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1943 wird Turin von den Alliierten bombardiert. Wer kann, rettet sich auf die Hügel. Hier trifft Corrado, Lehrer am Gymnasium, auf Cate, seine frühere Liebe, und Dino, ihr Kind, das womöglich auch seines ist. Eines Tages macht die Meldung vom Waffenstillstand die Runde. Doch schnell dringen die Deutschen ins Land - und damit beginnt erst alles.

Produktbeschreibung
1943 wird Turin von den Alliierten bombardiert. Wer kann, rettet sich auf die Hügel. Hier trifft Corrado, Lehrer am Gymnasium, auf Cate, seine frühere Liebe, und Dino, ihr Kind, das womöglich auch seines ist. Eines Tages macht die Meldung vom Waffenstillstand die Runde. Doch schnell dringen die Deutschen ins Land - und damit beginnt erst alles.
Autorenporträt
Cesare Pavese, geboren 1908 im Piemont, verlor schon früh seinen Vater. Nach dem Studium übersetzte er Klassiker wie ¿Moby Dick¿ oder ¿David Copperfield¿ ins Italienische und begann beim Turiner Verlag Einaudi zu arbeiten. Pavese gilt als wichtiger Vertreter des Neorealismo, 1950 erhielt er den Premio Strega für ¿Der schöne Sommer¿. Im August desselben Jahres, auf dem Höhepunkt seines literarischen Erfolgs, nahm er sich in einem Turiner Hotelzimmer das Leben.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.07.2018

Albträume, räudige Hunde
Harsches Selbstgericht: Cesare Paveses Roman „Das Haus auf dem Hügel“
Es ist merkwürdig mit Cesare Pavese. Bis heute bleibt der Schriftsteller und glänzende Programmleiter des Verlagshauses Einaudi ein Geheimnis, flüchtig und nicht zu fassen, bezwingend und abstoßend zugleich. „Das Haus auf dem Hügel“ heißt ein Roman von 1948, der dafür ein sinnfälliges Beispiel bietet, in Deutschland nie wahrgenommen wurde und jetzt in einer schönen Neuübersetzung von Maja Pflug im Schweizer Verlag Edition blau erschienen ist.
Um den nächtlichen Bombenangriffen zu entgehen, hat der Ich-Erzähler Corrado bei zwei Frauen in den Hügeln am Rande Turins Quartier genommen und geht nur tagsüber in die Stadt hinunter, wo er an einem Gymnasium unterrichtet. In einem Landgasthof trifft er abends eine Gruppe junger Leute. Cate, die einmal seine Geliebte war, sagt es Corrado auf den Kopf zu: „Du bist wie ein Junge, ein hochmütiger Junge“. Damit markiert sie sein Verharren in der Adoleszenz , seine Weigerung, für sein Handeln Verantwortung zu übernehmen. Die Arbeiterin mit der kratzigen Stimme, Mutter eines Sohnes, der möglicherweise seiner ist, weiß im Unterschied zu ihrem früheren Freund sehr genau, worauf es im Juni 1943 ankommt.
Während Italien zerbricht, Mussolini gestürzt wird, die Alliierten Luftangriffe auf die Industriemetropolen fliegen und sich in den Bergen Partisanenverbände formieren, zieht sich Corrado, unverkennbar ein alter Ego Paveses, auf eine Beobachterposition zurück. Er nimmt eine „seltsame Unberührtheit“ an sich wahr, obwohl sich nach mehr als zwanzig Jahren Diktatur große Umwälzungen abzeichnen.
Als sich die Geschehnisse zuspitzen, die Wehrmacht das Kommando übernimmt und nach Aufrührern fahndet, wandert er bis in die piemontesischen Hügelketten der Langhe weiter und versteckt sich in einem Kloster, bis auch das zu riskant wird und er weiterzieht bis ins Dorf seiner Familie. Nach einem Überfall der Partisanen sieht er Tote auf der Straße liegen, Vorboten des Bürgerkriegs, der sich in die Landschaft einschreibt und untergründig noch lange nach dem Krieg anhalten wird.
„Das Haus auf dem Hügel“ hat etwas Harsches, Unbehauenes, und die Faszination besteht in den knappen Dialogen, dem klaren, übersichtlichen Satzbau und in der spröden Sprache mit ihren sparsam gesetzten lyrischen Vergleichen: „schimmernde Himmelslöcher“ tun sich auf, „es regnet Licht von den Sternen“, Albträume geistern „wie räudige Hunde durch die Straßen“. Das Atemlose und Unsichere der politischen Lage vermittelt sich über die Figuren, die wie Schraffuren wirken. Sie sind Spielbälle der Zeitläufte, der Einzelne scheint kaum etwas ausrichten zu können.
Als Sehnsuchtslandschaft seiner Kindheit lädt Pavese, der 1908 in Santo Stefano Belbo geboren wurde, die Langhe mit Mythos und Zeitgeschichte auf. Als er den Roman schrieb, las er Nietzsche und beschäftigte sich als Herausgeber einer neuen Reihe mit anthropologischen Studien. Im Hintergrund kann man außerdem seine Erfahrungen als Übersetzer von Melvilles „Moby Dick“ ausmachen, von Steinbeck und Sinclair Lewis, aber auch die Lektüre von James M. Cains „The Postman Always Rings Twice“, nach dessen amerikanischen Weiten er schon seinen Roman „Unter Bauern“ (1941) modelliert hatte.
Aber Pavese erzählt in „Das Haus auf dem Hügel“ vor allem von sich selbst. Das Buch kreist um seine Schuldgefühle, seine Versäumnisse, seine innere Lähmung und lässt auch deshalb Cate so nüchterne Urteile sprechen. Einige seiner engsten Freunde, darunter der Verlagsgründer Leone Ginzburg, hatten als Widerstandskämpfer ihr Leben gelassen. Pavese selbst war im Dezember 1943 unter falschem Namen bei den Somasker-Mönchen in Casale Monferrato untergekrochen und hielt sich mit Nachhilfestunden über Wasser.
Es gibt ein Notizheft aus der Zeit, das erst im August 1990 von dem Literaturkritiker und Pavese-Herausgeber Lorenzo Mondo in der Tageszeitung La Stampa unter dem Titel „Taccuino segreto“, geheimes Notizbuch, veröffentlicht wurde. 29 karierte Seiten mit Sympathiebekundungen für die Deutschen und Bemerkungen zu den italienischen Faschisten, die ihm mehr imponieren als die Antifaschisten, weil sie kämpfen und nicht diskutieren. Es sind eilig hingeworfene Assoziationen, Gedankenexperimente, Provokationen: „Diese ganzen Grausamkeiten der Nazis, die die Bourgeoisie erschüttern, was unterscheidet sie schon von der Geschichte der Französischen Revolution, der man aber recht gab? Auch wenn es alles stimmt, die Geschichte schreitet nun mal nicht mit Samthandschuhen voran. Vielleicht ist es richtig, dass wir Italiener den Fehler haben, nicht grausam sein zu können.“
In das Konvolut seines Tagebuchs, das Pavese mit der Bitte um Veröffentlichung auf seinem Schreibtisch zurückließ, als er im August 1950 mit nicht einmal 42 Jahren Selbstmord beging, hat er die Seiten nicht eingefügt, er hat sie aber auch nicht vernichtet. Seine Weggefährten, allen voran Leones Witwe, Natalia Ginzburg, der wir die schönsten Porträts Paveses verdanken, reagierten im August 1990 mit Entsetzen und befürchteten, man wolle dem schillernden Intellektuellen nachträglich den Prozess machen. „Ihn einen Faschisten zu nennen, ist purer Wahnsinn“ schrieb Ginzburg damals, „wer ihn kennengelernt hat, wer sich seine Gestalt, seine Gesten, sein Verhalten, den Kern seiner Existenz in Erinnerung rufen kann, weiß genau, dass er für das Gegenteil dessen, was der Faschismus war, stand. Er war ein zurückhaltender Mann, störrisch, Liebhaber des Schweigens und des Schattens, einer der leidenschaftlichsten und bescheidensten und am wenigsten zynischen Menschen, der je einen Fuß auf diese Erde gesetzt hat“.
Den Selbstmord deutet die Schriftstellerin als Reaktion auf ein zermürbendes Schuldgefühl „eine Last von tiefen Gewissensbissen, gerechtfertigt oder nicht, aber verzweifelt.“ Mitleidloser, aber auch präziser, beschrieb Luisa Sturani, die Tochter von Paveses legendärem Lehrer Augusto Monti, den Charakter des Schriftstellers. „Sagen wir die Wahrheit, Pavese war nie ein Antifaschist. Er war nie irgendetwas. Er war ein ewiger Heranwachsender, ein gequälter Mann, neurotisch. Heute behauptete er dies, morgen das.“ Es ist ziemlich genau dasselbe, was Cate in „Das Haus auf dem Hügel“ Corrado an den Kopf wirft.
MAIKE ALBATH
Das „geheime Tagebuch“, das
Pavese im Krieg führte, wurde
fünfzig Jahre später publiziert
Cesare Pavese: Das Haus auf dem Hügel. Aus dem Italienischen von Maja Pflug. Edition Blau, Zürich 2018. 214 Seiten, 24 Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.07.2018

In den Jahren der tiefsten Krise
Sein persönlichstes Werk: Cesare Paveses Roman "Das Haus auf dem Hügel" ist neu übersetzt worden

Es ist eine Eigenart realistischen Schreibens, dass hinter der detailgenau erfassten Alltagswirklichkeit ein mythischer Grund aufscheint. Das ist bereits bei den Realisten und Naturalisten des neunzehnten Jahrhunderts so, man denke an den Blinden in Gustave Flauberts "Madame Bovary" oder an die mythisch aufgeladenen Motive Bohrturm und Mine in Émile Zolas "Germinal". Im Neorealismus, der Kino und Literatur im Italien der dreißiger und vierziger Jahre dominiert, ist es nicht anders. Darum überrascht die Überraschung, mit der Kommentatoren die archaische Schicht hinter einem scheinbar selbstgenügsamen Realismus entdecken. Interessant ist vielmehr die Frage, welche Rückschlüsse sie erlaubt: Zeigt sie die wahren Motivationen und entwertet die dargestellte Wirklichkeit als Oberflächenkräuseln? Oder motiviert sie ein umfassenderes Verständnis von und Engagement in dieser Realität?

Nun ist ein Roman neu übersetzt worden, der ein Paradebeispiel für letztere Möglichkeit darstellt: "Das Haus auf dem Hügel" wird von vielen als Meisterwerk von Cesare Pavese (1908 bis 1950) angesehen; zugleich ist es sein Roman mit den sichtbarsten autobiographischen Spuren. Plastisch stellt er die Realität der Kriegsjahre 1943/44 in Turin und Umgebung dar, die Bombardierung der Stadt durch die Alliierten, die Formierung der Resistenza, die Kämpfe zwischen Faschisten und Widerstand. Der Roman entwickelt aber auch einen archaischen Bezug auf die Hügel der Langhe, jenen Teil des Piemonts, der für Pavese auf die Kindheit und den Urgrund der Identität verweist.

Im Zentrum steht Corrado, ein vierzig Jahre alter Lehrer, der in Turin unterrichtet und sich jeden Abend in besagtes Haus vor den Toren der Stadt zurückzieht. Dort kümmert sich eine Alte um ihn, gemeinsam mit ihrer Tochter Elvira, die ihn gern heiraten würde. Seine Splendid Isolation ist letzten Ende ein selbstgenügsamer Egoismus: "Der Krieg gab einem das Recht, sich abzukapseln, in den Tag hinein zu leben, nicht mehr den verpassten Gelegenheiten nachzutrauern." Beiläufig defiliert die politische Lage: der Sturz Mussolinis, Landung und Vormarsch der Alliierten, die deutsche Besatzung, die Republik von Salò. Die Ereignisse zwingen Corrado in eine müßige Existenz. Zufällig gerät er in Kontakt mit einer Gruppe junger Leute, die sich im nahe gelegenen Wirtshaus treffen; die meisten sind Proletarier, alle stehen dem linken Widerstand nahe.

Corrado hat einen Sonderstatus, seine Bildung beeindruckt, aber seine Passivität stößt auf Unverständnis, besonders bei Cate: Corrado kennt diese junge Frau, hatte vor Jahren eine Affäre mit ihr. Jetzt ist sie Krankenschwester und Mutter von Dino - "ein magerer Lausbub" -, der Corrados Sohn sein könnte. Die Existenz des Einzelgängers, der es sich im Ausnahmezustand bequem gemacht hatte, gerät durcheinander; er kümmert sich um Dino und umwirbt Cate, die ein Beispiel für Paveses heikle Frauenfiguren ist. Doch auch dieses "behutsame Gleichgewicht von Ängsten, Erwartungen und nichtigen Hoffnungen" kippt: Im Wirtshaus werden Waffen gefunden, die Widerständler verhaftet, Corrado muss fliehen.

Er verbirgt sich den Winter über in einer Klosterschule und bricht dann in Richtung seines heimatlichen Dorfes auf. Der Weg ist Corrados persönlicher Reifegang, ein Partisanenüberfall sein Schlüsselerlebnis: "Doch ich habe die fremden Toten gesehen, die Toten, die für die faschistische Republik kämpften. Sie sind es, die mich aufgeweckt haben." Er begreift seine ethische Verpflichtung, der Tod fordert zur Stellungnahme heraus: "Jeder Gefallene gleicht dem, der bleibt, und verlangt Rechenschaft von ihm."

Corrado ist in vieler Hinsicht Pavese selbst nachgebildet, der sich in besagtem Kriegsjahr in einer vergleichbaren existentiellen Lage befand; Details wie der Name von Corrados Hund - Belbo - betonen die Parallele. Denn Pavese wuchs in Santo Stefano Belbo auf, studierte dann in Turin und wurde 1932 mit einer Arbeit über Walt Whitman promoviert. Die Amerikaner, die er übersetzte, stellten ihm ein Gegenmodell zum römischen Maskenball des Faschismus dar, wie Lothar Müller in seinem schönen Nachwort betont. Vor allem jedoch gehörte Pavese 1933 zu den Unterstützern von Guilio Einaudis Verlagsgründung. Der Einaudi-Verlag sollte die italienische Nachkriegsliteratur mit seinem "Ideal des allseits gebildeten Menschen" (so der langjährige Leiter Roberto Cerati in Maike Albaths Buch "Der Geist von Turin") entscheidend prägen. Seit seinem Erstling "Unter Bauern" (1941) war Pavese ein anerkannter Schriftsteller. Nach einer Verbannung für seine Redaktionsarbeit in der Zeitschrift "La Cultura" führte er von 1943 an die römische Verlagsniederlassung. Während der Kriegsjahre blieb er - anders als die meisten Verlagsmitarbeiter - politisch abstinent, versteckte sich wie Corrado in einer Klosterschule und bei seiner Schwester.

"Das Haus auf dem Hügel" erschien 1948 und markierte eine Vertiefung der mythischen Dimension, die Pavese durch Lektüren (von Frazer bis Kerényi, Freud und Jung) und theoretische Schriften ("Il mito", 1950) reflektierte. Der Mythos war für ihn ein "ekstatisches, embryonales Bild, das man im Innern trägt", er betonte dessen persönliche Dimension. Im Roman ist der Mythos dezent anwesend, der titelgebende Hügel steht für die Isolation des Erzählers und für dessen Identitätssuche: "Hinter den bestellten Feldern und den Straßen, hinter den Häusern der Menschen, unter den Füßen brütete das uralte, gleichgültige Herz der Erde in der Dunkelheit, lebte in den Schluchten, in Wurzeln, in verborgenen Dingen, in Kindheitsängsten." Wie diverse katholische Sakralbauten verkörpert der Hügel einen besonderen Erfahrungsraum, in dem Corrado sich aus seinen Verstrickungen befreien und - gelegentlich, überraschend - Sinn erfahren kann.

"Das Haus auf dem Hügel" wurde bereits 1965 von Arianna Giachi ins Deutsche übersetzt. Maja Pflug, die auch Paveses "Der Mond und die Feuer" neu übertragen hat, präsentiert nun eine genauere und elegantere Übersetzung, wie die konkrete Wiedergabe des Wortes "collina" ("Hügel", nicht "Höhe") gleich im Anfangssatz zeigt. Pflugs Übertragung beweist: Cesare Paveses amerikanisch geschulte Nüchternheit, die Mythos ohne Pathos will, ist kein bisschen gealtert.

NIKLAS BENDER

Cesare Pavese: "Das Haus auf dem Hügel". Roman.

Aus dem Italienischen von Maja Pflug. Rotpunktverlag, Zürich 2018. 216 S., geb., 24,- [Euro].

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