor allem die Eifersucht unter den Brüdern aber wendet die Geschichte ins Abgründige.
Uwe Schareck hat das mit ruhiger Hand inszeniert, Katharina Schüttler als Marie, Serdar Somuncu als Fred und Christian Friedel als Joop bilden ein stimmiges Sprecherensemble und auch das Akkordeonspiel Elmar Wiesenmüllers fügt sich gut ins Gesamtbild ein. Nichts wirkt in diesem Roman, in diesem Hörspiel aufgesetzt oder „schicksalhaft”, alles scheint ganz natürlich. Und als Joop am Ende gefragt wird, warum er die Marie erdrosselt habe, da erwidert er, als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt: „Warum? Was hätten Sie denn getan?” TOBIAS LEHMKUHL
Georges Simenon
Das Haus am Kanal
Sprecher: Katharina Schüttler, Serdar Somuncu, Christian Friedel, Regie: Uwe Schareck. Der Audio Verlag, Berlin 2009. 1 CD, 54 Minuten, 14,95 Euro.
Man hört keine Autos, bloß das Schuppern der Eisenbahn und die rumpelnden Kutschen
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Wunderbar gefallen hat Tobias Lehmkuhl diese Hörspielfassung von Georges Simenons Krimi "Das Haus am Kanal". Er attestiert Uwe Schenk, den Roman um einen Kindsmord in der winterlichen flämischen Provinz spannend inszeniert zu haben. Das Abgründige der Geschichte kommt für ihn in diesem Hörbuch bestens zum Vorschein. Mit Lob bedenkt er die Sprecher, die die Figuren überzeugend verkörpern, sowie den sparsamem, aber höchst effektiven Einsatz der Mittel des Hörspiels. So entsteht für ihn eine stimmige Atmosphäre, bei der man fast meint, "den Schnee fallen zu hören".
© Perlentaucher Medien GmbH
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