2003 kaufte Mariusz Wilk im Dorf Konda Bereschnaja am Onegasee im Norden von Russland ein riesiges, hundert Jahre altes Holzhaus. Als er es bezog, war es eine Ruine ohne Strom, die 37 Fenster und Türen waren mit Brettern vernagelt, die sechs großen gemauerten Öfen zerstört, der Wind pfiff vom Parterre bis hinauf in die Mansarde. Um das Überleben in dieser fast menschenleeren Gegend zu sichern, musste er selbst Hand anlegen. Anschaulich und kenntnisreich gelingt es Mariusz Wilk in dieser Reportage, aus einem unwirtlichen Winkel der Welt seinen Blick auf das große Ganze Russlands zu werfen. Er erzählt von den "Skomorochy", wilde russische Minnesänger, die einst den orthodoxen Klerus verhöhnten, vom unerbittlichen Winter und dem Einsetzen des Sommers, der hier nur einen Monat dauert und die Natur gleichsam explodieren lässt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.03.2010Verheerungen auf russische Art
Mariusz Wilk ist ein Besessener des russischen Nordens. Nach zehn Jahren auf den Solowetzkij-Inseln im Weißen Meer kaufte der polnische Journalist 2003 ein verrottetes Holzhaus am Onegasee an der Grenze zu Finnland. Von dort aus schreibt er über das ländliche Russland - nicht als "Fremder unter Einheimischen", sondern als jemand, der sich einlässt auf die Belange der desolaten Dorfgemeinschaft. Eigenhändig fällte er die Kiefern für die Strommasten, die erstmals Elektrizität in die abgeschiedene Gegend bringen, renovierte die alte Dorfkirche. Und er erweist sich wieder als großartiger Erzähler. In tagebuchartigen Sequenzen entfaltet Wilk ein Panorama des russisch-karelischen Nordens. Er schreibt über verlorene Traditionen, alkoholbedingte Verheerungen, die Einsamkeit des Winters und immer wieder von den Menschen, die sich dort behaupten oder zugrunde gehen - so gemütvoll und poetisch, wie nur einer erzählen kann, der das Sujet seines Lebens gefunden hat.
taro
"Das Haus am Onegasee" von Mariusz Wilk. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2008. 270 Seiten. Gebunden, 19,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Mariusz Wilk ist ein Besessener des russischen Nordens. Nach zehn Jahren auf den Solowetzkij-Inseln im Weißen Meer kaufte der polnische Journalist 2003 ein verrottetes Holzhaus am Onegasee an der Grenze zu Finnland. Von dort aus schreibt er über das ländliche Russland - nicht als "Fremder unter Einheimischen", sondern als jemand, der sich einlässt auf die Belange der desolaten Dorfgemeinschaft. Eigenhändig fällte er die Kiefern für die Strommasten, die erstmals Elektrizität in die abgeschiedene Gegend bringen, renovierte die alte Dorfkirche. Und er erweist sich wieder als großartiger Erzähler. In tagebuchartigen Sequenzen entfaltet Wilk ein Panorama des russisch-karelischen Nordens. Er schreibt über verlorene Traditionen, alkoholbedingte Verheerungen, die Einsamkeit des Winters und immer wieder von den Menschen, die sich dort behaupten oder zugrunde gehen - so gemütvoll und poetisch, wie nur einer erzählen kann, der das Sujet seines Lebens gefunden hat.
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"Das Haus am Onegasee" von Mariusz Wilk. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2008. 270 Seiten. Gebunden, 19,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
"Das Haus am Onegasee? sind die Tagebücher des polnischen Schriftstellers Mariusz Wilk, die er in der weiten Natur des Onegasees an der finnisch-russischen Grenze in Karelien niedergeschrieben hat. Rezensent Andreas Breitenstein liest die Chroniken mit Interesse und versucht, Wilks gedankliche Reise nachzuvollziehen. Die Impressionen der einsamen und zum Teil unbarmherzigen Natur haben ihn dabei beeindruckt; Wilk kann auf "ekstatische Weise? beschreiben, meint er. Den Autor hat es Breitenstein zufolge hierher verschlagen, weil sein voheriges Aussteigerparadies am Weißen Meer von Touristen überlaufen wurde. Nun suche er am Onegasee die Tristesse und das Verschwinden und setze sich gleichzeitig mit dem sowjetischen Vermächtnis in der Region auseinander: der Kahlschlag durch die USSR habe zu Armut und Verwahrlosung geführt, erzählt Breitenstein. Im Laufe des Aufenthalts besinnt sich Wilk auf das Erbe karelischer Kultur und wird mitgerissen von dem Glaubenseifer der Bürger. Diese spirituelle Reise ist für Breitenstein aufgrund historischer und kultureller Besonderheiten interessant; insgesamt nennt er das Tagebuch ein "Brevier der Weisheit und des Trostes?.
© Perlentaucher Medien GmbH
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