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»Tolles Buch, sehr empfehlenswert - ist ein großer Bestseller und ich verstehe jetzt, warum.« Markus Lanz, ZDF
Das Elternhaus. Es ist zu groß geworden für die alten Eltern. Es steht vielleicht sogar weit weg vom Leben, Lieben und Arbeiten der Kinder, die in der Mitte des Lebens genug mit sich selbst zu tun haben - und jetzt doch entscheiden müssen: Was machen wir mit dem Ort unserer Kindheit? Wie verabschieden wir die Heimat in Würde? Was hat für uns als Familie wirklich noch einen Wert und was muss weg?

Produktbeschreibung
»Tolles Buch, sehr empfehlenswert - ist ein großer Bestseller und ich verstehe jetzt, warum.« Markus Lanz, ZDF

Das Elternhaus. Es ist zu groß geworden für die alten Eltern. Es steht vielleicht sogar weit weg vom Leben, Lieben und Arbeiten der Kinder, die in der Mitte des Lebens genug mit sich selbst zu tun haben - und jetzt doch entscheiden müssen: Was machen wir mit dem Ort unserer Kindheit? Wie verabschieden wir die Heimat in Würde? Was hat für uns als Familie wirklich noch einen Wert und was muss weg?
Autorenporträt
Ursula Ott, Jahrgang 1963, ist Chefredakteurin des Magazins »chrismon«. Sie ist Absolventin der Deutschen Journalistenschule in München und arbeitete u.a. als Gerichtsreporterin bei der »Frankfurter Rundschau«, als Autorin und Kolumnistin bei der »Woche«, »Brigitte« und »Sonntag aktuell« sowie als freie Autorin für Radio und Fernsehen. Sie ist außerdem Autorin zahlreicher Sachbücher über Familie, Kinder und Gesellschaft. Ursula Ott hat eine Schwester und lebt in Köln und Frankfurt am Main.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.06.2019

Die Dinge sprechen zu uns

Was wird aus den alten Eltern, und was machen wir mit dem Haus? Die Journalistin Ursula Ott hat ein persönliches Buch über eine Erfahrung geschrieben, die uns alle angeht.

Als der Umzugswagen kommt, um das Mobiliar für die neue Wohnung der Mutter abzuholen, den Esstisch, an dem die Familie immer zusammenkam, das Service mit dem Goldrand, die siebzehn Fotoalben, da fühlt sich das Elternhaus für die Töchter fast schon fremd an. Dabei war es für die beiden Frauen eben noch undenkbar, das Haus, das fünfzig Jahre im Besitz der Familie war, zu verkaufen.

Doch es sprach alles dafür: Die Mutter, hochbetagt, konnte nach dem Tod des Vaters nicht länger allein dort leben, und die Töchter würden es nicht übernehmen. Ihre Heimat im tiefschwarz katholischen Oberschwaben hatten sie schon vor einem halben Leben verlassen, wohnten längst in anderen Städten, hatten Berufe ergriffen, Familien gegründet, waren ins Ausland gegangen, sind zurückgekehrt.

"Was wird aus den alten Eltern - und was machen wir mit dem Haus?" Das sind die zentralen Fragen im neuen Buch von Ursula Ott. In "Das Haus meiner Eltern hat viele Räume" ergründet die Autorin anhand ihrer eigenen Familiengeschichte in dreizehn mitunter sehr persönlichen Kapiteln eine Erfahrung, die uns alle betrifft. Wie umgehen mit der seelischen Herausforderung? Welchen elterlichen Aufträgen aus dem Haus kann man entsagen? Und vor allem: Was soll bleiben von den Dingen der Toten? Für Ursula Ott und ihre Schwester bedeutete die Antwort darauf zwölf Monate lang schweißtreibendes Räumen und manche Träne: "Ein Jahr lang haben wir aufgeräumt. Unser Haus. Unsere Kindheit. Unsere Familie."

Die Entscheidung zum Verkauf haben alle gemeinsam getroffen, und doch wird der Tochter jetzt schwer ums Herz. Da kann sie in der Kirche mit August Hermann Franckes Liedzeilen - "Vergesset, was dahinten liegt und euern Weg beschwert" - noch so laut dagegen ansingen: Mit dem Abschied vom Elternhaus gelangt ein Lebensabschnitt ans Ende. Auch wenn das Haus den Töchtern schon lange kein Wohnort mehr war, fällt ihnen der Schritt auch deshalb schwer, weil mit dem Haus auch ein ideeller Ort verlorengeht: Jetzt gibt es kein Zurück mehr.

Nicht nur die Mutter muss es nun schaffen in ihrem neuen Apartment für betreutes Wohnen. Auch die Töchter verlieren ihren Rückzugsort, das Zimmer für sich allein, das bei jeder Krise verlässlich auf sie wartete. "Ich fürchte, ich muss jetzt wirklich erwachsen werden", denkt Ursula Ott - immerhin eine gestandene Journalistin, "Chrismon"-Chefredakteurin und zweifache Mutter - an der Klippe dieser biographischen Wende.

Einerseits brauchte sie die lange Zeit, um sich ihre Kindheit noch einmal anzuschauen: Die Puppe zur Hand zu nehmen, im Fotoalbum zu blättern, das bedeutet immer auch, zu begreifen, woher man kommt, wer man ist. Für Ursula Ott ist dies zugleich Voraussetzung, um einbiegen zu können "in die nächste Kurve des Lebens". Das Jahr brauchte es aber auch, um sich von allem zu trennen, was sich im Laufe von fünfzig Jahren angesammelt hat. Wohin mit all den Dingen, den Kristallgläsern und Dessertschalen, Regenschirmen?

Mit professionellen Entrümplern hat die Autorin keine guten Erfahrungen gemacht, der taxierende Blick auf die Welt ihrer Kindheit hat sie gekränkt. Wegwerfen, das ging für sie auch nicht, denn "die Dinge wollen weiterleben", haben eine Geschichte, wurden für besondere Anlässe gekauft, sind mit Erinnerungen behaftet. Beim Trödler stellt Ott dann allerdings Kurioses fest: Ihre Generation, die heute um die Fünfzigjährigen, die jetzt damit beschäftigt ist, die Häuser ihrer Eltern auszuräumen, stößt auf die immer gleichen Gegenstände. Die Gläser, Sessel und Lampen liegen beim Trödler alle schon vor.

Mit einer Mischung aus Verzweiflung und Amüsement beschreibt die Autorin ihren Kampf mit den Dingen, von denen wir alle, ob alt oder jung, reich der arm, zu viel haben. Auch die Option, die Sachen zu verschenken, ist nicht ohne Tücke, denn für das Immergleiche gibt es kaum Abnehmer. Und hatte die japanische Aufräumexpertin Marie Kondo uns nicht gelehrt, dass Dinge zu verschenken vor allem bedeutet, die eigenen Schuldgefühle auf andere zu übertragen?

So traurig der Anlass ist, so selbstironisch kann Ursula Ott darüber schreiben. Wenn sie anfangs noch meint, die Flüchtlinge aus dem Jahr 2015 seien die "Traum-Zielgruppe für alle Menschen, die ausräumen", wird sie schnell eines Besseren belehrt: Nicht alles, was eine schwäbische Familie loswerden will, kann ein junger Mann aus Eritrea gebrauchen. So ist die Hausauflöserin bald froh, wenn sie der Nonne Ines wenigstens ein Bett und zwei Matratzen mitgeben kann.

Das Trennungsjahr vom Haus hatten sich die Schwester aufgeteilt. Die diplomierte Volkswirtin sollte alles Juristische und Ökonomische übernehmen, die Journalistin konzentrierte sich auf das Organisatorische. Dass sie kooperierten und sich in dunklen Stunden gegenseitig stärkten, ist eine Erfahrung, die nicht für alle Familien zutrifft, wie Ott weiß. Dass sie ihre Erinnerungen um Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung zu Themen wie Abnabelung, Loslassen oder Pathologie des Sammelns erweitert, tut diesem Buch gut. Wenn etwa anhand von Sabine Bodes Studie über die Traumata der Kriegskindergeneration die Häuser anhand der spezifischen Psychopathologie der Elterngeneration hin untersucht werden. Wenn Ott beschreibt, welchen Mut es erfordert, diese Häuser auszuräumen, weil man nie weiß, was man dabei findet. "Es können Dinge auftauchen, die zu uns sprechen - über Vorfälle, die unsere Eltern verschwiegen haben". Die Psychologin, die Ott konsultiert, empfiehlt, "bewusst durch das Elternhaus zu gehen und zu akzeptieren, was war". Anschauen also sollen wir die Objekte unserer Vergangenheit, aber aufbewahren? "Alles, was warm ist, nehmen Sie mit. Alles, was kalt ist, schauen Sie noch mal an. Dann kann es weg", rät die Fachfrau.

Kalte Gegenstände, das ist für jeden etwas anderes, für Ursula Ott sind es die vielen Messgeräte im Haus, die Uhren, Waagen, Sicherheitschlösser. Dass die Eltern in ihrer oberschwäbischen Heimat nach dem Krieg eine Vorzeigefamilie gründen wollten und Pünktlichkeit und Effizienz in hohem Maße dazugehörte, das wird der Tochter erst jetzt richtig bewusst. Dabei erinnert sie sich auch, dass sie im Elternhaus immer gefroren hat. Doch als sie den Energieberater kommen lässt, hat sie es amtlich: Das Haus ist nicht unterkühlt, sondern normal temperiert.

Obwohl "Das Haus meiner Eltern" als Sachbuch firmiert, hat es durch den persönlichen Ton und die mitunter intimen Einsichten etwas von einer Coming-of-Age-Geschichte einer Frau aus der Babyboomer-Generation. Der Tod der Eltern ist eine kollektive Erfahrung, auf die höchst individuelle Entscheidungen folgen. Ursula Ott spricht für sich und ihre Familie, und doch trifft sie damit zugleich auf einen breiten Erfahrungshorizont. Ein paar wertvolle Entscheidungshilfen gibt sie ihren Lesern mit auf den Weg. Im Anhang versammelt sie von "Angelzeug" über "Puppen" und "Dias" bis zu "Zinn" und "x-beliebiger Rest" all das, was beim Hausausräumen zu uns spricht. Das "ABC der Dinge" weiß ihnen zu antworten.

SANDRA KEGEL

Ursula Ott: "Das Haus meiner Eltern hat viele Räume". Vom

Loslassen, Ausräumen und Bewahren.

btb Verlag, München 2019. 192 S., geb., 18,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Tolles Buch, sehr empfehlenswert - ist ein großer Bestseller und ich verstehe jetzt, warum.« ZDF, Markus Lanz