Ilse Helbich erzählt in ihrem autobiographisch gefärbten Text Das Haus die Geschichte einer Frau, die sich mit über 60, entgegen aller Vernunft und entgegen dem wohlmeinenden Freundesrat, einen 'Herzenswunsch' erfüllt: Sie kauft ein altes Haus. Es ist beinahe Liebe auf den ersten Blick - und das, obwohl das Haus in einem Dorf und in einer Gegend liegt, in die sie eigentlich nicht ziehen wollte. Mehr noch: Es ist baufällig und feucht, und für sie das Schlimmste: Es ist durch lieblose Umbauten und pragmatische Modernisierungen über Generationen komplett verunstaltet. Und doch kauft sie dieses 'verletzte' Haus mit seinem 'verwilderten' Garten. Diese Worte sagen viel über die Autorin und ihre Prosa: Ilse Helbich beschreibt Haus und Garten als geschundene Kreaturen, denen sie ihre ursprüngliche Form und Würde zurückgeben will. Zunächst mit Taten und später, indem sie dieses Buch schreibt, mit Worten. Dabei ist viel vom 'Hineinwachsen', 'Herausschälen', 'Entfalten' die Rede. Der Bericht vom allmählichen Entstehen des Hauses, von den behutsamen Annäherungen an einzelne Nachbarn, ja auch die gemeinsam erlebte Flutkatastrophe, die die Fundamente des neuen Heims buchstäblich zu unterspülen droht, ist in seiner geradlinigen Schmucklosigkeit von ungeheurer Spannung. Und erreicht dort, wo die wortlose Einsamkeit, die sich gnadenlos verringernde Zukunft im Genuss der Natur und des Augenblicks sichtbar werden, eine weit über das Erzählte hinausgehende Bedeutung.Ilse Helbich, die erst mit 80 ihren ersten Roman publizierte, besitzt ein ganz außergewöhnliches Talent, das Wesentliche zu formulieren, einen fast buddhistischen Sinn für Konzentration und Leere.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.07.2010Mein liebes altes Haus
Dies ist eine besondere Liebesgeschichte: die Liebe zu einem alten Haus. Ilse Helbich hat die "Alte Post" im österreichischen Waldviertel gefunden, in einem Dorf inmitten von Weinbergen und Hügeln. Wider den Rat von Freunden und Verwandten kauft sie das Anwesen, obwohl es verschandelt und reparaturbedürftig ist. Sie ist nicht mehr jung und nicht gesund und wird wohl die einzige Fremde unter den Einheimischen bleiben. Doch zum ersten Mal findet sie in dem Dreiseithof, dem sie nach und nach sein ursprüngliches Gesicht zurückgibt, ein Zuhause. In lichtestem Blau lässt sie die alten Mauern tünchen, verwandelt Brennnesselhalden und Brombeergestrüpp zu dem Klostergarten, der er einst war, und stellt den geerbten Empireofen wie ihren restlichen Hausrat an ihrem gemäßen Platz auf. Sie ist angekommen. Inzwischen lebt sie seit zwei Jahrzehnten dort. Sie hat Freunde und hilfreiche Nachbarn gewonnen, eine "G'stopfte" ist sie nicht mehr, doch sie bleibt Zuschauerin, wenn die Einheimischen ihre Feste feiern. Manchmal fragt sie sich, ob sie sich hier in ein "Friedensgespinst" zurückgezogen hat. Zum Grübeln hat sie viel Zeit, und vor ihren Ängsten ist sie nicht sicher, doch das Haus ist ein beschützendes Gehäuse, in dem sich auch Einsamkeit ertragen lässt. Ilse Helbich hat nach vielseitiger publizistischer Arbeit erst spät angefangen, Prosa zu schreiben. Ein Roman und zwei Erzählungsbände liegen vor. Ihre kultivierte Sprache macht Personen wie Gegenstände ebenso deutlich wie eindringlich sichtbar. Der "Alten Post" und sich selbst hat sie ein schönes Denkmal gesetzt. (Ilse Helbich: "Das Haus". Literaturverlag Droschl, Graz und Wien 2009. 140 S., geb., 18,- [Euro].) m.f.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Dies ist eine besondere Liebesgeschichte: die Liebe zu einem alten Haus. Ilse Helbich hat die "Alte Post" im österreichischen Waldviertel gefunden, in einem Dorf inmitten von Weinbergen und Hügeln. Wider den Rat von Freunden und Verwandten kauft sie das Anwesen, obwohl es verschandelt und reparaturbedürftig ist. Sie ist nicht mehr jung und nicht gesund und wird wohl die einzige Fremde unter den Einheimischen bleiben. Doch zum ersten Mal findet sie in dem Dreiseithof, dem sie nach und nach sein ursprüngliches Gesicht zurückgibt, ein Zuhause. In lichtestem Blau lässt sie die alten Mauern tünchen, verwandelt Brennnesselhalden und Brombeergestrüpp zu dem Klostergarten, der er einst war, und stellt den geerbten Empireofen wie ihren restlichen Hausrat an ihrem gemäßen Platz auf. Sie ist angekommen. Inzwischen lebt sie seit zwei Jahrzehnten dort. Sie hat Freunde und hilfreiche Nachbarn gewonnen, eine "G'stopfte" ist sie nicht mehr, doch sie bleibt Zuschauerin, wenn die Einheimischen ihre Feste feiern. Manchmal fragt sie sich, ob sie sich hier in ein "Friedensgespinst" zurückgezogen hat. Zum Grübeln hat sie viel Zeit, und vor ihren Ängsten ist sie nicht sicher, doch das Haus ist ein beschützendes Gehäuse, in dem sich auch Einsamkeit ertragen lässt. Ilse Helbich hat nach vielseitiger publizistischer Arbeit erst spät angefangen, Prosa zu schreiben. Ein Roman und zwei Erzählungsbände liegen vor. Ihre kultivierte Sprache macht Personen wie Gegenstände ebenso deutlich wie eindringlich sichtbar. Der "Alten Post" und sich selbst hat sie ein schönes Denkmal gesetzt. (Ilse Helbich: "Das Haus". Literaturverlag Droschl, Graz und Wien 2009. 140 S., geb., 18,- [Euro].) m.f.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main