Neben seinem bekannten Sittenroman „Bel-Ami“ ist der französische Schriftsteller Guy de Maupassant (1850-93) vor allem als Autor von Erzählungen und Novellen erfolgreich gewesen. Durch seinen freundschaftlichen Kontakt zu Gustave Flaubert erhielt er literarische Anregungen und Zugang zur Avantgarde
der 1870er und 1880er Jahre.
Bereits 1881 erschien seine erste Novellensammlung „La Maison…mehrNeben seinem bekannten Sittenroman „Bel-Ami“ ist der französische Schriftsteller Guy de Maupassant (1850-93) vor allem als Autor von Erzählungen und Novellen erfolgreich gewesen. Durch seinen freundschaftlichen Kontakt zu Gustave Flaubert erhielt er literarische Anregungen und Zugang zur Avantgarde der 1870er und 1880er Jahre.
Bereits 1881 erschien seine erste Novellensammlung „La Maison Tellier“, die zwölf Jahre später unter dem Titel „Familie Tellier und andere Erzählungen“ in deutscher Sprache herausgegeben wurde. Nun liegt der Auswahlband als Taschenbuchausgabe im Diogenes Verlag vor.
Die 21 Erzählungen, die zunächst in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht wurden, zeigen Maupassant als einen Autor, der seiner Zeit und der damaligen französischen Gesellschaft mit stilistischer Meisterschaft den kritisch-ironischen Spiegel vorhält. Seine Kritik gilt vor allem dem Krieg von 1870 und dem falschen Heldentum. Häufig sind Bauern, Fischer, Seeleute und einfache Leute aus der Normandie, seiner Heimat, die Protagonisten seiner Novellen.
Gleich in der Auftaktgeschichte „Der kleine Soldat“ erzählt Maupassant von zwei Soldaten aus der Bretagne, die jeden Freigang zu Ausflügen in die ländliche Umgebung ihrer Kaserne nutzen, wo sie die Erinnerungen an ihre bretonische Heimat pflegen. Eines Tages begegnet den beiden befreundeten Burschen eine Kuhmagd und diese Begegnung mit dem jungen Mädchen wird schließlich zu einem tragischen Ende führen.
Die bekannte Titelgeschichte „Das Haus Tellier“ berichtet dagegen von der bürgerlichen Scheinmoral: die verwitwete Madame Tellier, die ein Bordell in einer normannischen Kleinstadt betreibt, fährt mit ihrem Personal zur Erstkommunion ihrer Nichte aufs Land, wo vor allem die männlichen Dorfbewohner ganz aus dem Häuschen sind. Wieder daheim in ihrem Etablissement werden sie schon von Stammkundschaft freudig erwartet.
Die kurze Schlusserzählung „Das Fässchen“ ist ein Beispiel dafür, dass Maupassant auch humorvolle und skurille Geschichten, ja fast Schwänke, geschrieben hat. Ein geschäftiger Gastwirt schwatzt einer 82jährigen Bäuerin nach zähen Verhandlungen ihren Hof ab. Sie darf zwar bis an ihr Lebensende dort wohnen bleiben und erhält obendrein noch eine stattliche Monatsrente. Die Alte erfreut sich jedoch bester Gesundheit und denkt nicht daran, das Zeitliche zu segnen. Da greift der Wirt zu einem Trick und spendiert ihr ein Fässchen seines besten Schnapses …
Fazit: Eine wunderbare Sammlung von psychologischen, zeitkritischen und pikanten Novellen.
Manfred Orlick